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ArtCity, Creative City & Kulturstadt #1

Art City, Creative City, Kulturstadt?

„Kunst braucht bezahlbare Räume“, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller bei der Vorstellung der Studie ART CITY LAB am 30. März im Roten Rathaus. Diese wurde gemeinsam mit dem Kulturstaatssekretär Tim Renner, mit Konrad Zander, Vorstandsmitglied des bbk berlin – und dem Atelierbeauftragen Florian Schmidt vom bbk kulturwerk vorgestellt.

Art City, Creative City, Kulturstadt?
Art City, Creative City, Kulturstadt? – Projekträume prägen die Art City: HO | Projectspace Holzmarktstr. 66

Die Studie ART CITY LAB wurde von Müller noch in seiner vormaligen Funktion als Senator für Stadtentwicklung und Umwelt in Auftrag gegeben, und jetzt als Buch in deutscher und englischer Sprache vorgestellt. Mit der vom bbk berlin initiierten Studie, die vom Architekturbüro raumlaborberlin erstellt wurde, liegt nun nach den Worten der Initiatoren „eine Toolbox an baulichen und organisatorischen Maßnahmen zur Umsetzung eines Ausbaus der Berliner Atelierförderung“ vor.
Mit Studie wurde schon 2012 unter dem Titel „Kunststadt – Studie über kostengünstigen Neubau von Atelierräumen“ erarbeitet, und sondiert die grundlegenden Anforderungen an ein Atelier – bis hin zur Entwicklung von Atelierhöfen.

Weichenstellung für die künftige Kulturpolitik?

Kulturstaatssekretär Tim Renner hatte sich vorgenommen, die Raumfrage der „Freien Szene“ und der „Künstler“ auf die Agenda zu nehmen, und arbeitet an einer Lösungsstrategie. Die Studie ART CITY LAB ist jedoch nur ein Baustein in der Strategie, die offensichtlich noch weiter greifen soll, und auch die „Freie Szene“ der Darstellenden Kunst mit umfassen soll.

Doch schon vor der Präsentation der Studie ART CITY LAB deuteten sich Meinungsverschiedenheiten an. Florian Schmidt schrieb schon am 13.3.2015 in einem Vermerk für das Kulturwerk des BBK Berlin:

„Der Senatskulturverwaltung schwebt gegenwärtig die Schaffung einer einheitlichen Struktur zur Entwicklung und Herstellung von räumlicher Infrastruktur für alle Sparten der Freien Szene vor. Dabei soll der Atelierbeauftragte zu einem spartenübergreifenden Raumbeauftragten werden und vom Atelierbüro im Kulturwerk des bbk berlin abgetrennt werden. Der Raumbeauftragte soll in einer landeseigenen Stiftung angesiedelt sein. Der Raumbeauftragte hat die Aufgabe, Objekte und Flächen zu akquirieren, Projekte zu entwickeln und als „neutrale“ Instanz die Entscheidungen über den Mitteleinsatz vorzubereiten. Diese Stiftung soll über einen Stiftungsrat von Vertretern der Freien Szene gesteuert werden. Es sollen im Landeshaushalt ein oder zwei spartenübergreifende
Titel für alle Raumbedarfe der Freien Szene eingestellt werden. Das Anmietprogramm für Ateliers soll in diesem Titel aufgehen und als solches abgeschafft werden.“

Der bbk berlin war bereits im Sommer 2014 von der Senatskulturverwaltung aufgefordert worden, „ein spartenübergreifendes Arbeitsraumprogramm zu entwickeln, was jedoch von von Schmidt abgelehnt wurde: „Da das Kulturwerk weder das Recht noch die Kompetenz hat, für andere Sparten Programme zu entwickeln, zumal hierzu damals keine Aussagen seitens der anderen Sparten vorlagen, schlug es vor, einen Workshop mit allen Spartenvertretern durchzuführen, um in der Sache weiter zu kommen“.

