Dienstag, 19. März 2024
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Adblocker bleiben weiter legal

Adblock Plus

Adblocker sind weiter legal – das Oberlandesgericht München erklärte in einer aktuellen Entscheidung Werbeblocker für zulässig. Mit der OLG-Entscheidung geht ein monatelanges juirstisches Tauziehen zwischen der Kölner Firma Eyeo GmbH vorläufig zu Ende.
Drei parallele Verfahren gegen den Betreiber von Adblock Plus von Internet-Seitenbetreibern wurden damit entschieden – Urteiler er Vorinstanzen wurden bestätigt. Es ist eine vollständige Niederlage für die Verlage, die sich im Streit mit Adblock Plus mit Beschwerden zum Kartell-, Wettbewerbs- und Urheberrecht zur Wehr gesetzt haben.

Die Klage wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung noch bis in die Letztinstanz Bundesgerichtshof(BGH) weiter geführt werden. Das OLG München hat eine Revision zugelassen.

Worum geht es bei Adblockern?

Das Gericht hat die Gründe in seiner Pressemitteilung vom 17.8.2017 zusammengefasst:

„Die Beklagte vertreibt seit dem Jahr 2011 eine für den Nutzer unentgeltliche Open Source-Software, die der Unterdrückung von Werbeeinblendungen beim Aufruf einer Internetseite dient. Dabei besitzt das Programm der Beklagten selbst keine eigene Filter-Funktionalität, sondern muss mit Vorgaben ergänzt werden, welche Inhalte blockiert werden sollen. Diese sind in sogenannten Filterlisten („Blacklists“) enthalten, die dem Nutzer standardmäßig vorgeschlagen werden. Die Software der Beklagten ist nach dem Download so voreingestellt, dass nach ihren Kriterien („Whitelist“) als nicht störend eingestufte Werbung angezeigt werden kann. Jeder Webseitenbetreiber hat die Möglichkeit, am „Whitelisting“ der Beklagten teilzunehmen und seine Seiten von ihr freischalten zu lassen. Von Betreibern größerer Webseiten verlangt die Beklagte dafür eine Lizenzzahlung.

Die Kläger haben in den Verfahren die Ansicht vertreten, dass der Einsatz der Software zu massiven Umsatzeinbußen führt, sie gezielt behindert und unlauter Druck auf sie ausübt, mit der Beklagten eine kostenpflichtige Vereinbarung über eine „Freischaltung“ von Werbeinhalten abzuschließen.

Das Landgericht hat die Klagen, mit denen die Klageparteien wettbewerbs- und kartellrechtliche sowie urheberrechtliche Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche geltend gemacht haben, abgewiesen.

Das Oberlandesgericht München hat mit heute verkündeten Urteilen die Berufungen zurückgewiesen. Es hat die Auffassung des Landgerichts bestätigt, dass eine gezielte Behinderung nicht vorliegt. Darüber hinaus hat es das Geschäftsmodell der Beklagten nicht als verbotene aggressive Werbung qualifiziert.

Ein kartellrechtliches Verbot wurde nicht verhängt, weil die Beklagte nicht über eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt des Zugangs zu allen Internetnutzern für Werbung verfügt.

Die von einer der Klägerinnen geltend gemachten urheberrechtlichen Ansprüche scheitern daran, dass die Verwendung von Werbeblockern durch die Nutzer nicht rechtswidrig ist. Denn indem die Klägerin den Nutzern den ungehinderten Zugang zu ihrem Internetauftritt bei Nutzung des Werbeblockers eröffnet lässt und lediglich die Bitte geäußert hat, auf die Verwendung von Werbeblockern zu verzichten, liegt aus der Sicht der Nutzer eine (schlichte) Einwilligung vor.“

Adblocker – Datenschutz und Pressefinanzierung

Das neue OLG-Urteil und die Bestätigung für die Legalität von Ablockern sorgen für ein „ordnungspolitisches Problem“, das für die Demokratie „systemrelevant“ ist. Die Pressefinanzierung von lokalen Medien und digitalen Zietungen ist durch Adblocker bedroht. Da auch Google an einem eigenen Adblocker-System für den Chrome-Browser arbeitet, wird sich das Geschäftsmodell von Adblock Plus im Markt weiter durchsetzen – auch wenn die genaue Umsetzung noch im Detail offen ist.

Für Zeitungsleser kann dies Vorteile bringen, denn große Zeitungen „spionieren ihre Leser mit Trackern und Cookies ungefragt aus.“ Wer kommt schon auf den Gedanken, dass bis zu 126 verschiedene Dienste beim Lesen einer Zeitung aufgeschaltet sind, um Lesegewohnheiten und sogar Meinungen zu „tracken“?

Die Tempelhof-Schöneberg-Zeitung verzichtet auf eine heimliche Datenauswertung. Das Geschäftsmodell von Adblock Plus wird sogar als Daten- und Vertrauensschutz angesehen.

Nachdem die Münchner Richter nun auch in dem bezahlten Whitelisting unaufdringlicher Anzeigen keine verbotene aggressive Werbung sehen, ist das Geschäftsmodell für die Tempelhof-Schöneberg-Zeitung plötzlich genau für die aktuelle Rechtslage optimimal.

Die Entwicklung eines eigenen Anzeigensystems kann nun weiter voran getrieben werden.

Als eine der ersten „SmartCity“-Zeitungen wird eine „leserfreundliche E-Governance“ verfolgt: Datenschutz, Vertrauen und fairer Marktzugang zur Öffentlichkeit bekommen einen Wert „an sich“. Es gibt keine heimliche Datenerfassung und Weiterleitung von Drittanbietern (* siehe Anmerkung).

Adblock Plus Bezahlsystem kommt

Till Faida, der Geschäftsführer von Eyeo zeigte ich erfreut zur OLG-Entscheidung: „Das Urteil bestärkt wieder einmal die Nutzerrechte, für die wir uns mit unseren Produkten einsetzen. Wir hoffen, jetzt außerhalb des Gerichtssaals einen konstruktiven Dialog mit den Verlagen und Website-Betreibern beginnen zu können“, sagte Faida. Sein Unternehmen wolle Lösungen finden, „die für Nutzer und Anbieter gleichermaßen gut funktionieren“.
Die Kölner Eyeo GmbH plant nun, ein bereit für 2016 angekündigten Bezahlsystem auf den Markt zu bringen. Schon im April 2017 wurde der Mikrobezahldienst Flattr übernommen. Das als Browser-Plugin angekündigte neues Bezahlsystem wird vermuztlich Anfang 2018 einsatzbereit sein.

Weitere Informationen:

OLG München – Pressemitteilung 17.8.2017

eyeo GmbH – www.eyeo.com

 

* Anmerkung: technisch können derzeit Google und Facebook nicht zuverlässig vom Tracking ausgeschlossen werden. Der Nutzer von Adblock-Plus kann dies jedoch individuell selbst per Einstellung ausschließen.

m/s