Dienstag, 19. März 2024
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Mauerpark-Bebauung in der §§-Falle

Mauerpark-Bebauung in der Paragrafen-Falle

Der Hauptausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses berät heute über den geplanten städtebaulichen Vertrag mit der CA Immo – in vertraulicher Sitzung. Das Thema ist brisant: wie will man einen komplizierten Vertrag mit einem Investor abschliessen, wenn man noch gar keine entsprechenden planungsrechtlich gerichtsfesten Planbeschlüsse vorliegen hat? Soll man öffentlich-rechtliche Garantien abgeben – wenn widerspenstige Bürger einfach auf geltendes Bau- und Planungsrecht pochen, ihre Bügerbeteiligungsrechte wahrnehmen – und erfolgreich vor Gericht ziehen?

Mauerpark-Bebauung in der Paragrafen-Falle

Der künstliche Zeitdruck durch die Vorgaben der Allianz-Stiftung, die ihre Millionenzusage an einen Termin knüpfte, dazu der durch Architektur-Entwürfe künstlich erhöhte Bau-Erwartungswert – und das parlamentarische Gewicht einer Abgeordnetenhaus-Mehrheit haben „verwaltungstechnischen Machbarkeitsdenken“ Vorschub geleistet. Handeln unter Druck – das hat die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unter Senator Michael Müller und seinen Staatssekretär Gaebler zu einem waghalsigen Vorhaben nach dem Motto „Vertragsrecht bricht Baurecht“ verleitet.

Doch nun schnappt die Paragrafen-Falle zu! Das Bauvorhaben wird sich unweigerlich in ein „schwebendes Verfahren“ vor den Verwaltungsgerichten – vielleicht sogar vor dem Verfassungsgericht verwandeln – weil Grundsätze des Planungsrechts, Baurechts und des Verwaltunsgverfahrensrechts verletzt werden.

Die „taz“ hat bereits den vertraulichen Vertragsentwurf mit der CA Immo veröffentlicht – und einen „Kuhhandel mit Grundstücken“ öffentlich gemacht. Das Maß der ökonomischen Begünstigung des Investors CA Immo steht auch in der „Prenzlberger Stimme“ im Mittelpunkt der Betrachtung, die eine Begünstigung mit einer Millionensumme aufdeckt.

Eine ganz andere Seite wurde aber noch nicht richtig beleuchtet: planungs- und baurechtlich hat das Vorhaben keine gerichtsfeste Grundlage, sondern nur eine „behauptete Grundlage“, die argumentativ auf tönernen Füssen steht.
Verfassungsrechtlich und dienstrechtlich bedenklich ist es obendrein, wenn einem Investor geldwerte Zusagen ohne ausreichende rechtliche Grundlage gegeben werden.
Verfassungsrechtlich besonders bedenklich ist es aber, wenn geltende Beschlüsse des Berliner Abgeordnetenhauses – in diesem Fall der Aufstellungsbeschluß zum Berliner Flächennutzungsplan – einfach verwaltungsintern mißachtet und à la gusto für einen Investor umgedeutet werden.
Gewiß ist es löblich, einen Mauerpark-Kompromiß zu verfolgen, der alle Interessen irgendwie unter ein gemeinsames Dach einer Lösung bringt. Doch befindet man sich im Irrtum, wenn man meint, geltendes Recht einfach übergehen und aushebeln zu können.
Unklug war es auch, die bereits im Frühjahr erreichten Kompromisse in der Bürgerbeteiligung durch neue Beschlüsse in Frage zu stellen. Nun stehen die Zeichen auf Sturm – und eine Klagewelle zeichnet sich ab.

Worum geht es im Einzelnen?

Flächennutzungsplanung – verbindlich – oder dehnbar?

Der Abgeordnete Andreas Otto (Bündnis 90/Die Grünen) hatte im September 2009 eine Kleine Anfrage im Abgeordnetenhaus zur möglichen „Flächennutzungsplan-Änderung am Mauerpark?“ gestellt.

Die Berliner Verwaltung unter Senator Michael Müller antwortete in einem lapidaren Text, der noch die Gerichte beschäftigen wird:
„Der Berliner Flächennutzungsplan (FNP) stellt in diesem Bereich als generalisierten Grundzug der Planung eine Bauflächenkulisse sowie eine Grünfläche mit den Symbolen Parkanlage und ungedeckte Sportanlage dar. Die genaue Abgrenzung dieser Nutzungen erfolgt auf der örtlichen Ebene. Die nunmehr beabsichtigte Bebauung soll in einem schmalen Streifen im Bereich der im FNP dargestellten Wohnbaufläche W1 parallel zur Wolliner Straße erfolgen und stellt damit eine Arrondierung der vorhandenen Baufläche dar. Die Bebauungsabsichten wurden durch den Eigentümer V. in Abstimmung mit dem zuständigen Bezirksamt soweit angepasst, dass es sich im Bezug auf die geltende FNP-Darstellung um eine örtliche Konkretisierung handelt, die die genannten Grundzüge der Planung berücksichtigt und deren Umsetzung ermöglicht.“