Dieser ganztägige Workshop soll im April stattfinden, und wird jetzt vom Atelierbeauftragten vorbereitet.

Wieviel Ateliers braucht die „Kunststadt“ Berlin?

Die Frage nach dem Bedarf an Ateliers, Atelierhäusern, Kunsträumen, Projekträumen und Künstlerhöfen ist bisher noch nicht systematisch untersucht worden. Kunstfreiheit und Kunstautonomie als Verfassungsgebote sorgen dafür, dass man sich einer staatlichen Planung mit guten Gründen enthält.
Andererseits ist der Staat gehalten, Kunst, Künstlerinnen und Künstler zu fördern, und es könnte sehr lohnend sein, über bisherige Rahmenbedingungen und finanzielle Engpässe gemeinsam hinauszudenken.

Bislang war das kulturpolitische Handeln der Akteure vom „Gezerre und Kampf“ um knappe finanzielle Ressourcen in den Bezirkskulturhaushalten und im Berliner Kulturhaushalt geprägt.

Starke Akteure wie der Berufsverband für Bildende Künstler e.V. mit rund 2.000 Mitgliedern haben daher in der Vergangenheit auf „Ressourcensicherung“ gesetzt, das Atelierförderungsprogramm erkämpft, und alljährlich „Haushaltsschlachten“ bzw. „Doppelhaushaltsschlachten“ geführt, um Projektmittel, Künstlerförderung, freie Förderung in den Bezirken und Atelierförderung aufzustocken.

Doch das bisherige Ringen hat nur klägliche Ergebnisse gezeitigt, wie die Forderung des „Rat für die Künste“ vom November 2014 zeigt:

„Der Ansatz für Künstlerförderung beträgt gerade 1% des Kulturetats des Landes Berlin. Die Institutionen und Einrichtungen der zeitgenössischen Kunst in Berlin sind unterfinanziert. Die Abhängigkeit aller von Projektförderungen und Fördermitteln zeigt, dass eine kontinuierliche und professionelle Arbeit in diesem Feld nicht oder nur unter unverhältnismäßig erschwerten Bedingungen möglich ist. Dieses steht diametral im Widerspruch zur Bedeutung und Funktion dieser Kunstsparte für die Stadt. Dieses Mißverhältnis gilt es zu beheben.“

Doch wie groß ist eigentlich der konkrete Bedarf? Die heute schon bekannten Zahlen werfen viele Fragen auf. Der bbk berlin e.V. hat gerade rund 2.000 Mitglieder, und konstatiert z.B. für 2014 einen „Rekordverlust“ von 350 Ateliers. Doch wie sieht die Gesamtlage aus?

Atelierhaus Prenzlauer Promenade 149-152
Atelierhaus Prenzlauer Promenade 149-152

Die Berliner Szene der Bildenden Kunst ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen. 2011 wurde die Zahl von 5.600 Bildenden Künstlern* in Berlin geschätzt. Heute gibt der Atelierbeauftragte eine Zahl von 8.500 – 10.000 Künstlerinnen und Künstler an, die in Berlin weilen. Rund 7.006 von ihnen haben beim Atelierbüro eine Suchanfrage für ein Atelier gestellt.

Doch bei den Zahlen stimmt etwas nicht: Im 3. Berliner Kreativwirtschaftsbericht wurde eine Zahl von nur 1.755 selbstständigen Bildenden Künstlern und Fotografen für das Jahr 2013 vermerkt, was auf methodische Lücken schließen lässt.

Den Bedarf nach neuen Ateliers gibt Schmidt mal mit 2.000 mal mit 4.000 zusätzlichen Ateliers an, wobei 400 geförderte Ateliers jährlich etwa 1 Million € Fördermittel im Kulturetat anfordern. Zwischen 5-10 Mio. € müßten demnach zusätzlich eingestellt werden – eine Zahl, die bei weiterem Wachstum schon heute nicht ausreichen wird.

