Donnerstag, 18. April 2024
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Die Welle des Populismus und der Yachtclub Europa

Die Welle des Populismus und der Yachtclub Europa

/// Kolumne /// – Europa und die ganze Welt werden durch eine Welle des Populismus erschüttert. Ganze 140 Zeichen reichen bei Twitter aus, um Börsenkurse zum Beben zu bringen, oder den amerikanischen Präsident „elect“ nächtlich an den Computer zu locken.

Marie Le Pen in Frankreich, die polnische PiS-Bewegung, Viktor Mihály Orbán und die ungarische Fidesz-Bewegung, Geert Wilders und die Partij voor de Vrijheid – sie alle suchen nach Aspekten und scheinbaren Sicherheiten, nach Vereinfachung und Überschaubarkeit. Sie alle wollen ihre Staatsschiffe führen, und haben offensichtlich kein ausreichendes „Kapitänspatent“ für eine globalisierte, dynamische und komplexe Welt.

In Großbritannien hat sich schon das peinliche Schauspiel vollzogen: eine gro0e Insel und eine alte Seefahrt- und Handelsnation ist grölenden Vereinfachern und testosteron-besoffenen Nationalisten auf dem Leim gegangen. Das Wort von den „schrecklichen Vereinfachern“ Nigel Farage und Boris Johnson trifft bei beiden Exponenten zu.

Ukip-Chef Nigel Farage musste nach seinem Sieg sofort demissionieren, weil er für das Staatsschiff Großbritannien weder eigenen Kompass, noch nautisches und politisch-ökonomisches Patent hat. Ein populistischer Möchtegern-Kapitän, der grandios gescheitert ist, der nun ganz Großbritannien in schweres Wasser bringt, das Milliardenvermögen und Zukunftschancen vernichtet.

Theresa Mary May soll es nun richten, und hat sich fast schon hoffnungungslos verzettelt. Schwierige Fragen sind zu lösen, sehr lange dauernde Verhandlungen liegen vor ihr, mit vielen Ungewissheiten und Untiefen – und gewaltigen persönlichen Aufwand.

Inzwischen ist in den USA der derzeit größte lebende Populist zum US-Präsidenten gewählt worden. Donald J. Trumps „Make America great again“ – man kann förmlich das Kielwasser und die seitlichen Heckwellen sehen, wenn dieser Spruch ertönt, oder geschrieben wird.

Der Spruch scheint wie einst bei Moses das Wasser zu teilen – doch wo ist das gelobte neue Land?

Wo ist das zukunftsweisende Programm? Was hat Trump versprochen? Welche Erwartungen hat er geweckt? Welches Muster steckt bisher im Zuspruch zu „Make America great again“? – Welches Muster vereint all die anderen „Populismen“ in Europa?

Welches Geheimnis steckt hinter all den Sprüchen von Trump, Marie Le Pen, Voktor Orbán, Geert Wilders und unseren blauroten deutschen Epigonen Alexander Gauland, Frauke Petry, Björn Höcke und all den anderen „Rechtspopulisten in Deutschland? Wieso scheint Europa plötzlich in partikuläre nationale Interessen zu zerfallen?

Bei all diesen Fragen ist ein schrecklicher Mechanismus in den Blick geraten, der in der Welle des Populismus gut sichtbar, doch für das politisch geschulte Auge völlig verborgen ist!

Demokratien in Zeiten von Talkshow- und Social Media-Kommunikation

Politische Diskussionen und Talkshows haben eine entscheidende Lücke, die im Alltag fast niemanden auffällt: sie beziehen sich überwiegend auf Ereignisse der Vergangenheit. Argumente und Bewertungen beziehen sich immer auf zurückliegende Ereignisse und ihre Verarbeitung mit Meinungen und Wertungen. Zukunft spielt bei öffentlichen Diskussionen praktisch nur eine untergeordnete Rolle.

Politiker untermauern ihre Position zumeist mit Erfahrungen, mit bereits bestehenden Regeln und politischen Regeln, die aus der Vergangenheit abgeleitet werden – oder mit Forderungen nach neuen Regeln, die aus Problemem der Vergangenheit abgeleitet sind. Selbst Begriffe und Forderungen nach neuen Gesetzen reflektieren immer „Vergangenheit“, vorhandenes „Wähnen & Wissen“.

