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ABC.XYZ – die Mutter aller Aktivitäten

Googleplex - Firmenzentrale in Mountain View

Vor 17 Jahren, am 4. September 1998 gründeten Larry Page und Sergey Brin den Suchmaschinenkonzern Google und brachten noch am selben Tag eine erste Testversion des Programms auf den Markt und im selben Jahr ging die Suchmaschine offiziell ans Netz. Das Unternehmen beschrieb das eigene Bestreben darin, „die Informationen der Welt zu organisieren und allgemein zugänglich und nützlich zu machen.“ Gestern wurde die Umstrukturierung von Google angekündigt. Eine neue Holding soll nun Firmen und Technologien sammeln, die die ganze Welt zum „Internet der Dinge“ machen werden.

Googleplex - Firmenzentrale in Mountain View
Googleplex – Firmenzentrale in Mountain View – CC BY 3.0 – Bearontheroof

CEO Larry Page kündigte am 10. August 2015 im Google-Blog eine Revolution an: „Alphabet Inc. will replace Google Inc. as the publicly-traded entity and all shares of Google will automatically convert into the same number of shares of Alphabet, with all of the same rights. Google will become a wholly-owned subsidiary of Alphabet.“

Google ist künftig das „G“ in der Holding von Alphabet Inc., die künftig eine ganze Kollektion von Firmen regiert. Alphabet besteht unter anderem aus Google Inc., Calico, YouTube, Nest Labs, Google X, Google Capital und Google Ventures. Die bestehenden Aktien von Google werden im Verhältnis 1 zu 1 automatisch in Alphabet-Aktien umgewandelt. Die Holding wird weiter von den beiden Google-Gründern Larry Page als CEO und Sergey Brin geführt – so wurde es angekündigt.

17 Jahre Aufstieg eines weltumspannenden Konzerns

Angefangen hatte es mit einem Aufsatz, der aus heutiger Sicht auch als ein kulturtheoretisches Manifest angesehen werden kann:

„The Anatomy of a Large-Scale Hypertextual Web Search Engine“ im Jahr 1998.

Mit einem Startkapital von 1.100.000 US-Dollar, aufgebracht von den Familien, Freunden und Andy Bechtolsheim, entwickelten und veröffentlichten Brin und Page die erste Testversion des Suchprogramms und starteten ihre Firma Google Inc. in einer Garage. Nur fünf Monate später bezogen sie ein Büro mit fünf Angestellten in Palo Alto.

Ende des zweiten Quartals 2000 war Google Marktführer auf dem Gebiet der Suchmaschinen, und mit seiner Strategie der Zukäufe innovativer Startup-Unternehmen, die bis heute die expansive und mächtige Firmenstrategie prägt, wuchs das Unternehmen zu einem weltumspannenden Konzern. 2001 wurde das Use-Net-Archiv von Deja News übernommen und die eigenen Google-Groups entwickelt. Im Jahr 2003 folgte die Übernahme der Blogger Plattform www.blogger.com von Pyra Labs.

Mit der Übernahme von Applied Semantics, Inc. wurde der Grundstein für die Geldmaschine Google gelegt. Die AdSense-Technologie und die KeyWordSense-Technologie sorgten für das steile Wachstum der werbefinanzierten Suche.

17 Jahre nach Gründung und Börsengang folgte eine beispiellose Kette von Innovationen und Zukäufen: ein Mailprogramm, eine Videoplattform, ein Browser, ein soziales Netzwerk und vor allem: eine Suchmaschine bildeten den Kern, es entstand eine globale Geldmaschine.

Weitere strategische Zukäufe bauten die heute auf jedem PC und der Mehrzahl aller Smartphones präsenten Google-Dienste auf, die wie selbstverständlich als „Google-Dienste“ wahrgenommen wurden: Aus der Übernahme von Where2 LLC (2004) wurde Z.B. Google Maps entwickelt. Picasa, LLC sorgte für die Bildverarbeitungsdienst Google-Picasa.
Viele weitere Zukäufe steigerten den Komfort der Internetdienste, die sich zu einer Art „Dienste-Infrastruktur“ des weltweiten Internets zusammen setzten. Die Marktmacht des Unternehmen wuchs vor allem durch die Werbefinanzierung von Innovationen und durch Quersubventionierung der innovativen Dienste, die im Internet kostenlos für Nutzer bereit gestellt wurden.

Unüberwindbare Marktmacht mit beispieloser Strategie

Werbefinanzierung, Quersubventionierung und „Kostenlos-Ökonomie“ begründeten eine unüberwindbare Marktmacht, die durch digitale Vernetzung und Syntegration entstand, und wohl durch den ersten CEO Eric Schmidt mit begründet wurde, der seit 2001 mit an Bord ist.

