Freitag, 29. März 2024
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Das zeitgemäße Bad & die Fahrstuhl-Lücke im Millieuschutzgebiet

Badewanne Designdetail

Die Modernisierung und energetische Sanierung von Altbauwohnungen erlaubt die Kostenumlage der anteiligen Kosten. Doch anders als in der Betriebswirtschaft und Steuerpolitik üblich, dürfen die anteilig erhöhten Kosten auch nach Amortisation und Kostendeckung bzw. nach Abschreibung der Investition weiter gefordert werden, „ad infinitum“. Möglich macht dies der § 559 BGB, der es erlaubt, die Kosten der Modernisierung auf den Mieter umzulegen.
Dabei wird in der Rechtssprechung davon ausgegangen, dass Mieträume einen höherem Gebrauchtswert, Komfort und Substanzwert erhalten, der diese dauerhafte erhöhte Mietzahlung rechtfertigt.

Die Umlagehöhe beträgt maximal 11% des erforderlichen Kostenaufwands pro Jahr. Bei einem anrechenbaren Modernisierungsaufwand von € 11.000,- entsteht eine Umlage auf den Mieter in Höhe von 1.210,- Euro im Jahr – was eine Mieterhöhung von rund 100,- Euro im Monat bedeutet. Die Einschränkung: Bezieht der Vermieter öffentliche Förderung, sind diese Mittel von den entstandenen Kosten abzuziehen.

Kapitalbesitz und Baukredit werden belohnt

Für Mieter ist das sehr nachteilig, denn aus einer einstmals günstigen Mietwohnung kann im „Modernisierungsfall“ eine sehr teure Wohnung werden. In häufigen Fällen führt dies zur Verdrängung, wenn Mieter etwa bewußt durch überteuerte Modernisierungen überfordert werden, um Wohnungen frei zu bekommen – und später in Eigentumsobjekte umwandeln zu können, oder noch zahlungskräftigerere Mieter zu finden.

Nach dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes entfaltet der § 559 BGB eine höchst ungerechte Wirkung, denn nur wer Kapital hat, und Baukredit bekommt, kann sich ein „kapitalgetragenes Zusatzeinkommen“ erwirtschaften. Obendrein kann der Vermieter die Investition steuerlich abschreiben. Entweder als „sofort abzugsfähige Herstellungskosten – oder als Herstellungs- und Anschaffungskosten die in Minibeträgen von 2-2,5 der Herstellungskosten abgeschrieben werden dürfen.

Mieter und Geringverdiener haben diese Möglichkeit nicht, und können auch nicht ausweichen. Volkswirtschaftlich besteht damit eine große Ungleichheit, die weder durch Leistungs- noch Lohnzuwachs ausgleichbar ist. Auf Dauer führt dies zu einer sozialen Spaltung, die sich zum Generationen-Problem auswächst.

Trifft eine Generation alter Kapital-Anleger auf eine junge Generation von Mietzahlern und Geringverdienern, geraten nicht nur Gerechtigkeitempfinden und sozialer Frieden, sondern auch die gesamte Volkswirtschaft durcheinander. Denn eine Stadt benötigt nicht nur sozialen Ausgleich, sondern auch Zuversicht und echte soziale Aufstiegschancen, die mit Eigenkapitalbildung verbunden sind. Fehlen diese Aufstiegschancen, muss der Staat einen immer größeren Teil der Bevölkerung alimentieren.

Die Frage nach dem angemessenen Sanierungsumfang wird daher zu einer schicksalhaften Frage, die weit über Sanitärtechnik hinaus reicht.

Modernes Bad-Design
Modernes Bad-Design mit Standard-Ausstattungsdetails – Foto: pixabay

Luxus-Sanierung – ein trickreicher Mechanismus

Führt eine Modernisierung/Renovierung zu einer Erhöhung des Standards der Wohnung, gelten die Aufwendungen als nicht sofort abzugsfähige Herstellungskosten. Der Standard wird in „sehr einfach“, „mittel“ und „sehr anspruchsvoll“ eingeteilt. Der Großteil der Wohnungen entfällt eindeutig auf die mittlere Kategorie. Der obere Bereich ist mit dem Begriff „Luxussanierung“ so umschrieben, dass Vermieter Grenzüberschreitungen vermeiden können, wenn sie marktübliche, durchschnittliche Materialien und Ausstattungen einsetzen.

