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in Französisch-Buchholz

Apfelstraßennamen-Kompott
in Französisch-Buchholz

Gravensteiner Anlage in Französisch-Buchholz - Strasse 182

Eine der größten Straßennamen-Bennungen der Nachwende-Zeit soll in Französisch-Buchholz beschlossen werden. 20 bislang namenlose Privatwege, sogenannte Nummernstraßen, sollen einen Namen erhalten.

Zentrales Motiv der Straßennamen-Umbenennung ist der „Apfel“ – insgesamt 19 Strassennamen tragen in bunter Reihe „Apfelstraßennamen“. Nur der 20. Name „Am Brendegraben“ weicht davon ab.

Gravensteiner Anlage in Französisch-Buchholz - Strasse 182

Der Namensvorschlag stammt von der „Abteilung Jugend und Facility Management, Serviceeinheit Facility Management, SE 3“ , die die landeseigene „Anlage Gravenstein“ verwaltet. Die Absicht, eine sich aus einer Kleingartenanlage entwickelnde Siedlung mit dem Motiv des „Apfels“ und einem bunten „Apfelstraßennamen-Kompott“ zu beglücken ist phantasievoll und sympathisch. Alte Apfelsorten werden auf diese Weise geehrt.

Längere Vorgeschichte der Namensgebung

Bereits 1995 hatte sich eine Kommission, zu der Vertreter aller Parteien im Bezirk gehörten, mit der Namensgebung beschäftigt und die Anwohner befragt. „Doch die Bereitschaft der Bürger, sich zu beteiligen, war sehr gering“, sagte damals Martin Federlein (CDU), Stadtrat für Stadtentwicklung.
Die Straßen ohne Namen stammen noch aus der Zeit, als in den Bebauungsplänen die Grundstücke und Straßen mit Nummern versehen wurden. Eine Straße 42 tauchte sogar viermal auf: in Französisch Buchholz, Blankenburg, Heinersdorf und Karow.
2002 gab es neue Überlegungen, die Nummern-Strassen umzubenennen. Anwohnerin Anna Korondi, von Beruf Opernsängerin, unterbreitete den Vorschlag, die Strassen nach Opernfiguren zu benennen.
Doch 1996 klagten Anwohner in Französisch Buchholz erfolgreich gegen einen Straßenumbenennung. Vor allem Gewerbetreibende sprachen sich dagegen aus. Als Begründung gaben sie an, dass sie Visitenkarten ändern, Verwandte, Freunde und Geschäftspartner informieren müssten. Und das koste Geld. Dieses fehlt damals auch dem Bezirk – und das Vorhaben wurde gestoppt.

Ein nächster Anlauf erfolgte 2009 – aber auch dieser verlief mangels geeigneter Vorschläge im Sande. Nun wurde ein Vorschlag entwickelt, der dem Charakter der Anlage Gravenstein am Besten zu entsprechen scheint – liegen doch hier vorwiegend Kleingärten, Siedlungshäuser und Einfmilienhäuser mit Gärten.

Mit der Namensgebung wird in Pankow aber gleich zweifach gegen bestehenden Traditionen der Straßenbenennung gehandelt:

– Französisch-Buchholz erhielt bislang neue Straßennamen mit hugenottischen oder calvinistischen Bezügenm,
– schon seit 2012 besteht die Absicht, mehr Frauennamen bei Straßenbenennungen in Pankow einzuführen.

Wie die bunte Reihe mit Landapfelweg, Bananenapfelweg, Weinapfelweg, Kornapfelweg, Eiserapfelweg, Paradiesapfelweg, Petersapfelweg, Pfaffenapfelweg, Mönchsapfelweg, Nelkenapfelweg, Klarapfelweg, Edelapfelweg, Kantapfelweg, Prinzenapfelweg, Rosenapfelweg, Silberapfelweg, Glasapfelweg, Herrgottsapfelweg und Jubiläumsapfelweg zustande kam, steht in der BVV-Beschlußvorlage:

„19 Wege in der Anlage Gravenstein werden nach Apfelsorten benannt, da die Anlage ebenfalls nach einer Apfelsorte benannt ist (Gravensteiner). Der Weg Nr. 20 liegt außerhalb der Anlage Gravenstein, abgehend von der Bucher Straße, östlich der A 114. Über diesen Weg sind die Grundstücke bzw. Parzellen erschlossen, die durch die A 114 abgeschnitten von der übrigen Anlage sind. In Anlehnung an den Brendegraben, der in unmittelbarer Nähe verläuft, wird dieser Weg in „Am Brendegraben“ benannt“.

Mangelnde historische Kenntnis:

Die Namensgebung der Anlage „Gravenstein“ und der Name der Zufahrtstrasse „Gravensteinerstraße“ gehen jedoch nicht auf eine „Apfelsorte“ sondern den Namen eines früheren Grundbesitzers zurück: Albert Gravenstein (* 30.3.1831, + 12.11.1909), Bankier aus Wilmersdorf.

