Donnerstag, 28. März 2024
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unwürdig für Deutschland

Abschiebung & Abschottung:
unwürdig für Deutschland

Abschiebung ist keine Lösung

/// Kommentar /// – Die große Flüchtlingswelle ist in Gang gekommen, unsere Politik, der Außenminister und Entwicklungsminister und wir alle haben es vorausahnen können. Es war nur noch eine Frage der Zeit. Politik hat versagt, über Jahre verantwortlich versagt. Hunger in UN-Flüchtlingslagern wurde als Fluchtursache fahrlässig zusätzlich mit herbei geführt. Nun übertrifft die Fluchtwelle alle Erwartungen und Aufnahmekapazitäten. Das staatlich vorgesehene Asyl- und Registrierverfahren wird von der großen Zahl der Flüchtlinge und Zuwanderer schlicht überrollt.

Abschiebung ist keine Lösung
Abschiebung ist keine Lösung! Menschen brauchen Lebensgrundlagen & Perspektiven

Inzwischen mehren sich die Zeichen, die Belastungsgrenzen sind jetzt kurz vor Wintereinbruch erreicht: „Politiker appellieren an Merkel: „Mehr geht nicht mehr“ |4.10.2015 | SPIEGEL.

Bundespräsident Joachim Gauck sagte beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit in Frankfurt am Main:“ Wie 1990 erwartet uns eine Herausforderung, die Generationen beschäftigen wird.“ – „Doch anders als damals soll nun zusammenwachsen, was bisher nicht zusammengehörte.“
Gauck behandelt dabei die Krise noch immer als „nationales Projekt“, und führt damit genau wie Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Irre: „Wir schaffen das!“ – ist ein unseliges Wort, das den Blick auf die Gesamtproblematik verstellt, die sich aus einem internationalen Politikversagen, regionalen Krisenursachen und dem Versagen der EU-Politik speist.

Abschottung und Abschiebung – keine angemessenen Ideen

Der Vorstoß des bayrischen Finanzministers Markus Söder (CSU) zu Infragestellung des Asylrechtes wurde sofort von Seehofer und Merkel „kassiert“. Auch die Ideen vom Aufbau eines neuen Grenzregimes mit Zäunen und schärferen Kontrollen lösen das Gesamtproblem nicht und halten den Realitäten nicht stand: „Deutschlands Abschottungsphantasie im Realitätscheck“ | Manuel Bewarder | 3.10.2015 | WELT.

Kanzlerin Merkel bekräftigt das Grundrecht auf Asyl und lehnt Grenzzäune ab. „Die meisten Asylbewerber könnten sich auf die Genfer Flüchtlingskonvention berufen, deshalb werde an der Gesetzgebung nichts geändert“ in „Alle gegen Merkel“ | 4.10.2015 | Süddeutsche.de .

Nun soll eine Lösung in der Zukunft gefunden werden, indem man wieder auf enen besseren Schutz der EU-Grenzen setzt. EU, Türkei und Griechenland wollen sich auf Patrouillen in der Ägäis und auf neue Flüchtlingslager vor Ort verständigen. Eine Fiktion, die auf reale Wanderung trifft.

Damit sich auch die Grenzen politischer Vorstellungskraft erreicht, denn eine Lösung wird damit weder in Zukunft, noch auf lange Sicht erreicht. Die Flüchtlingskrise legt schonungslos die mangelnde politische Vorstellungskraft unserer traditionellen politischen und parteipolitischen Eliten offen.

Perspektivwechsel notwendig: EINE WELT – EINE VERANTWORTUNG – EINE TRANSFORMATIONSKRISE!

Die alten Rezepte und nationalstaatliche Mittel reichen nicht mehr hin. Nicht wir müssen uns vor den Flüchtlingen retten, sondern die ganze Welt muß sich vor Ideen- und Kraftlosigkeit von Politik retten!

„Ich, Du, unsere zugeflüchteten Gäste und Zuwanderer, jeder Mitbürger – aber auch die Herkunftsländer müssen es gemeinsam schaffen! EINE WELT, EINE VERANTWORTUNG – das ist das Gebot, das eine wirksame und verantwortliche Politik einfordert.
Auch wenn es tatsächlich aktuell organisatorische und logistische Grenzen gibt: „Abschottung und Abschiebung sind einer innovativen Exportnation und Kulturnation unwürdig!“

Noch immer richtet sich der Blick der Menschen auf die „Flüchtlingskrise“ als nationale Krise, die durch mehr und bessere „Betreuungs- und Verwaltungsaktivitäten“ in den Griff zu bekommen ist. Doch die Perspektive ist grundfalsch, zu eng, zu klein.

Besser ist es, von einer „1. großen Transformationskrise der Globalisierung“ zu sprechen, die durch wirtschaftliche und politische Globalisierungs-Strategien verursacht wird. Die praktisch ubiquitär verfügbare mobile weltweite Kommunikation mittels Smartphones und eine versagende Entwicklungs- und Friedenspolitik haben diese Transformationskrise mit ausgelöst. Allein in Afrika gibt es schon rund 400 Millionen Smartphones, die von besseren Orten und Chancen künden.

Erst aus diesem Blickwinkel wird der Bedarf erkannt: die Gefüchteten brauchen Essen, Trinken, Obdach, Arbeit und Einkommen – nicht nur neue Pässe und Papiere!

Zukunftsfragen zur Bewältigung der Transformationskrise

Die Vergleiche mit der deutschen Wiedervereinigung sind obsolet, wir haben es mit einer viel größeren, weltweiten Dimension zu tun. Weltweit 60 Millionen Menschen auf der Flucht, das ist eine Zahl, die auffällig der großen Zahl der Toten des Zweiten Weltkriegs entspricht.
Die Herausforderungen der „1. großen Transformationskrise der Globalisierung“ sind wohl heute auch mit den Herausforderungen durch den zweiten Weltkrieg vergleichbar, als es darum ging, das Machtstreben des Faschismus zu besiegen.