ART CITY LAB Neue Räume für die Kunst
ART CITY LAB Neue Räume für die Kunst
Herausgeber: raumlaborberlin (Hg.) in Kooperation mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Berlin, dem berufsverband bildender künstler berlin und dem Atelierbüro/Kulturwerk des bbk berlin
DEUTSCH/ENGLISCH
176 Seiten
mit ca. 200 Abbildungen
Broschur
Format: 21 x 27 cm
Euro 32.00 sFr 42.00
ISBN 978-3-86859-303-7

Gentrifizierung, Verdrängung und rasantes Wachstum – wie geht das zusammen?

Angesichts des enormen Wachstums der Zahl der Künstlerinnen und Künstler in Berlin ist zu fragen: „Wurden ie bisherige Debatte um Gentrifizierung und Verdrängung aus der richtigen Perspektive geführt?“

Wie gehen die berechtigten Klagen über steigende Mieten, über Kündigungen und Verdrängung mit dem steilen Wachstum der Zahl der Künstler zusammen? Müssen zuerst grundlegende Fragen gestellt und beantwortet werden?

Greifen etwa mehrere Prozesse ineinander, finden Verdrängung und Neuetablierung von Hochschulabgängern und Zuwanderung von Stipendiaten, und Gastkünstlern parallel unter einem wachsenden Aufwertungsdruck statt?

Haben wir es mit besonderen Anziehungseffekten Berlins und einen parallelen Wachstumsprozeß der „ArtCity“ zu tun? Ist dabei auch die Bedeutung der „Kunststadt Berlin“ im internationalen Vergleich mit anderen „Art Cities“ gewachsen – oder gibt es auch unsteuerbare nivellierende Tendenzen?

Ist die Raumfrage der Schlüssel zur Lösung aller Probleme der „Art City“? Oder fehlen in Berlin geeignete und bezahlbare Räume, bei zugleich mangelnder Flexibilität im Immobilienmarkt?

Ist das Raumproblem vorrangig ein wachsendes ökonomisches Problem, das mit dem geringen Durchschnittsverdienst von Künstlern mit ca. 850 € Monatseinkommen zu tun hat? Entstehen auch „sozioökonomische Probleme“ einer wachsenden Binnenkonkurrenz innerhalb einer steil gewachsenden Zahl von Künstlern? Sind auch besondere „Arbeitsmarkteffekte“ einer Metropole und Universitätsstadt zu beobachten?

Bisher fehlen profunde Analysen über diese laufenden „urbanen Prozesse“ der ART CITY. Spartenbezogenes Denken bei tragenden Akteuren, und zu enge politische Zuständigkeiten in der Kulturpolitik haben bisher eine integrative Sicht auf die „Kunststadt verhindert.

Schwächen in der statistischen Erfassung und fehlende Datengrundlagen

Zudem gibt es noch immer eine fehlende Betrachtungsebene der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, die für einen blinden Fleck sorgt: Künstlereinkommen werden in der Arbeitsmarktstatistik nicht ausreichend erfasst. Zugleich ist in den Zahlen der sozialen Grundsicherung bislang nicht erkennbar, wie viele Künstler Hilfen zum Lebensunterhalt und Wohnkostenzuschüsse beziehen.

Vor allem sind die Handlungsmöglichkeiten und Ressourcen der Berliner Bezirke bislang nicht ausreichend berücksichtigt worden.
Auch die Stellen der Arbeitsförderung mit Arbeitsgelegenheiten im Kulturbereich sind zu bedenken. Sie übernehmen z.T. wichtige „infrastrukturelle Aufgaben“, wie etwa die Betreuung von Ausstellungen und Sicherung von Öffnungszeiten. Die Dimension in Berlin umfasste zeitweise bis zu 1.300 Stellen – eine Zahl, die in der Kulturpolitik eigentlich mit bedacht sein muß.

Entscheidende Voraussetzungen für die Formulierung einer nachhaltigen Kulturpolitik und Förderpolitik fehlen damit in Berlin. Es wäre sehr wichtig, ökonomische, sozioökonomische und kulturökonomische Perspektiven besser überschauen zu können.