Strebt ein langfristig orientierter Vermieter nach Ertragsoptimierung, so ist es vernünftig, eine modernisierende Instandsetzung durchzuführen, um eine „steuerlich nachteilige Standarderhöhung“ zu vermeiden. Der Vermieter wird innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nicht mehr als drei der vier „zentralen Ausstattungsmerkmale“ – Heizung, Sanitär, Elektro, Fenster – gleichzeitig erneuern. Auch eine Erweiterung der Wohnfläche durch Balkonanbauten und Dachgauben würde als steuerlich als Standardanhebung gewertet. In einem normalen Wohnungsmarkt führt die „modernisierende Instandsetzung“ zu überschaubaren Mietsteigerungen und auch zu einem wirtschaftlich vorsichtigen Investitionsverhalten, wie es etwa auch bei „Eigentümergemeinschaften“ üblich ist.

In einem überhitzten Wohnungsmarkt und einem „Geldanlegermarkt“ ist die „modernisierende Instandsetzung“ nicht gefragt. Stattdessen wird gefördert durch staatliche Kredite eine Vollmodernisierung umgesetzt, um Gebäude anschließend mit höchsten Erträgen weiter zu verkaufen. Die erwartbare Wertsteigerung beim Verkauf ist höher, als die wirtschaftlich vernünftige erhaltende Instandsetzung.

Die sogenannte „Luxussanierung“ entsteht dabei in zwei Varianten: es wird eine tatsächlich edle und teure Neuausstattung vorgenommen, um den Verkaufspreis hochzutreiben. Oder es wird mit mittleren Ausstattungsmerkmalen ein „luxuriöser Profit“ des Projektentwicklers erzielt. Möglich ist dies durch Einsparungen bei Subunternehmern und überteuerten Baukosten-Aufschläge des Bauträgers, die in Szene gesetzt werden und kaum für Mieter nachprüfbar sind.

Streitobjekt: das moderne, zeitgemäße Bad

Was ein modernes und zeitgemässes Bad ausmacht, ist in Heimwerker-Prospekten, Baumärkten und bei allen Fachvereinigungen des Sanitärgewerbes und Sanitärhandwerks zu finden. Folgende Trends lassen sich beschreiben:

– Nachhaltiger Umgang mir Wasser & Energie
– Komfort – z.B. barrierefreie Dusche (Walk-in-Dusche), Sitzgelegenheit,
– Seniorenbad mit Griffen und Sitzmöglichkeit im Nassbereich
– Wohnlichkeit – großzügiger Raum, Bad neben Schlafzimmer
– Farbgestaltung und Design
– Vielseitigkeit – Nutzung mit Musik, Wellness.

Im Lichte des Mietrechtes und anrechenbarer Kosten ist nicht alles als Modernisierung anzusehen. Mieter sollten also genauer hinschauen und auch geltende Gerichtsentscheidungen berücksichtigen.

Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten (Aktenzeichen 4 C 347/10) kam etwa zu dem Ergebnis, dass auch ein 20 Jahre altes Bad „modern“ sein kann, wenn Einbaubadewanne oder Einbaudusche, Stand-WC, Bodenfliesen und mindestens türhoch verflieste Wände vorhanden sind und einem neuzeitlichem Standard entsprechen.

Der Einbau einer Designerbadewanne kann ein Bad optisch aufwerten und ein etwas angenehmeres und spezielleres Badevergnügen bereiten, aber eine Wohnwerterhöhung in rechtlichem Sinne entsteht dadurch nicht. Das Amtsgerichts Berlin-Schöneberg war der Ansicht, dass eine Mieterhöhung mit dieser Begründung nicht möglich ist (Aktenzeichen 107 C 277/12) . Es kommt grundsätzlich darauf an, ob eine Badewanne vorhanden ist – nicht darauf, ob es sich um ein besonders ausgefallenes Modell handelt.

