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BER: der nächste Hirnschlag droht!

Hartmut Mehdorn beim Start von SPRINT auf dem BER am 1.5.2013

Der Amtsantritt vom Hartmut Mehdorn in diesem Frühjahr war rasant inszeniert, die Idee mit dem SPRINT-Programm und dem modernen Projektmanagement-Office mitten auf der Baustelle waren modern und zeitgemäß. Doch das Foto vom 1. Mai 2013 entfaltete auch eine unbeabsichtigte Symbolkraft: Hier der alerte Manager mit herrischer Geste, und am Tisch nachdenklich sitzend BER-Technikchef Horst Amann.

Hartmut Mehdorn beim Start von SPRINT auf dem BER am 1.5.2013
Hartmut Mehdorn beim Start von SPRINT auf dem BER am 1.5.2013, Horst Amann im Hintergrund - Foto: Günter Wicker / Flughafen Berlin Brandenburg GmbH

Ein Konflikt deutete sich an, der nun eskaliert und sich nun krisenhaft zuspitzt: Es fliegen die Fetzen auf der Baustelle, Mehdorn versucht Amann loszuwerden – und Amann wehrt sich nun vehement. Er gibt Interwievs und schreibt Briefe an den Aufsichtsrat.

Zwei Manager – zwei Welten treffen aufeinander

Hartmut Mehdorn hat seinen Job so brachial begonnen, wie man ihn schon lange kennt: Straffung der Strukturen, Vereinfachung der Abläufe, Einsatz von Beratern, wenn es irgendwo brennt und hapert. Mit betriebswirtschaftlichen Management-Methoden ist er vertraut, und Techniker werden schnell unter Duldungszwang gesetzt – auch wenn die Technik nicht mitspielen will.

Horst Amann ist Techniker und Manager, und auf Detailtreue und Sorgfalt getrimmt. Er weiß vom Flughafen Frankfurt Main, was technische Betreiberverantwortung heißt – und hat nicht umsonst die Mängeldokumentation in den Mittelpunkt gestellt.
Amann ist seit August 2012 tätig, und hat das Bauchaos aufgenommen, Bestandsaufnahmen und Dokumentationen von einer Baustelle erstellt, auf der einstmals bis 2012 rund 170 Planer und Bauleiter und wenigstens 200 planende Ingenieure bis ins Chaos hinein gemanagt wurden.
Über 512 Plan-Änderungen wurden im Bauprozess seit Grundsteinlegung vorgenommen, das Terminal wurde massiv erweitert und den wachsenden Fluggastaufkommen angepaßt. Zusätzlich wurde ein Einkaufszentrum eingeplant – und die Haustechnikplanung konnte nicht Schritt halten, ein renommiertes Planungsbüro mit über 70 Ingenieuren ging 3 Monate vor dem Richtfest an den Planänderungsfolgen Konkurs. Ein Vorfall, der die gesamte Baustelle BER zum unendlichen Problemfall werden ließ.

Größte und teuerste Bestandaufnahme der Baugeschichte

Inzwischen ist noch kein halbes Jahr vergangen, seit Hartmut Mehdorn im Amt ist. Nach der weltgrößten und teuersten Bestandaufnahme der Baugeschichte mit über 65.500 Mängeln und einem noch immer nicht feststehenden Inbetriebnahmetermin gibt es heftigen Streit zwischen beiden Herren Mehdorn und Amann.

Hartmut Mehdorn wollte unbedingt einen Testbetrieb am Nordpier aufnehmen, und ist damit kläglich an den schwierigen Baugenehmigungsfragen und Umbauaufwendungen gescheitert, der Frust sitzt nun bei ihm tief.

Intern hat Mehdorn wichtige Fachleute aus dem Team Amann entfernt – und durch teure Berater ersetzt. Klaus Mehdorn befindet sich noch immer in der Lernkurve, und hat noch immer nicht begriffen: es gibt einen Riesen-Unterschied zwischen einem Konzernmanagement und dem Baumanagement einer Großbaustelle.

Der faktische Unterschied geht nur Technikern auf:

– wenn in einem Konzern etwas nicht klappt, dann werden Menschen auf Positionen gefeuert und ausgetauscht
– auf einer Großbaustelle mit komplizierten technischen Bausystemen kann eine nicht funktionierende Technik
nicht „gefeuert“, sondern nur teuer repariert oder ersetzt werden.

