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Prenzlauer Berg bekommt ein 5-Tage-Bad

Foto: Lukas Verlag 2012

Die ökonomisch tragfähige Wiederbelebung des Stadtbades Oderberger Straße scheint zu glücken. Privates unternehmerisches Engagement, ein tragfähiges Unternehmenskonzept, wohlwollender Denkmalschutz und nicht zu Letzt die Niedrigzinspolitik ermöglichen eine Wiederinbetriebnahme des Stadtbades in privater Trägerschaft. Anders als in Steglitz und in Wedding, wo ähnliche Stadtbad-Konzepte gescheitert sind, tragen in Prenzlauer Berg kluge ökonomische Synergien von Sprachschule, Hotelbetrieb, Gastronomie und Eventwirtschaft zum Erfolg bei.

Barbara Jeschke, die Chefin der Sprachenschule und „Investorin“ bleibt dabei dem Kiez treu: das Stadtbad wird Kiezbad bleiben. Die umfangreiche Bausanierung des Stadtbades ist abgeschlossen.

Die Eröffnung ist für den 17 Oktober 2016 geplant. Mit moderaten Preisen von sechs Euro Eintritt soll das Bad künftig an 5 Tagen öffentlich zugänglich sein. Die Zeiten werden erst kurz vor der Eröffnung bekannt gegeben.

Das Becken ist jedoch verhältnismässig klein. Mit 20 Metern Länge und 12 Metern Breite ist es für ruhigen Badebetrieb und Schwimmen gerade groß genug.

Badetempel und Eventlocation

Das Stadtbad verfügt über eine innovative Technik, die eine Doppelnutzung als Bad und Event-Location erlaubt. Das Wasser kann in einem Becken aufgefangen werden. Der Beckenboden kann auf Ebene des Beckenrandes angehoben werden.

Eine vielseitige Nutzung des Stadtbades als Eventlocation, für Familien- und Firmenfeiern und exklusive Ereignisse mit geladenen Gästen wird so möglich.

Die Sanierungsdauer von fünf Jahren und rund 18 Millionen Euro Investitionssumme sind gut investiert worden. Ein neues Restaurant soll künftig auch ins Stadtbad locken: „Das Oderberger“ wird für etwa 80 Gäste ausgelegt, und soll regionale Küche bieten.

Volksbadeanstalt der Gründerzeit

Der ehemalige Stadtbaurat Ludwig Hoffmann schuf 1897 die Baupläne für des Stadtbad an der Oderberger Straße. Im Jahr 1899 wurde der Bau begonnen. Im Stil der Neorenaissance entstand ein Stadtbad, das mit Verzierungen und Skulpturen nach Vorlagen des Bildhauers Otto Lessing versehen wurde. Die Eröffnung war am 1. Februar 1902.

Zu DDR-Zeiten das Stadtbad intensiv genutzt, 1977 erhielt es zusätzlich eine Sauna. Das Stadtbad war zugleich ein bedeutender sozialer Bezugspunkt für Prenzlauer Berg. Viele Kinder hatten hier schwimmen gelernt. Zu Zeiten der nicht ausgebauten Arbeiterwohnungen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts waren auch die öffentlichen Duschen für Viele ein wichtiger Bezugspunkt.

Die Stillegung wurde durch Baufehler versursacht: um die Heizanlage zu verbessern, erhielt das Gebäude einen Schornstein-Anbau aus Beton, der ungeplant die Statik veränderte. Risse im Beckenboden und in den Deckengewölben sorgten für eine Stillegung aus Sicherheitsgründen am 11.12.1986. Später entwickelte Sanierungs- und Umbaupläne konnten bis zur Wende nicht mehr realisiert werden. Wannen- und Duschbäder und die Sauna waren noch einige Zeit in Betrieb, jedoch 1994 und 1997 wurden diese ebenfalls geschlossen.

Mehrere Versuche der Neubelebung des Stadtbades

1990 gründete sich eine Bürgerinitiative, die die Sanierung und die erneute Nutzung als Badeanstalt forderte. Der Senat von Berlin nahm das Stadtbad sogar in seine Sanierungsliste auf und plante 45 Millionen DM ein – die jedoch in der Sparpolitik auf der Strecke blieben.
Danach gründete sich eine Genossenschaft, die jedoch an ähnlichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten wie bei den Stadtbäderrpojekten in Steglitz und Wedding an den fehlenden wirtschaftlichen Zahlen scheitern mußte.
2007 erwarb die Stiftung Denkmalschutz Berlin das Gebäude, ein Weiterverkauf an einen Investor scheiterte. Kulturelle Zwischennutzungen sorgten dafür, das Gebäude nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Mit der GLS-Sprachenschule erwarb schließlich ein „bodenständiges mittelständisches Familienunternehmen“ das Baudenkmal. Nochmals drei Jahre vergingen, bis Sanierungskonzept und Förderung standen – inzwischen sind weitere fünf Jahre Bausanierung und denkmalgerechte Instandsetzung vergangen.
Prenzlauer Berg darf sich nun auf sein „5-Tage-Bad“ freuen.

Die wunderbare Bäderarchitektur der Berliner Gründerzeit wurde auch in einem Bildband gewürdigt.

Weitere Informationen:

Buchcover: Bäderbau in Berlin - Lukas Verlag 2013
Buchcover: Bäderbau in Berlin – Lukas Verlag 2013

Uta Maria Bräuer , Jost Lehne
Bäderbau in Berlin – Architektonische Wasserwelten von 1800 bis heute
Lukas Verlag 2013
255 Seiten; 21,0 x 26,0 cm
282 Farb- und Schwarzweißabbildungen, 2 Karten, Bäderverzeichnis
Festeinband mit Schutzumschlag –
ISBN 978-3-86732-129-7 | 29,80 €

m/s