Mieterhöhung nach Modernisierung und Nachprüfung

Nach einer Mieterhöhungserklärung wegen durchgeführter Modernisierungsmaßnahmen ist der Vermieter – auf Verlangen des Mieters – verpflichtet, dem Mieter Einsicht in die Rechnungen und sonstigen Belege zu gewähren. Einen Anspruch auf Zusendung von Kopien dieser Unterlagen hat der Mieter aber grundsätzlich nicht.
Zur Berechnung und Erläuterung der Mieterhöhung ist die Vorlage von Belegen nicht erforderlich (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 8. Aufl., § 559 b Rdnr. 19 mit zahlreichen Hinweisen). Allerdings ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter eine Einsicht in die Rechnungen und sonstigen Belege zu gewähren. Dieses Einsichtsrecht muss der Mieter am Sitz des Vermieters ausüben (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, a.a.O.). Er hat keinen Anspruch darauf, dass ihm der Vermieter Kopien der Rechnungen gegen Erstattung der Kosten zur Verfügung stellt.

Grundrissänderung im Bad

Im Gegensatz zu bloßen Erhaltungsmaßnahmen wie z.B. das Ersetzen einer verzogenen Tür, die Reparatur von Fenstern oder der reinen Instandsetzung ist die Modernisierung eine Verbesserungsmaßnahme nach § 554 Abs.2 BGB.

Das Problem: die Grundrissveränderung durch Vergrößerung des Bades ist für die betroffenen Mieter mit einer Verkleinerung von Küche, Flur oder Nebenraum verbunden. Es ist damit im konkreten Einzelfall strittig, ob eine derartige Grundrißänderung in jedem Fall einen Verbesserungsmaßnahme ist. Im Einzelfall kann bei Beeinträchtigungen auch ein Anspruch auf anteilige Minderung des Mietzinses anfallen, wenn z.B. der Gebrauchswert einer Küche gemindert wird. Allerdings muss dies ausgehandelt oder ggf. erstritten werden.

Nach Modernisierungen und Einbau von zentralen Warmwasseranlagen kann es infolge veränderter Leitungsführungen auch zu schwankenden Wassertemperaturen kommen. Wenn z.B. beim Duschen Wassertemperaturen erheblich schwanken, und aus der Maximaltemperatur von 47 bis 48 Grad überraschend 60 bis 61 Grad werden, wenn gleichzeitig ein Nachbar den Wasserhahn aufdreht,
liegt ein „ein erheblicher Mangel“ vor. Das stellte das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 204 C 349/02) fest. Der Verweis des Eigentümer auf die ebenfalls vorhandene Badewanne, in der heißes und kaltes Wasser besser zu mischen sind, wurde nicht als Argument akzeptiert. Die Miete durfte um 13 Prozent gemindert werden.

Streit nach Dachgeschoßausbau mit Whirlpool auf der Terrasse

Ein Wohnungseigentümer leistete sich einen Whirlpool mit 1.200 Litern Wasser, in dem sich bis zu fünf Personen aufhalten konnten und stellte ihn auf seiner Terrasse auf. Die darunter wohnenden Nachbarn klagten über die Vibrationen und bekamen Recht. Auch eine Dämmmatte half nicht, die Störung vollständig zu beseitigen. Der Whirlpool müsse abgeschaltet bleiben, entschied das Amtsgericht Reutlingen (Aktenzeichen 9 C 1190/12). Das Wohl der Miteigentümer sei wichtiger als das Interesse des Poolbesitzers.

Luxus oder gehobener Standard?
Bad-Design: Luxus oder gehobener Standard? Barrierefrei aber nicht seniorensicher wegen fehlender Haltegriffe – Foto: pixabay

Millieuschutz und das zweite Bad

Die städtebauliche Erhaltungssatzung gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, auch Milieuschutz genannt, soll die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung erhalten, um negative städtebauliche Auswirkungen zu verhindern.

Nicht genehmigt werden in sozialen Erhaltungsgebieten unter anderem:

– Grundrissänderungen
– Zusammenlegen oder Teilen von Wohnungen
– Anbau von Balkonen, Wintergärten, Loggien oder Terrassen mit mehr als 4 m² Grundfläche
– Anbau von zweiten Balkonen, Wintergärten, Loggien oder Terrassen
– Einbauküchen
– Einbau eines zweiten WCs, aufwändige Bad-Sanierung.