Was Pomologen sagen – kleine Apfelkunde:

Die wissenschaftliche Forschung zu alten Apfelsorten weist stattdessen den „Gräfensteiner Apfel“ nach: „Fast alle Pomologen stimmen darin überein, daß der Grafensteiner einer der vorzüglichsten und schätzbarsten Apfelsorten sey und auch bei der Versammlung in Naumburg im Oktober 1853 wurde er unter den 10 vorzüglich schätzbarsten Apfelsorten mit aufgeführt. Ueber seine Abstammung sagt Oberdieck, daß er durch einen Grafen Ahlfeld aus dem Süden nach Grafenstein in Schleswig gebracht worden sey, wo er jetzt so stark angebaut werde, daß jährlich ganze Schiffsladungen davon nach Rußland gehen. Ueberhaupt findet sich dieser Apfel an der Nordküste von Deutschland und an vielen Orten des nördlichen Deutschlands; aber auch in Württemberg kommt er sowohl in der Umgebung von Heilbronn, als am Bodensee häufig vor.“ (Zitat: Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 9.).

Gräfensteiner Apfel  - Abb.: Sickler’s deutscher Obstgärtner 1849 Abb: Gräfensteiner Apfel – Abb.: Sickler’s deutscher Obstgärtner 1849
„Außer dem sehr verbreiteten Namen Grafensteiner oder Gräfensteiner führt dieser Apfel noch den Namen Grafenapfel, Rippapfel, Paradiesapfel, Prinzessinapfel, Strömling in verschiedenen Gegenden Württembergs, und nach den genauen Untersuchungen Oberdiecks ist der Blumen-Calvill Diels und wahrscheinlich auch der Sommerkönig mit unserer Frucht identisch.“

Die Quittenfrage

Auch die angrenzende Ludwig-Quidde-Strasse sollte nicht irreführen: Ludwig Quidde (* 23. März 1858 in Bremen; † 4. März 1941 in Genf) war ein deutscher Historiker, Publizist, Pazifist und linksliberaler Politiker in der Zeit des Deutschen Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Er war ein prominenter Kritiker von Kaiser Wilhelm II. und erhielt 1927 den Friedensnobelpreis für seine Leistungen als treibende Kraft in der deutschen Friedensbewegung – gemeinsam mit dem französischen Pädagogen Ferdinand Buisson – nach dem eine südlich querende Strasse benannt wurde.

Allerdings: der Nachname „Quidde“ stamt aus dem Plattdeutscheen – und heißt Quitte – sodass hier eine Namensnähe konstruiert werden kann.
Die Quitte (Cydonia oblonga) ist die einzige Pflanzenart der Gattung Cydonia und gehört zur Untertribus der Kernobstgewächse (Pyrinae) innerhalb der Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Sie ist schon lange als Obstbaum in Kultur.

Die Äpfel (Malus) bilden eine eigenen Pflanzengattung der Kernobstgewächse (Pyrinae) aus der Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Die Gattung Malus gehört zur Subtribus Pyrinae der Tribus Pyreae in der Unterfamilie Spiraeoideae innerhalb der Familie Rosaceae. Der Gattungsname Malus wurde 1754 durch Philip Miller in Gard. Dict. Abr., 4. Auflage, S. 835, erstveröffentlicht.

Für Gartenfreunde und Obstbaukenner interessant: Es gibt auch Gattungskreuzungen innerhalb des Untertribus Pyrinae, zum Beispiel Sorbus × Malus und sogar Dreifachkreuzungen: (Cydonia × Pyrus) × Malus.

Der Beschlußvorlage zur Straßenbenennung und die Gründe

Das Bezirksamt legt am kommenden Mittwoch, den 24. April 2013, die Vorlage zur Beschlußfassung vor. Die in der Anlage Gravenstein bzw. neben der Anlage befindlichen 20 Privatwege zwischen den Straßen Ludwig-Quidde-Straße, Straße 73, Straße 74, Straße 76 A, Straße 77 A, Gravensteinstraße und Bucher Straße in 13127 Berlin, Ortsteil Französisch Buchholz, sollen wie folgt benannt.
1. Landapfelweg
2. Bananenapfelweg
3. Weinapfelweg
4. Kornapfelweg
5. Eiserapfelweg
6. Paradiesapfelweg
7. Petersapfelweg
8. Pfaffenapfelweg
9. Mönchsapfelweg
10. Nelkenapfelweg
11. Klarapfelweg
12. Edelapfelweg
13. Kantapfelweg
14. Prinzenapfelweg
15. Rosenapfelweg
16. Silberapfelweg
17. Glasapfelweg
18. Herrgottsapfelweg
19. Jubiläumsapfelweg
20. Am Brendegraben

Das Benennungsverfahren wird entsprechend § 5 Abs. 1 Satz 2 Berliner Straßengesetz durchgeführt.

Die Lage der Wege ist auf dem beiliegenden Lageplan erkennbar (siehe pdF-Datei).

Die Strassennamen-Benennung dient auch dazu, die Anforderungen an das bundeseinheitliche Liegensschaftskataster und an eine einheitliche Geo-Datenreferenzierung zu erfüllen, damit die Adressen künftig eindeutig identifiziert und in Notfällen gefunden werden kann. Insgesamt werden ca. 38.000 € für die Straßenbenennung aufgewendet.

Französisch-Buchholz bekommt dafür nun ein „Gemisch von Apfelstraßennamen“. Und damit gelangen wir wieder zu einem Traditionsbegriff: Gemisch heißt französisch „compote“ – oder Kompott. m/s

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