Wenn jemand als Flüchtling oder Geflüchteter bezeichnet wird, so hebt das auf einen längst vergangenen Umstand ab, auf einer vergangenen Ortsveränderung, einen langen Weg und große Mühen, die bereits vergangen sind.

Politische Problemlösungen unter dem Oberbegriff „Flüchtlingspolitik“ richten sich so immer auf vergangene unliebsame Phänomene, und sollen immer erst in der Zukunft wirksam werden.

Zwischen Vergangenheit und möglicher neuer Zukunft liegt immer eine „Realitätslücke“ – in der Menschen im chaotischen „Noch-nicht“ gefangen sind, und nur auf Vergangenes blicken können. Ein Zustand des Schreckens in einer eigentlich hoch intelligenten Zivilisation.

Politiker tragen immer eine „geheime Ontologie“ mit sich, die sie aber auf keinen Fall verraten können, weil es die Wirkung ihrer Worte und Absichten mindern würde. Die Rhetorik des Anführers oder des um neue Führung kämpfenden Populisten vermittelt dabei immer den Glauben „dass Geschichte als Ganzes sich nach bestimmten Naturgesetzen entwickeln würde oder nach einem nicht vom Menschen gemachten Plan verlaufe und ein Ziel habe.“

Doch das genaue Ziel wird nur umschrieben. Konkretes würde zuviele Einwände ermöglichen, die das Kernthema und die charismatische Wirkung des vorher Gesagten entwerten. Das Publikum und der Politiker oder Populist befinden sich damit in zwei gegenüber liegenden Positionen und Zeitzonen.

Das Bild eines Ruderbootes drängt sich förmlich auf: hier die Politik, die am Steuer steht, dort die Wählermannschaft, die rudert und mehr oder minder dazu beiträgt Kurs zu halten und im Takt mitrudert. Der Eine blickt voraus – die Mannschaft zurück.

Talkshows, politische Debatten und Social Media verstärken diesen fatalen Eindruck auf immer neue Weise.

Die Warnung vor dem falschen Blick auf Geschichte

Sir Karl Popper hat vor der Anmaßung gewarnt, Geschichte sei vorbestimmt. Popper verweist auf die Natur allen Wissens; es ist vorläufig: „Die Zukunft ist offen und nicht historisch vorbestimmt, weil der Verlauf der Geschichte nicht zuletzt auf der Entwicklung des Wissens beruht, und niemand weiß, was man künftig wissen wird.“

Doch alle Populisten schaffen es, Gefühle zu mobilisieren – und versuchen trotzdem Gewißheiten zu erzeugen, sie wüssten, wie es weitergehen müsse und werde. Paternalistische und charismatische Politiker nutzen ihre Überzeugungskraft, weil sie vorgeblich besser wissen, was für die Menschen gut ist, als diese es selbst wissen können.

Die Vorstellung von der „Alternativlosigkeit“ einer Politik ist selbst nichts anderes als ein „Historizismus“. Eine politische Elite oder Klasse mit mächtigen Individuen an der Spitze versucht den Menschen in paternalistischer Weise weiszumachen, man wisse, was für das Gemeinwesen gut ist.

Auch von Korrekturen eines eingeschlagenen Pfades wird abgeraten, sogar erklärt dass es nicht möglich sei. Kaum hinterfragbare Begriffe wie „Globalisierung“ oder „Europäische Werteordnung“ werden dabei eingeführt, als seien es unaufhaltsame Naturphänomene. In Wahrheit sind es Ontologien – auch gute Wunschvorstellungen, die mit weiser Voraussicht geplant sind.

Politiker und Populisten führen Bürgerinnen und Bürger unweigerlich in ein Dilemma der Demokratie hinein. Alexander Grau schrieb dazu am 17. Dezember 2016: „Demokratien mögen keine Tatsachen!“ Graus These: „Wer das postfaktische Zeitalter ausruft, verklärt nicht nur die Vergangenheit, sondern auch den Grundcharakter unserer Staatsform. Sie lebt von der Überredung, nicht von der Wahrheitsfindung.“ Grau übersieht dabei etwas Entscheidendes: Die Demokratie befindet sich im „Ruderboot-Dilemma“:

Alle sehen Wellen, Wellen des Populismus, sich teilendes Wasser …

… aber es sind Heckwellen eines längst durchkreuzten Wassers.