Genehmigt werden (müssen) aber unter anderem:

– Ersteinbau einer Zentralheizung mit Warmwasserversorgung
– Ersteinbau eines Bades
– Ergänzung eines vorhandenen Bades mit einer zeitgemäßen Ausstattung
– Grundausstattung mit Sanitär-, Wasser- und Elektroinstallationen, Antennen-, Kabelfernseh- und Gegensprechanlagen
– Erneuerung bestehender Fenster gemäß Energieeinsparverordnung
– verpflichtende energetische Sanierungen
– Dachgeschossausbau und Neubau.

Mit den Auflagen der Erhaltungssatzung und dend Prüfkriterien für Anträge in sozialen Erhaltungsgebieten (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB) kann eine Luxus-Modernisierung und eine Neuaufteilung von Wohnungen mit dem Ziel einer zahlungskräftigeren Mietnachfolge wirksam unterbunden werden.

Doch es gibt eine gravierende Lücke im Millieuschutz, wie u.a. der Fall Immanuelkirchstraße zeigt.

Die Fahrstuhl-Lücke im Millieuschutzgebiet

Am 31.Mai 2012 hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg entschieden: In einem Haus am Arnimplatz, das unter Milieuschutz steht, darf ein Fahrstuhl eingebaut werden, der auf allen Etagen hält. Im Fall Arnimplatz wurde ein außen frei vor der Fassade stehender Fahrstuhl errichtet.

Das OVG entschied (Az OVG 10 B 9.11) im Sinne von Jakoby Rechtsanwälte:
“Bei seiner Entscheidung hat das Bezirksamt zu beachten, dass es auch in einem Gebiet, für das eine Erhaltungsverordnung besteht, eine Modernisierungsmaßnahme nicht verhindern darf, wenn die Maßnahme dazu dient, eine durchschnittliche Wohnung in einen zeitgemäßen Ausstattungszustand zu versetzen. Was ein „zeitgemäßer Ausstattungszustand“ ist, ergibt sich aus den baurechtlichen Vorschriften. Diese schreiben bei Neubauten in Berlin vor, dass Gebäude mit mehr als vier oberirdischen Geschossen einen Aufzug mit Haltestellen in allen Geschossen haben müssen. Das Bezirksamt kann die dafür zu erteilende Genehmigung in dem Gebiet einer Erhaltungsverordnung nur ausnahmsweise versagen, wenn die Kosten des Baus und Betriebs des Aufzuges ungewöhnlich aufwendig sind oder wenn in dem betroffenen Gebiet eine überdurchschnittlich hohe Verdrängungsgefahr für die vorhandene Wohnbevölkerung besteht und der Einbau des Aufzugs aufgrund seiner Vorbildwirkung geeignet ist, diese Entwicklung zu verstärken. Das hat das Oberverwaltungsgericht für das Gebiet am Arnimplatz, für das die Erhaltungsverordnung gilt, verneint.”

Aus den Worten „zeitgemäßer Ausstattungszustand“ wird durch interessierte Bauherren versucht, den Fahrstuhl als Hebel für eine durchgreifende Grundriss-Veränderung einzusetzen, und so bei der Bauantragsstellung den Millieuschutz durch konkludente und zusammenhängene Genehmigungsanträge auszuhebeln.

Die Falle für Genehmigungsbehörden: Ist der Fahrstuhl außerhalb der Fassade genehmigt, können die Ziele der Erhaltungssatzung aufrecht erhalten werden.

Ist jedoch ein Fahrstuhl innerhalb des Gebäudegrundriss zugesagt, ergeben sich viele damit zusammenhängende Grundriss-Änderungen, die zu einer Aufhebung des Bestandsschutz und in eine Auflassung und Aufteilung kleiner Wohnungen münden.

Die Fahrstuhl-Lücke im Millieuschutzgebiet ist entstanden, weil man in den städtebaulichen Erhaltungssatzung gem. § 172 keine Regelungen zum Einbau von Fahrstühlen getroffen hat.

Nun liegt es um Einzelfall im Ermessen von Architekten und Stadtplanern, wie mit dem Thema Fahrstuhl umgegangen wird.

Ein Blick in die Hauptstadt von Portugal lohnt, weil man hier schon seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts „dauerhaft zeitgemässe“ Lösungen wie diesen freistehende Fahrstuhl entwickelt hat.

Freistehender Aufzug
Freistehender Aufzug in einem Innenhof der Altstadt von Lissabon – Foto: pixabay
m/s