Flächennutzungsplan Berlin - Ausschnitt mit dem Mauerpark
Ausschnitt aus den FNP 2012 mit durchgehender Grünfläche

Stadtentwicklungsenator Müller legte damit praktisch die gesamte Diskussion um die Entwicklung des „grünen Bandes“ ad Acta – als wäre sie nie geführt worden.

Damit stellte sich die Verwaltung schon 2009 auch gegen ihre eigenen Beschlüsse: „Der FNP ist der vorbereitende Bauleitplan einer Gemeinde. Er stellt für das gesamte Stadtgebiet die sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen in den Grundzügen dar. In Berlin enthält der FNP auch regionalplanerisch bedeutsame Darstellungen. Es werden grundsätzlich nur Flächennutzungen mit einer Größe von mehr als 3 ha dargestellt.“

„Wen bindet der FNP ? Der FNP ist für die bei seiner Aufstellung beteiligten Behörden und öffentlichen Planungsträger bindend; es besteht Anpassungspflicht gemäß § 7 BauGB.
Gegenüber dem Bürger entwickelt der FNP keine unmittelbare Rechtswirkung. Aus seinen Darstellungen sind keine Rechtsansprüche, wie etwa Baugenehmigungen für ein bestimmtes Grundstück, herzuleiten. Jedoch müssen alle Bebauungspläne aus dem FNP entwickelt werden. Erst diese enthalten gegenüber dem Bürger rechtsverbindliche Festsetzungen.“ (SenStadtum) .

Auf der Ebene der Flächennutzungplanung gibt es die ersten juristischen Angriffspunkte – allerdings: hier müßte die Initiative von den im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien oder einzelnen Abgeordneten ausgehen. Bevor man klagt, sollte man jedoch einmal die faktische Einflußnahme der CA Immo AG auf die Verwaltungsspitze näher untersuchen – weil hier inzwischen eine mehr als „übliche Triebkraft eines Investors“ am Werke ist – die die Verwaltung zu Abenteuern drängt.

BauGB und BauNVO – kein Investorenrecht:

Für das betreffende Gelände im Mauerpark besteht nach dem FNP gar kein Baurecht – es ist dort noch immer als Grünfläche ausgewiesen. Ein Blick ins BauGB, § 1, Absatz 2, Satz 2 führt weiter zum nächsten juristischen Ansatzpunkt: „Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.“

Weiterhin sind die erforderlichen Abwägungen für einen Bebauungsplan noch gar nicht vorgenommmen worden:

„(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und
umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln.“ Dazu gehören die unter (6) und (7 abzuwägenden öffentlichen Belange.

Kommt es zu einer Aufstellung eines Bebauungsplans – so wird es erhebliches Streitpotential geben, weil eben diese Belange unzureichend abgewogen wurden.

Baunutzungsverordnung – zu dichte Bebauung nicht erlaubt

Die rechnerisch begründete Absicht des städtebaulichen Vertrages, der CA IMMO „bis zu 58.000 m2 Bruttogeschossfläche (BGF) bei einer GFZ von 1,7“ zu versprechen ist ebenso juristisch angreifbar. Die gesetzliche Obergrenze für die GFZ liegt laut der Baunutzungsverordnung § 17 für Allgemeine Wohngebiete bei 1,2. Andere Baugebietstypen sind an dieser Stelle wohl kaum ausweisbar.
Die entsprechenden Passagen im städtebaulichen Vertrag begründen eigentlich dessen Nichtigkeit – weil hier Zusagen gegen geltendes Recht formuliert werden. Im Grundsatz begründet dies auch die Nichtigkeit des städtebaulichen Vertrages an den entsprechenden Passagen.