Und so gibt noch immer keinen Zeitplan für den Fertigstellungstermin – und weitere rund 400 Mio. € sind nun in den märkischen Sand gesetzt – ohne klare Aussicht auf Inbetriebnahme.

Zwei Management-Philosophien im Widerstreit

Harmut Mehdorn setzt auf Managemententscheidungen, sein Ampelsystem im ehemaligen DB Vorstand war legendär, weil Entscheidungen anonym nach einer Ampelbewertung fielen. Die Techniker wurden dabei oft von Betriebswirten überstimmt. Die Unterdimensionierung der Laufräder des ICE war auf eine solche Entscheidung zurückzuführen – und Mehdorn sollte eigentlich genug gewarnt sein, wie sensibel technische Systeme zu entwickeln und zu managen sind.

Horst Amann ist ganz Techniker, und wehrt sich nun auch öffentlich:

„Die Probleme sind leider Gottes nach dem, was wir jetzt wissen und was wir sehr mühevoll in den letzten Monaten aufgedeckt haben, heftig, sehr heftig. Und zwar so gravierend, fast grauenhaft, dass die Maßnahmen, die wir jetzt ergriffen haben, notwendig waren.“ – so gab es Horst Amann in seiner Heimat zum Besten, als er vom Hessischen Rundfunk interviewt wurde.

Amanns Hauptversäumnis besteht seit 2012 vor allem darin, zuerst zu analysieren, statt zugleich anzupacken und Mängel zu beheben. Doch wo soll man anfangen, wenn niemand ein komplexes Gesamtsystem übersieht und versteht, das von hunderten Menschen errichtet, und fehlerhaft und chaotisch zusammengebaut wurde?
Wie reorganisiert man ein riesiges Projektmanagement, wenn eine Aufsichtsratsentscheidung zur Kündigung der Planer und Architekten wie ein „Schlaganfall“ eine Großbaustelle lahmlegt? Wie sichtet man tausende Pläne, von denen viele nicht mehr aktuell und manche auch fehlerhaft sind?

Inzwischen gilt das Verhältnis zwischen Mehdorn und Amann als völlig zerrüttet. Im Handelsblatt beklagt sich Amann nun, Mehdorn habe „hervorragende Fachkräfte entlassen“ und durch kostenintensive Berater ersetzt. „Berater können aber keine Bauherrenfunktionen übernehmen!“

Der nächste Gehirnschlag droht

Mehdorn hat sich in der Auseinandersetzung mehrfach öffentlich geäußert und das Jahr der Bestandsaufnahme nach der BER-Startverschiebung im Mai 2012 als „verschenkt“ bezeichnet, und wirft Amann Fehleinschätzungen vor.
Die Ursache aber wurde weder von Mehdorn noch von Amann beseitigt: „Die Kündigung der Fachplaner und Architekten, die mit über 170 Fachleuten über gewaltige Handlungsmöglichkeiten verfügen, um das technische Desaster zu reparieren, das durch ein chaotisches Projektmanagement der ehemaligen Flughafengeschäftsführer Schwarz und Körtgen verursacht wurde.

Nun hat Horst Amann an den amtierenden Vize-Aufsichtsratschef Klaus Wowereit einen Brief geschrieben, der wuchtige Formulierungen trägt:

„Es wird versucht, mich gegenüber dem Aufsichtsrat zu denunzieren und zu diskriminieren“, zitiert das „Handelsblatt“ aus dem Schreiben vom 16. September. Amann bat den Aufsichtsrat „um sofortige Unterstützung“.
Amann kritisiert die „fehlende Bereitschaft des Herrn Dr. Mehdorn, sich mit fachlichen und sachlichen Notwendigkeiten unter Berücksichtigung qualifizierter Mindesterfordernisse auseinanderzusetzen“.

Ein Weggang von Horst Amann würde einen abermaligen „Gehirnschlag“ für das Projekt bedeuten. Niemand im Aufsichtsrat scheint sich bisher Gedanken über die zwingend notwendige Verbindung von Technik, Haftung und Verantwortung ernsthaft Gedanken gemacht zu haben. Diese kann nur durch qualifizierte Ingenieure und Fachingenieure sichergestellt werden kann, die auch die Bauherren-Funktion mit Kostenverantwortung wahrnehmen können.

