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„Die EU hat Notfallpläne für die Russland-Krise“

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Ein bemerkenswertes Interview mit dem ehemaligen Präsident der EU-Kommission José M. Barroso ist in WELTonline erschienen. Er gibt dabei wichtige Hinweise zu seiner Amtsperiode und äußert sich zu seinem Erfolg:

„2004 waren wir 15 Mitgliedsstaaten. Wir haben die Zahl der Mitglieder fast verdoppelt, und das während all dieser Krisen. Unmittelbar nach meinem Amtsantritt hatte die EU eine tiefe Verfassungskrise und viele Menschen sagten: Die ist nicht zu lösen. Wir haben sie gemeinsam gelöst. Danach kam die Staatsschuldenkrise. Auch die hat die EU überstanden, ohne ein Mitglied zu verlieren.“

Im Rückblick ist Barroso dabei kritisch:

„Wir waren nicht ausgerüstet für diese Krise. Aber in diesen Zeiten haben wir eine außerordentliche Belastbarkeit bewiesen. Wir waren Feuerwehrleute und Architekten zugleich. Die Krise war der größte Stresstest der Geschichte der EU. Die existenzielle Krise des Euro ist vorbei, auch wenn natürlich noch nicht alle Herausforderungen überwunden sind: der Aufstieg eurokritischer Kräfte, Arbeitslosigkeit, ökonomische Schwäche, zu hohe Schuldenstände, unzureichende Wettbewerbsfähigkeit und mangelnde Investitionen.“

Euro gestärkt aus der Krise hervorgegangen

Uum Euro und zur Eurokrise hat sich Barroso freimütig optimistisch gezeigt:

„Der Euro gehört zu den zwei wichtigsten Währungen der Welt, er ist eine starke und stabile Währung. Wir haben die Währungsunion viel krisenfester gemacht. Wir haben Verantwortung und Solidarität gezeigt. Wir haben eine gemeinsame Bankenaufsicht. Und wir haben einen EU-Rettungsfonds. Außerdem sind die ehemaligen Sorgenkinder wie Irland, Spanien und Portugal dank beträchtlicher Anstrengungen und Opfer gestärkt aus der Krise hervorgegangen. Das macht die gesamte Euro-Zone krisenfester.“

Klare Worte zur Rußland-Krise

Angesprochen auf sein Gegenüber Putin, die langen Verhandlungen zwischen EU und Ukraine und die Rußland-Krise nahm Barroso kein Blatt vor den Mund:

„Halten wir uns an die Fakten. Russland hat internationales Recht gebrochen. Moskau hat alles getan, um die Ukraine – einen souveränen Staat, Mitglied der Vereinten Nationen – davon abzuhalten, selbst zu entscheiden, mit wem sie partnerschaftlich zusammenarbeitet. Wladimir Putins Verhalten ist inakzeptabel, da muss ich mich nicht nach seiner Motivation fragen.“

Auf die Frage, was in Putin vorgeht, antwortet Barroso:

„Er hat sich verändert. Diese Veränderung passierte nach seiner Wiederwahl zum Präsidenten 2012. Seine Rhetorik wurde viel nationalistischer. Er wollte Kontrolle ausüben, Macht demonstrieren, weil er spürte, dass die Unterstützung für ihn im Volk abnahm.

„Vor 2012 versicherte mir Putin mehrfach, dass er sich einer EU-Mitgliedschaft der Ukraine überhaupt nicht widersetzen würde. Ich habe mich darüber mit ihm unterhalten. Er hat dies auch öffentlich gesagt. Ich aber habe den früheren Präsidenten Juschtschenko, Timoschenko und Janukowitsch und auch dem jetzigen Präsidenten Poroschenko gesagt: Ihr seid noch lange nicht reif. Wir können keine EU-Mitgliedschaft anbieten. Aber wir können eine enge politische und wirtschaftliche Assoziierung offerieren.“

Barroso weiter „Die russische Regierung war fünf Jahre lang im Detail über unsere Gespräche über ein Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine informiert. Auch Putin war in vollem Umfang informiert. Wenn er heute sagt, er sei überrascht worden, dann ist das nicht wahr.“

Mehr lesen Sie in dem aufschlußreichen Interview, in dem Barroso auf auf die Frage nach einem möglichen wirtschaftlichen Zusammenbruch Rußlands eingeht:

Politik | José Manuel Barroso | „Wer Entscheidungen trifft, muss auch dazu stehen“ | WELT – 21.12.2014

war zehn Jahre lang – und Teilnehmer an EU-Gipfeln. Heute kritisiert er die Regierungschefs: Einige „taten zu Hause so, als wären sie nicht dabei gewesen“

m/s