Verwaltungsrecht – schützt Bürger und Verwaltung

Das Verwaltungsrecht schützt die Bürger vor unrechtsmässigen Verwaltungshandeln – zugleich schützt es die handelnden Personen in der Verwaltung vor grundlegenden fehlerhaften Handlungen – und gibt den Rechtsrahmen für Verwaltungshandeln vor.
Auch im Verwaltungsverfahrensrecht gibt es grundlegende juristische Angriffspunkte:
Verwaltungsrechtlich ist das gesamte Vorgehen, mittels städtebaulichen Vertrag ein Grundstücksgeschäft vorzubereiten, mehr als bedenklich. Der Entwurf des städtebaulichen Vertrag in bestehender Form enthält schlichtweg unzulässige Bestimmungen, die im Klagefall dessen Nichtigkeit begründen können. Insbesondere die im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) geltenden Grundsätze erzwingen eine Abänderung des vorliegenden Vertragsentwurfs – weil er z.B. gmäß § 58 VwVfG erst wirksam wird, wenn betroffene Dritte diesem zustimmen: „§ 58 Zustimmung von Dritten und Behörden: (1) Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der in Rechte eines Dritten eingreift, wird erst wirksam, wenn der Dritte schriftlich zustimmt.“
Das Kopplungsverbot ist in § 56 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) des Bundes und in den entsprechenden Landesgesetzen normiert. Es dient dem Schutz des Bürgers davor, dass ihm unter hoheitlichem Druck gesetzlich ungerechtfertigte Leistungen abverlangt werden. Darüber hinaus soll ein „Verkauf von Hoheitsrechten“ durch die Verwaltung ausgeschlossen werden.

Die Absicht, die 5 ha Mauerparkerweiterungsfläche über die Schaffung von Baurecht „zu bezahlen“ ist damit verwaltungsrechtlich angreifbar – und dürfte bereits heute den Hausjuristen im Berliner Senat erhebliches Kopfzerbrechen bescheren.

Der Mauerparkstreit – Rückblick und eine mögliche Lösung

Nach der Wahl 2011 gab es zuerst einen neuen Aufbruch mit dem neuen Köpfen an der Spitze der Stadtentwicklungsverwaltung. Als Staatssekretär Christian Gaebler verkündete, das Land Berlin sei nun bereit, die 2 bis 3 ha Fläche zur Befriedigung der Forderungen des Fördergebers Allianz-Umweltstiftung zu kaufen, war es wie ein Befreiungsschlag. Im Frühjahr 2012 atmete man in Pankow und Mitte auf. Dem Land und dem Bezirk Mitte wurde neuer Handlungsspielraum eröffnet, den man auch zur Befreiung aus der Abhängigkeit von den Interessen der CA Immo AG hätte nutzen können.

Doch es kam anders: SPD und CDU, gestützt von GRÜNEn und Piraten beglückten die CA Immo AG im Frühjahr 2012 mit einer Lösungsvariante, die zwar auf Zustimmung vieler Anlieger – nicht aber der CA Immo AG stieß:

– keine Neubebauung im Süden, Verkauf an die ansässigen Gewerbetreibenden,
– anschließend Grünfläche für den Park, gekauft von Berlin
– auf der Nordfläche Baurechte für eine halbierte Baumasse für die CA Immo AG.

Offensichtlich intervenierte die CA Immo AG an höchster Stelle – denn mit Rückendeckung des neuen Senats wurde im Frühsommer der Überraschungscoup von SPD und CDU in Berlin-Mitte kreiert.
Dieser auch als „Beton-Coup“ bezeichnete Stadtplanungs-Beschluß sieht eine hoch verdichtete Wohnbaufläche nördlich des Gleimtunnels vor. Die Bebauungsdichte aus dem Städtebaulichen Wettbewerb soll nach einem vorliegenden B-Plan-Entwurf umgesetzt werden. Klaus Mindrup (SPD-Pankow) rechnete dagegen vor, wie nun für ein Grundstück, das heute etwa 12 Mio. Euro Wert ist, eine vertragliche Garantie von 120 Mio. Euro Ertrag per „Verwaltungszusage“ garantiert werden sollen – und sich dabei auf absehbar auf Schadensersatzforderungen von 50 Mio. Euro einlässt – falls die Planungszusage kippt.

Der „Beton-Coup“ im Mauerpark überbietet noch die alten Kompromißvorschläge aus 2011 und kann heute nur als „gemeinschädlich“ und als „bau- und verwaltungsrechtliches Abenteuer“ bezeichnet werden.

Eine Lösung ohne jahrelange juristische Auseinandersetzungen kann nun nur noch von „vorausschauenden Juristen“ in der Verwaltung kommen, die den Planern in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und im Bezirk einen Ausweg aus dem juristischen Abenteuer weisen.
Man könnte z.B. ganz offen in ein „ortsübliches B-Plan-Verfahrens“ eintreten, die Baumasse durch Bürger-Einwände und planungsrechtliche Abwägungen reduzieren lassen – und der CA Immo AG an ganz anderer Stelle in Berlin oder Brandenburg einen „geldwerten Ausgleich“ in Form von Baurecht zuwachsen lassen. Der wichtigste stadtpolitische Krisenherd könnte damit im Bundestagswahljahr ganz einfach befriedet werden. m/s

m/s