Geht man von der Hypothese aus, dass wir es mit einem komplexen und gemischten ökonomischen, sozioökonomischen und kulturellen Wandel im Bereich der Kunst und Kultur zu tun haben, so greifen Kultur- und Raumförderprogramme womöglich viel zu kurz.

Eines dürfte klar sein: sozioökonomische Problemlagen erfordern auch sozioökonomische Strategieansätze, die über Raumbereitstellung und Fördermittelzuweisungen hinausgehen!

Stellt man sich diesen Fragen nicht – werden womöglich wertvolle Potentiale übersehen und verschenkt. Es droht sogar die Gefahr der Fehlsteuerung, wenn etwa falsche Förderansätze existierende selbsttragende Strukturen bei Galerien, Künstlern und freien Ateliers und Kulturstandorten und Trägern in neue Schieflage bringen.

Wege zum spartenübergreifenden Denken

In Berlin haben sich eine ganze Reihe von Akteuren zusammengefunden, um Kulturpolitik in der Stadt auf ein neues Fundament zu heben.
Der „Rat für die Künste“ als gewähltes Gremium mit 24 Persönlichkeiten und Kulturschaffenden aus bekannten Berliner Kulturinstitutionen und einigen freischaffenden Künstler_innen sieht sich als unabhängiges Gremium der Berliner Kultur, das als Vermittler zwischen Politik und kultureller Praxis vermittelt und Anstöße für zukünftige Entwicklungen gibt.

Der Rat für die Künste hat alle wichtigen Initiativen angestoßen und begleitet: Hauptstadtkulturfonds, Projektfonds Kulturelle Bildung, die Forderung nach einer City Tax, und die Forderungen nach einer neuen Liegenschaftspolitik.
Schwerpunkte der kommenden Jahre sind die Förderung kultureller Vielfalt und der kulturellen Bildung, die Konsolidierung der Kunstszene, die Liegenschaftspolitik und die Verteilung der City Tax zugunsten der Berliner Kultur.

Die Initiative Stadt Neudenken hat erfolgreich für eine neue Liegenschaftspolitik gekämpft und als wichtigen Teilerfolg den Runden Tisch zur Liegenschaftspolitik etabliert. Dieser sorgt inzwischen für bessere Chancen von Konzeptverfahren bei der Vergabe von Liegenschaften, setzt sich aber mit seinen Empfehlungen nicht immer durch.

Daneben hat sich im März 2012 in Berlin die „Koalition der Freien Szene“ aller Künste als spartenübergreifende Initiative gebildet, die auf die „eklatante Fehlentwicklung im Berliner Kulturhaushalt“ aufmerksam macht. Die „Koalition der Freien Szene“
aus Netzwerken, Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen bündelt und entwickelt Ideen für eine neue Kulturpolitik.
Die Koalition der Freien Szene hat 2012 ein 10 Punkte-Programm auf den Weg gebracht, das insgesamt 18,6 Mio. € zusätzliche Mittelzuweisungen aus dem Kulturhaushalt fordert; ein Anteil, der vor allem aus dem Aufkommen der City-Tax erbracht werden soll.
In der Koalition der Freien Szene sind vor neben BBK Berlin, NGBK e.V., Initiative Neue Music, IG Jazz und das Tanzbüro sowie der Landesverband Freie Darstellende Künste (LAFT Berlin) vertreten. Interessanterweise fehlt eine Vertretung von Autoren und Literaturorten.

Daneben gibt es nocht fast dreißig kommunale Galerien in den Berliner Bezirken, die jährlich bis zu ca. 200 Ausstellungen mit Arbeiten von über 1.000 professionellen Künstlerinnen und Künstlern fördern. Seit 2013 gibt es auch eine gezielte Vernetzung des Arbeitskreis Kommunale Galerien Berlin (KGB). Die kommunalen Galerien werden mit einem Ausstellungsfonds durch die Senatskanzlei für Kulturelle Angelegenheiten gefördert und zeigen sich gemeinsam im Rahmen der Berliner Art Week mit einer „KGB-Kunstwoche“.

