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Adonis: Niedergang der islamischen Kultur

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Adonis ist der bedeutendste Dichter der arabischen Welt. Er lebt in Paris. In einem bemerkenswerten Interview mit der ZEIT-Literaturjournalistin Iris Radisch rechnet der Dichter mit dem Westen ab.

Adonis: „Das ist alles nur Theater“ | Interview mit Iris Radisch | 27.12.2014 | ZEITonline

Adonis gibt aufschlußreiche und apodiktische Antworten auf die Fragen:

„Es hat nie eine arabische Modernität gegeben. Gesellschaften, die sich auf ein religiöses Menschenbild und eine religiöse Weltsicht gründen, können nicht modern sein. Die arabische Moderne gab es nur zum Schein, die Autos, die Kühlschränke, die Flugzeuge, die schönen Kleider waren nur Dekoration.“

„Der arabische Mensch ist noch nicht geboren, er existiert noch nicht. Die arabischen Länder sind bis heute reine Stammesgesellschaften. Wenn die Muslime von einer echten Revolution träumen, müssen sie zwei Dinge tun. Sie müssen Religion und Staat trennen. Und sie müssen die Frauen befreien. Solange sie das nicht fertigbringen, wird sich absolut nichts ändern. Dann gibt es ab und zu mal ein Regime, das sich ein bisschen mehr öffnet, Minister, die einem besser gefallen als andere, aber das ist alles ganz unbedeutend. Ohne die Emanzipation der arabischen Frau wird es in den arabischen Ländern niemals einen Fortschritt geben.“

Auf die Frage, ob man sich vor dem Islam fürchten muß, antwortet er indem er ein grundlegendes strukturelles Muster von Religionen anspricht:

„Der Monotheismus überlässt seinem letzten Propheten jeweils die ultimative Wahrheit. Das heißt: Am Ende hat Gott nichts mehr zu sagen, es gilt nur noch das Wort des Propheten. Und jeder Monotheismus hält seinen Propheten für den einzig legitimen. Das religiöse Denken ist immer ein ausschließendes. Das Anderssein des anderen, die Grundfigur der arabisch-griechischen Philosophie, ist ihm fremd.“

Mit Europa und mit dem Westen geht Adonis hart ins Gericht, seine Kritik ist offen, erhellend und lesenswert. Auf die Frage nach der Ursache der „Barbarisierung“ durch den „Islamischen Staat“ antwortet Adonis:

„Europa unterstützt das. Es unterstützt Staaten, die nicht einmal eine Verfassung haben, wie Katar und Saudi-Arabien. Es unterstützt diese Regime nicht nur, es verbeugt sich vor ihnen.“

Und auch die USA nimmt er nicht aus, sondern stellt ihre besondere Verantwortung heraus:

„Amerika unterstützt die religiösen Kriege in den arabischen Ländern seit Langem. Durch den Irakkrieg haben die Amerikaner den sunnitisch-schiitischen Konflikt ins Rollen gebracht, der zu entsetzlichen Massakern geführt hat. Die Vereinigten Staaten sind Mitspieler in diesem Spiel der Stammes- und Religionskriege. 40 Länder haben sich gegen den IS verbündet, dennoch passieren dessen Waffen die Türkei. 40 Länder schaffen es nicht, einen sogenannten islamischen Staat zu schlagen. Und warum nicht? Weil sie gar kein Interesse daran haben. Das ist alles nur Theater.“

m/s