Harsche Worte aus dem Untersuchungsausschuß

Andreas Otto MdA (Bündnis 90/Grüne) begleitet seit Monaten das Projekt im Untersuchungsausschuß und ist angesichts der neuen Umstände fassungslos und wütend:

„Der Technische Geschäftsführer der Flughafengesellschaft hat in einem Brief an den Regierenden Bürgermeister offenbart, dass auf der BER-Baustelle die Fetzen fliegen. Aber nicht jene Fetzen aus Beton, Kabeln oder anderer Hardware, wie sie einer Großbaustelle innewohnt, sondern es geht um Meinungsverschiedenheiten zwischen zwei Jungs und sehr viel Geld. Blöderweise nicht das Geld von Herrn Amann, Herrn Mehdorn oder Klaus Wowereit, sondern um unser aller Steuergeld. Genau das, was Berlin so dringend zum Sanieren von Schulen, Kindergärten, Straßen oder für die S-Bahn benötigt. Am BER wird es mit vollen Händen irgendwelchen Firmen und diversen Beratern in die Taschen gesteckt.“

Andreas Otto klagt weiter: „Herr Amann hat über ein Jahr die Baustelle analysiert und eine Ausgrabung der Vergangenheit versucht. Dem Abgeordnetenhaus liegt bis heute kein Bericht über seine Arbeitsergebnisse vor, kein Kostenplan für die Fertigstellung und erst recht kein Zeitplan. Stattdessen wird über die Ablösung des Technischen Geschäftsführers und eine 1,5 Mio Abfindung debattiert.

„Wer nichts vorlegen kann, sollte sein Gehalt für das letzte Jahr zurückzahlen, anstatt über Abfindungen zu verhandeln.“

Andreas Otto MdA Bündnis 90/ Grüne
Andreas Otto MdA Bündnis 90/ Grüne sitzt auch im BER Untersuchungsausschuß

Auch zum Flughafenchef wählt Andreas Otto harte Worte:

„Flughafenchef Mehdorn gefällt sich in der Rolle des Machers, der zwar den Bau nicht voranbringt, aber mit neuen Vorschlägen wie der 3-Flug-Eröffnung in der Öffentlichkeit Geltung sucht.“

„Verantwortlich für dieses unwürdige Schauspiel und das Versagen des Führungspersonals sind die Gesellschafter der Flughafengesellschaft. Der Berliner Senat, die Brandenburger Landesregierung und Verkehrsminister Ramsauer haben es nicht geschafft, das Organisationsversagen am BER zu korrigieren. Im Gegenteil. Das verfehlte Krisenmanagement seit Sommer 2012 hat ca. 400 Mio Euro verschlungen und es gibt nicht mal einen Plan. Dafür in der Woche nach der Wahl eine Sondersitzung des Aufsichtsrates, die unabweisliche Kostensteigerungen feststellen wird und den Haushalten neue Zahlungen aufbürdet.“

„Der Regierende Bürgermeister wird sich später wieder auf Nichtwissen herausreden, wenn es um die Verantwortung geht. Das Trauerspiel geht weiter.“

Inzwischen ermitteln auch die beiden Landesrechnungshöfe aus Berlin und Brandenburg bei der Flughafengesellschaft – und versuchen das Vertrags- und Abrechnungschaos und die immense Geldverschwendung nachzuforschen.
Soviel ist schon bekannt: Unter dem Geschäftsführer Schwarz und dessen Projektleiter Körtgen ist auch das gesamte Vertragsmanagement auf Bauherrenseite zusammengebrochen. Die Flughafengesellschaft ist seit 2012 bei vielen baubeteiligten Firmen auf deren „Herrschaftswissen“ und „Nachtragswesen“ angewiesen.

Hartmut Mehdorn und Horst Amann sollten daher schleunigst eine Einigung herbeiführen, und endlich wieder die Bauherrenfunktion nach dem Prinzip „Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit“ mit Ingenieuren besetzen und Schritt um Schritt die Prinzipien „Haftung „und „Verantwortung“ reinstallieren.

Die Errichtung eines Flughafens bedingt eine besondere Sorgfalt, wenn er überhaupt jemals betriebssicher werden soll (siehe auch: Mehdorns Tabubruch und die “Due Diligence” – 13.03.2013).

Weitere Informationen:

1. Untersuchungsausschuss „BER“
http://www.parlament-berlin.de/pari/web/wdefault.nsf/vHTML/C16-00109?OpenDocument

www.otto-direkt.de

m/s