Ausgehend vom Rat für Künste und den Initiativen für eine neue Liegenschaftspolitik etabliert sich seit etwa 2011 ein „spartenübergreifendes Denken“ in der Kulturszene. War bislang die Innensicht der Kulturschaffenden und ihrer Vertretungen bestimmend, so entwickelt sich nun schrittweise ein übergreifendes Denken.

Die „Freie Szene“ sieht sich dabei als „Die Gesamtheit aller in Berlin frei produzierenden Künstler, Ensembles, Einrichtungen und Strukturen in freier Trägerschaft aus den Bereichen Architektur, Bildende Kunst, Tanz, Schauspiel, Performance, Neue Medien, Musik von Barock, Elektro, Jazz, Klassik bis zur Neuen Musik, Musiktheater, Kinder- und Jugendtheater, Literatur sowie alle spartenübergreifenden und transdisziplinären Arbeiten“.

Für eine integrative Kulturpolitik und Kulturförderpolitik fehlen aber noch sehr wichtige Akteure und vor allem wichtige strategische Bausteine. Vor allem fehlt noch ein grundlegendes Verständnis für die Rolle der Kunst in der „Creative City“, die über das „Selbstverständnis als „Art City“ weit hinausweist. Auch spielt die Freie Szene eine wichtige Rolle, die Berlin als „Kulturstadt“ positioniert und attraktiv macht.

Grundlegender Konstruktionsfehler in der „Kultur- und Kreativwirtschaft“

Die Wirtschaftsministerkonferenz (WMK) definierte 2009 den Begriff der „Kultur- und Kreativwirtschaft“, und griff damit die internationale Diskussion um den Begriff der „cultural industries“ auf.
Dies mündete in der Initiative „Kultur- und Kreativwirtschaft“, die von der Bundesregierung aufgegriffen wurde, und ein wirtschaftliches Feld von 11 Branchen beschrieb.

Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft
Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft – Grafik: Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung
.

„Unter Kultur- und Kreativwirtschaft werden diejenigen Kultur- und Kreativunternehmen erfasst, welche überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind und sich mit der Schaffung, Produktion, Verteilung und/oder medialen Verbreitung von kulturellen/kreativen Gütern und Dienstleistungen befassen. Der verbindende Kern jeder kultur- und kreativwirtschaftlichen Aktivität ist der schöpferische Akt von künstlerischen, literarischen, kulturellen, musischen, architektonischen oder kreativen Inhalten, Werken, Produkten, Produktionen oder Dienstleistungen. Alle schöpferischen Akte, gleichgültig ob als analoges Unikat, Liveaufführung oder serielle bzw. digitale Produktion oder Dienstleistung vorliegend, zählen dazu. Die schöpferischen Akte können im umfassenden Sinne urheberrechtlich (Patent-, Urheber-, Marken-, und Designerrechte) geschützt sein.“

Schon im Schlußbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ vom 11.12.2007 wurde ein grundlegender Konstruktionfehler verankert, der wohl bis heute alle Kulturschaffenden und Kulturpolitiker in finanziell und existenzielle Nöte versetzt.

Die Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ hatte zuvor den Begriff des Schöpferischen Aktes eingeführt, um die Gemeinsamkeit der künstlerischen Kreativität und der Kultur- und Kreativwirtschaft zu betonen.
Daraus wurde eine Definition abgeleitet, „wonach alles, wo Menschen aktiv sind, und sich in irgendeiner Weise mit Kultur beschäftigen und produktive Leistungen hervorbringen, egal wie es finanziert wird, Kultur- und Kreativwirtschaft ist.“

Die kulturelle Wertschöpfungskette
Die kulturelle Wertschöpfungskette Abb.7 aus „Schlussbericht
der Enquete-Kommission
„Kultur in Deutschland“ | Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 347 – Drucksache 16/7000 Seite 347

Die Enquete-Kommission hat es sich mit dem Begriff des „schöpferischen Aktes“ jedoch etwas zu einfach gemacht. Schöpferische Akte in Kunst und Kultur und Kulturwirtschaft geschehen nicht nur als reine „Heureka“-Schöpfungen, sondern als „entscheidender Schritt“ nach mehreren „Urproduktionsprozessen“, die allesamt Vorbildung benötigen, dazu Lebenszeit- und Arbeitsaufwand und Geldaufwand, sowie Arbeitsmittel.