Weitere strategische Zukäufe erwiesen sich als Glücksgriffe: mit Urchin Software Corp. wurde der zentrale Internetdienst Google Analytics möglich, der praktisch jeden Webseitenbetreiber an Google bindet.

Der Zukauf von Android Inc. 2004 legte den Grundstein für den Erfolg des mobilen Internets und die Revolution mobiler Dienste. Damit entstand auch die technologische Basis für das „weltumspannende Internet der Dinge“, das als neues Paradigma inzwischen alle Technologiekonzerne antreibt.
Google spielt dabei das Nervensystem, und hat sich durch Patente, Protokolle und Mitarbeit in Standardisierungs-Organisationen eine unumstößliche Gestaltungs- und Marktmacht gesichert.

Google

Mit dem Börsengang 2004 stieg der Börsenwert des Unternehmens steil an. Der Ausgabewert der Aktien von 80-85 Dollar stieg schon nach wenigen Tagen am 19. August 2004 auf über 100 Dollar. Am 18. November 2005 war die Aktie über die 400-US-Dollar wert. Mit 179.123.000 ausgegebenen Aktien hatte Google damit plötzlich einen Marktwert von 112 Milliarden US-Dollar – und übertraf damit große Konzerne wie Coca-Cola, IBM, Cisco oder Time Warner.

Heute hat das Unternehmen einen Börsenwert von etwa 468 Milliarden Dollar und einen Aktienkurs, der an der 700 Dollar-Marke kratzt. Allein im Juni 2015 stieg der Börsenwert an einem einzigen Tag um über 65 Mrd. Dollar, nur weil wieder gute Quartalszahlen vorgelegt wurden.

Ende 2014 hatte Google knapp 54.000 Mitarbeiter und rund 66 Mrd. Dollar Jahresumsatz. Doch Google steht unter Druck, das schnelle Wachstum hat auch Baustellen hinterlassen. Nach einem Umsatzeinbruch 2014 wurde schon vorhergesagt, das Unternehmen habe seinen Zenit überschritten. Zudem gibt es diverse wettbewerbsrechtliche Verfahren in USA und Europa, die noch teure Folgen nach sich ziehen.

Die Google-Wachstumsstrategie ist zugleich eine in der Ökonomiegeschichte einzigartige Revolution: dominierte bisher das von Adam Smith begründete Modell des freien Marktes, freien Wettbewerbs und das auf die „unsichtbare Hand des Marktes“ und das Leistungsprinzip setzte, so entfaltet sich mit der digitalen Vernetzung eine völlig neue Ökonomie. Diese wird durch einen „unsichtbaren digitalen Dritten“ geprägt, der alle digitalen Marktbeziehungen steuert und reguliert, und alle Marktteilnehmer durch kostenlose Innovationen und Dienste unentrinnbar wie ein „unsichtbarer Gott“ in neue Investitionen zwingt.

Blomberg hat die beiden Gründer Larry Page und Sergej Brin als „Game-Changer“ im nachfolgenden YouTube-Video portraitiert.

Google hat damit für die digitale Marktwirtschaft so etwas wie den „Gott-Modus“ erfunden, der aber Ökonomen, Wettbewerbsrechtler und Politiker grundsätzlich bedenklich stimmen muss. Die Zerschlagung von Google wurde bereits zur Option und wird nicht nur in Europa, sondern auch USA diskutiert.

Google Data Center in Council Bluffs im US-Bundestaat Iowa - Foto: Google
Google Data Center in Council Bluffs im US-Bundestaat Iowa - Foto: Google

Neue Unternehmensstrategie, Restrukturierung und neues Wachstum

Hinter der Kulissen wurde daher schon längst bei Google über eine Restrukturierung nachgedacht. Die Registrierung der abc.xyz Domain datiert auch bereits auf den 20. März 2014. Ein weiterer Schritt: seit Ende Mai 2015 ist Ruth Porat neue Finanzchefin von Google. Die 57-Jährige kam von der Investmentbank Morgan Stanley, wo sie bereits einen strengen Sparkurs fuhr.

Die Finanzchefin sorgt nun für Korrekturen und mehr Efektivität: Restrukturierung, Verschlankung der Unternehmensstruktur, Schutz gegen Wettbewerbsklagen – und weiteres Wachstum, so deutet sich der neue Kurs nun an.

Sichtbarsten Zeichen: im indischen Hyderabad ensteht bis Ende 2017 eine riesige Firmenzentrale für 13.000 Mitarbeiter, die künftig für das Wachstum im Asiengeschäft sorgen wird. Die größte Wachstumsdynamik wird künftig in der Verbindung und Vernetzung und Steuerung von „Diensten und Dingen“ liegen, wie etwa dem „autonomen Automobil“, Robotern (

Google betreibt weltweit große Daten-Zentren – über die alle Dienste weltweit angeboten werden. Die großen Lücken in Afrika, Asien und auf den Weltmeeren zeigen auch die nächste Priorität: zwei Drittel der Weltbevölkerung haben noch keine stabile Internetversorgung – der Wettlauf um das „fliegende Internet“ mit Stratossphären-Ballons (Google), Solar-Drohnen (Facebook) und Satelliten-Internet ist schon im vollen Gange.