Die Dimensionen: großes Geburtenwachstum, Hunger, Wassermangel, Flucht und fehlende Lebensperspektiven übertreffen noch die Dimensionen des 20. Jahrhunderts.

Dazu trägt die heutige Krise trägt bereits den Keim weiterer Krisen in Form vielfältiger Ursachen mit sich. Klimawandel und Nahrungsmangel spielen schon mit. Noch mehr aber wird sich „verdrängte Armut“ in Zonen wachsenden Wohlstands auswirken.
Das Wort „Wirtschaftsflüchtling“ ist eine furchtbar schreckliche Vereinfachung, die den notwendigen Blick auf eine sich aufbauende 2. große Transformationskrise verstellt.

Eine unzureichende Kompetenz bei der Problemerfassung, historisch-nationale und rechtliche Ideologien und Denkweisen verhindern darüber hinaus, das Richtige im rechten und gerechten Maß zu tun.

Ökonomische und politische Hybris verschärfen noch die Lage, die erkennbar im Trend zur Auflösung der europäisch geprägten Rechts- und Sozialstaaten führen wird, wenn es keine durchgreifende Neubesinnung gibt.

Kluge Fragen müssen an die Politik gestellt werden – und innovative Antworten und neue Konzepte müssen gefunden werden.

Politik mit menschlicher Perspektive

Ein Blickwechsel tut not! Wir tun uns schwer, aus unseren „nationalstaatlichen Kategorien“ herauszufinden, denen wir immerhin die Errungenschaften der französischen Revolution verdanken: Freiheit, Individualität, Bürgerrechte – und im Gefolge auch die Menschenrechte. Wie schwer wir uns tun, hält uns der israelische Philosoph Omri Boehm entgehen:

„Das deutsche Asylgesetz wurde schließlich mit dem Wissen um vergangene Verfolgungen geschrieben, die Millionen Europäer, Juden und andere, gezwungen hatten, andernorts um Asyl zu bitten. Doch historische Parallelen können auch in die Irre führen. Sie verdecken, dass die gegenwärtige Krise uns vor ein grundlegendes Dilemma des modernen politischen Denkens stellt – ja sogar des modernen Liberalismus. Wir stehen vor einem Problem, das wir erfolgreich verdrängt haben, nämlich unsere unzulängliche Verständigung darüber, was eigentlich Menschenrechte sind.“ Omri Boehm | 1.10.2015 | ZEIT.

In der EINEN WELT müssen wir in den Grenzen gesicherter Nationalstaaten „Weltbürgerrechte“ stellvertretend für die Geflüchteten denken, und unser aller Handeln darauf ausrichten.

Wir müssen das Individuum, die Menschen, die Schwestern, Brüder und Familien im Blick haben! Wir dürfennicht den durch die Ökonomisierung und Digitalisierung aufgelegten „Daten- und Ressourcenkategorien“ folgen, die Menschen in „zu behandelnde und zu betreuende Gruppen einteilen: Flüchtling, Wirtschaftsflüchtling, Kriegsflüchtling, Freund, Feind, Terrorist u.v.m. .

Strategien des Zusammenwirkens, Synergien des Zusammenlebens und Geist der Kooperation

Die größte Transformation muß in UNSEREN Köpfen beginnen. Das Wort „wir schaffen das“ heisst in Wahrheit, wir alle müssen es gemeinsam schaffen, und zu guten Lösungen bringen.

„Ich“, „Du“, „wir gemeinsam“, Ort für Ort, Region für Region – Land für Land – und auch auf Ebene der Staatenbünde.

Die „1. große Transformationskrise der Globalisierung“ stellt uns viele konkrete Fragen und erteilt uns Aufträge:

Kann man Zuwanderer aus dem Westbalkan aufnehmen, ausbilden und für ein EU-Aufbauprogramm in D UND den West-Balkan-Staaten einsetzen?

Können wir „erstes Asyl“ auch geografisch in „Sonderwirtschaftszonen“ in den Herkunftsregionen einrichten?

Müssen wir unser „Betreuungs-Syndrom“ zu einer „Zusammenarbeits-Ökonomie“ umwidmen?

Müssen wir „Urbanisierung und Re-Settlement“ fördern und aus reinen Flüchtlingslagern innovative Formen der „taktischen Urbanisierung“ entwickeln die sich zu stabilen Städten entwickeln?

Sind wir uns im klaren, dass wir alle gemeinsam längst EINE WELT und EINE Verantwortung haben?

Wir haben einen umfassenden weltweiten Krisenfall und Notstand, dem nur mit neuen Mitteln zu begegnen ist.

– taktische Urbanisierung und neue „sichere Stadtgründungen“, auch vor Ort
– Selbstorganisation und volkswirtschaftliche Aufbaustrategien zulassen und fördern
– Übereignung von Land und Produktionsmöglichkeiten als Voraussetzung für bodenständige Stabilität
– Bildung und Berufsbildung als Einstieg für weltweite Mobilität
– Kredit- und Kapitalvergabe an Mikroökonomien und kleine Projekte
– Resettlement und nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit in Krisenregionen.

Je schneller die Europäer sich aus der „Betreuungsperspektive“ lösen, desto eher werden Wege aus der 1.Transformation-Krise gefunden. Letztlich wird daraus sogar eine neue Chance für die Welt.

Wir müssen alte Gewissheiten aufgeben – und ganz neue Ziele, Maßnahmen und Strategien „erfinden“ und „erarbeiten“!

Weitere Informationen:

Whats Your Number? Weltbevölkerungsuhr