Der „schöpferische Akt“ wurde nur aus (volkswirtschaftlicher) ökonomischer Sicht betrachtet, und am Ergebnis gemessen. Tatsächlich stehen vor jedem Schöpfungsprozeß und fertigen Entwurf oder Werk immer ein „Informationsprozeß“, „Analyse- und Vordenkprozeß“, „notwendige soziale Interaktion“ und der eigentliche Urheber- und Werkprozeß. In der Kunst kommt ein „künstlerischer Prozess“ hinzu, bei dem der Künstler sich selbst befragt und sich selbst ausprobiert, bevor das eigentliche Werk entsteht.

Unter den Bedingungen der modernen Netzwerkökonomie und sozialen Netzwerke kommen zudem soziale Interaktion und Kommunikation hinzu, weshalb der Aufwand die „Vorbereitung von schöpferischen Akten“ eher noch steigt, sich bei eingespielten sozialen Gruppen und Teams aber beschleunigt.

Anfang der Kulturellen Wertschöpfungskette
Anfang der Kulturellen Wertschöpfungskette: muß der Aufwand der Vordenkprozesse in die Gesamtrechnung internalisiert werden?

Die Sonderolle der Kunst und die kreative Urproduktion der Stadt

Der grundlegende Konstruktionsfehler liegt darin, dass die Sonderrolle der Kunst „für“ die Kreativ- und Kulturwirtschaft nicht hinreichend erkannt wurde:

Die Kunst mit ihrer Dimension der Künstlerautonomie sorgt für die „kreative Urproduktion“ neuer Ideen, Konzepte, Kontexte und Felder. Dabei muß auch die gesamte „vorbereitende Wertschöpfungskette“ bis zum „schöpferische Akt“ mitbetrachtet werden, mit den Dimensionen Zeit, Arbeit, Mitteleinsatz und Lebensunterhalt.

Auch in allen anderen Sparten der Kultur, in Film, Fotografie, Kunst, Musik, Literatur, Tanz und Theater haben wir es mit ganz unterschiedlichen Strukturen „kreativer Urproduktion“ zu tun, die vor dem „schöpferischen Akt“, vor dem Release und der Premiere stehen. Autorschaft, Urheberschaft, Werkurheberschaft stehen am Anfang von Wertschöpfungsketten in der Kunst und in der Kreativ- und Kulturwirtschaft.

Die Kunst hat unter den Kultursparten eine „soziale Sonderrolle“, weil sie einen besonderen „sozialen Dialograum“ erschafft, der eine Vielzahl von Menschen in kreative, sinnliche und performative Felder der Kunst einbeziehen kann.

Anders ist es in Film, Theater und Tanz: hier steht die Perzeption im Vordergrund. In der Literatur wiederum wendet sich der Autor vorzugsweise an den einzelnen Leser – und entfaltet erst mit vielen Lesern ein literarisches Feld.

In der systematischen Betrachtung sollte heute das Augenmerk von Kulturpolitk und Wirtschaftsförderung auf die sozioökonomischen Bedingungen gerichtet werden, unter denen sich „künstlerische“ und „kreative“ Urproduktion in der Art City und in der Creative City entwickeln und entfalten können.

Gleichzeitig sollte das Feld der Kultur als soziales urbanes Feld begriffen werden, in dem sich die „Kulturstadt“ entwickelt und entfaltet, und besondere Performativität, kreative Synergien und Kulturökonomien entfaltet.