Google spielt auf praktisch allen zukunftsrelevanten Technologiefeldern mit und muss sich als eines der bekanntesten, wertvollsten, erfolgreichsten, innovativsten Unternehmen der Welt praktisch neu erfinden, um in der Welt des „Internet der Dinge“ führend zu bleiben. Mit der neue Holding-Struktur von Alphabet wird ein neuer Gründungsmythos für die „Welt der vernetzten Dinge“ geschaffen.

Zu den neuen vernetzten Dingen werden Stratosphären-Ballons gehören, die das Internet in alle Winkel der Welt verbinden. Autonome Fahrzeuge, autonome und vernetzte Roboter, das vernetzte Haus und der digital vernetzte und kontrollierbare Mensch sind die Technologie-Felder der bisher erkennbaren Konzernstrategie.

Künftiges Wachstum in sechs Kerngeschäftsfeldern

Die künftige Strategie der Alphabet-Holding wird sich in sechs Kerngeschäftsfeldern konzentrieren. Buchstabe „C“ im Alphabet wird die Biotech-Firma Calico, die im Auftrag der Google-Gründer nach Medikamenten und Therapien gegen das Altern sucht.

Google wird das „G“ im Alphabet bleiben. Buchstabe „Y“ wird voraussichtlich YouTube als eigener Dienst und TV-Anbieter einnehmen.

Buchstabe „N“ trägt das Anfang 2014 zugekaufte StartUp Nest, unter dessen Markennamen Haussteuerungsgeräte wie ein smartes Thermostat oder Heimüberwachungskameras vertrieben werden

Buchstabe „F“ trägt Telekommunikationsanbieter Fiber, der in US-Großstädten Glasfaserkabel für schnellere Internetzugänge verlegt, und unter dessen Dach der Konzern künftig auch die Mobilfunkmarke Project Fi betreiben könnte. Chef und künftiger CEO ist der australische Netzwerkexperte Craig Barratt.

Das „X“ steht für den Inkubator Google X, in dem der Konzern seine bisher verrücktesten Moonshot-Projekte wie solarbetriebene Internet-Dronen, und selbst fahrende Google-Autos entwickelt. Bislang leitet von Sergey Brin diesen Bereich.
Auch Life Sciences stehen hier auf der Agenda: Inkubator Google X, in dem der Konzern seine verrücktesten Moonshot-Projekte wie etwa solarbetriebene Internet-Dronen, aber auch das selbst fahrende Google-Auto entwickelt. Bislang geleitet von Sergey Brin. Smarte Kontaktlinsen für Zuckerkranke und einen Löffel für Parkinson-Patienten wurden hier schon entwickelt, auch die Datenbrille Google-Glass.

Der Buchstabe „V“ wird voraussichtlich von Google Ventures und Google Capital beansprucht, das alle Start-up-Investment und Beteiligungsfirmen unter dem Konzerndach vereinigen wird. Hier leiten die Venture-Capital-Experten Bill Maris und David Lawee als mögliche CEOs das Geschäft.

Boston Dynamics Inc. -  Atlas
Humanoid Robot Atlas – created by DARPA and Boston Dynamics – Foto: public domain

Etwas ruhiger geht es um den Buchstaben „B“ zu. Boston Dynamics Inc. wird von Android-Erfinder Andy Rubin geleitet, und entwickelt die nächste Generation militärischer Laufroboter für die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA).

Jede Tochterfirma wird künftig eine eigene Führung und einen eigenen CEO erhalten. Die bisher digital vernetzte Konzernstruktur mit organisierten Abteilungen und Tochterfirmen wird sich transformieren und seine Strategie in einen „virtualisierten Gott-Modus“ verwandeln, der nur noch informell zusammenwirkt. Kostenlose Standards und Protokolle und die Marktmacht großer Nutzerzahlen werden künftig die Entwicklung bestimmen.

Wettbewerbshüter, Politiker und Parlamentarier werden dieser Struktur praktisch kein höheres ordnungspolitisches Konzept mehr entgegensetzen können. Alphabet wird nicht mehr nur mit Google den „unsichtbaren digitalen Dritten“ für digitale Märkte stellen, sondern auch die realen Dinge der Welt steuern können, und autonome Roboter in die Welt schicken können.

Fortsetzung folgt:
Wie Alphabet und Google die Zukunft der Welt verändern werden