Berlin – ein Dreiklang von ArtCity, Creative City & Kulturstadt?

Forscht man nach den Bedingungen, weshalb Berlin seine Attraktivität entfaltet, so scheinen sich in der Metropole mehrere kulturelle, ökonomische und sozioökonomische Felder nebeneinander zu entwickeln.
Diese Felder lassen sich als ArtCity, Creative City & Kulturstadt beschreiben, deren Impulse, Synergien und Wechselwirkungen das Maß der Attraktivität Berlins bestimmen.

Für die Politik und alle Urheber und Kulturschaffenden, sowie für die Kreativ- und Kulturwirtschaft bedeutet es, sich einer besonderen Komplexität zu vergewissern.

ArtCity, Creative City & Kulturstadt können im Dreiklang entwickelt, gestaltet und gesteuert werden, wenn man sich dafür die notwendigen politischen, wirtschaftspolitischen und kulturpolitischen Mittel schafft.

Ein Stück weit ist Berlin schon gekommen, Hauptstadtkulturfond, Projektfonds Kulturelle Bildung und Künstler- und Kulturförderung, Rat für die Künste und neue Liegensschaftspolitik sorgen für spartenübergreifendes Denken.

Der Dreiklang von ArtCity, Creative City & Kulturstadt liefert zugleich ein Leitmuster, um Kulturpolitik und Förderung und Wirtschaftsförderung künftig auf eine „Orchestrierung“ vorzubereiten.

In Berlin lassen sich eine Vielzahl von „Stellmöglichkeiten“ einsetzen, um eine nachhaltige Entwicklung von Kunst, Kreativ- und Kulturwirtschaft zu stützen. Neben einer Atelierförderung wären etwa Anreize für Zwischennutzungen, Projekträume und Business Improvement (siehe geltendes Gesetz im Citymanagement) hilfreich.

Neben Ausstellungshonoraren sollten auch „Raum-Stipendien“, Produktionsstätten-Förderungen und künstlerische Felder und Aktionsfelder gefördert werden.

Für die Freie Szene sind neben Fördermitteln auch effektivere Marketingmaßnahmen von Bedeutung. Ein stadtweites Ticketing für Sozial- und Schülertickets könnte z.B. enorme Verwaltungskosten bei allen Spielstätten sparen.

Zugleich wären bessere betriebswirtschaftliche Synergien zwischen Hotelwirtschaft und Kulturwirtschaft denkbar, die mehr Wertschöpfung in der Stadt erhalten – statt etwa Provisionen abzuleiten und abzuhandeln.

Eine „Governance der Metropole“ könnte auch weiter ausgreifen, als bisherige Kulturpolitik und Kulturförderung.

Neben Förderung und wirtschaftlichen Anreizen lassen sich Wirtschaftsförderung, Kredite und regulative Mittel einsetzen. Dazu können neue soziale Übereinkünfte gepflegt werden, die vor allem die „künstlerische und kreative Urproduktion“ verbessern helfen, und den Markt ausweiten helfen. So könnten beispielsweise künftig bei jeder Neubau-Genehmigung auch kulturelle Nutzungen festgelegt werden.

Gelänge es, zuerst die „Kulturökonomie“ der „künstlerischen und kreativen Urproduktion“ spartenübergreifend zu verbessern, wären heutige ökonomische Übergangsprobleme, Raumfragen und Engpässe viel besser überwindbar, die etwa durch prekäre Beschäftigung und geringe Durchschnittseinkommen gesetzt sind.

Es muß dabei auch nach neuen Formen der Finanzierung „künstlerische und kreativer Urproduktion“ nachgedacht werden.

Themen-Vorschau:

ArtCity, Creative City & Kulturstadt #2
Kulturumbau der Art City: Ideen, Anreize, Förderung, Kulturumbau und Selbstverwaltung, Umbau der Kulturverwaltung

Weitere Informationen:

Checkliste: Urbanität & Kulturraumschutz – 3.3.2015 – Pankower Allgemeine Zeitung