Wenn wir und Politiker uns über etwas ereifern, ist längst anderes Wasser unter dem Kiel!

Ruderboot: Achter mit Steuermann
Ruderboot: Achter mit Steuermann – Foto: pixabay

Das Ruderboot-Dilemma – The Rowboat Dilemma

Es lohnt, sich das Ruderboot-Dilemma näher anzuschauen, denn es ist ein grundlegendes Muster aller Demokratien, und aller menschlichen Gruppierungen. Es ist ein Muster, das Denkmuster und soziale Handlungsmuster nach sich zieht, auch fatale politische Muster und richtig schräge folkloristische Muster (Es kann und muss überwunden werden).

„The Rowboat-dilemma“

a matter of principle of mankind:

„Fearful people look to the captain, viewing to the backwash“
„They do not look to the real course (and problems) ahead.“
„People seek for stronger leaders, but they are looking to the past.
A course to future needs more than a rowboat:
– more points of view, more options, more flexible navigation.“

„The solution is a paradigm shift: establish a yachting club!“
Each can look to all perspectives, crossing against all the winds;
full leadership & team integration ist possible.

(It´s an old european competence. But it people lose ist, while looking only at flat or mobile screens).

Das Ruderboot-Dilemma ist Kapitänen zur See seit den Zeiten von Cristoforo Colombo und Fernao Magellan bekannt: das Führen einer Rudermannschaft oder eines Segelschiffes verlangt völlig unterschiedliche Formen der Gefolgchaft der Mannschaft.

Im Ruderboot zählen Gleichtakt, blinder Gehorsam und Blindvertrauen in den Kapitän. Auf einer Segelyacht ist gemeinsames koordinierendes Handeln bei gleichzeitig großer Übersicht und Voraussicht erforderlich. Es sind kollektive Fähigkeiten, die in unserer kollektiven Mediengesellschaft verloren gehen. Ohne Voraussicht ist inzwischen das Überleben aller Species und das Ende des Zeitalters des Anthropozäns in Sicht. – Wir müssen das kollektive Ruderboot-Dilemma überwinden!

Europa, die Flüchtlinge und das Ruderboot-Dilemma

Bundeskanzlerin Merkel hat mit ihrer Finanz- und Flüchtlingspolitik ganz Europa in ein desaströses „Ruderboot-Dilemma“ hineingeführt. Eine europäische Union mit selbstständigen Staaten wurde in eine Politik hineingeleitet, die scheinbar wie ein „Ruderboot“ geführt und getaktet werden soll.

Ökonomen und Währungspolitiker beharren dabei auf ihren Begriffswelten, und lassen allenfalls erkennen, dass sie über ein Europa der zwei Geschwindigkeiten nachdenken. Auch sie schreiben dabei den Blick auf Vergangenes fest, denn jeder Statistiker wird den Ökonomen sagen, dass sie mit alten Zahlen oder Zahlen des Vorjahres auf Basis von Trendabschätzungen agieren.

Auch Ökonomen haben so ihre Heckwellen fest im Blick, und verstellen sich selbst den Blick auf zukünftige Auswege, Optionen und Chancen. Es sind Untergangs-Ökonomen, die den ganzen westlichen Wohlstand methodisch eleminieren und in digitale Nullen und Einsen verwandeln.

Haben wir nicht ein Europa mit 28 völlig unterschiedlichen Yachten, die trotz unterschiedlicher Tonnage und Besegelung doch einen gemeinsamen mittleren Kurs halten, und gegen den Wind des globalen Wettbewerb segeln, kreuzen können?

Sollte Europa besser wie ein Yachtclub geführt werden, mit Kapitänen, Flotillen-Admiralität, Committments, Flaggenregeln, Navigationsregeln und gegenseitiger Hilfe an Bord? Müssen wir auch Regeln und Sprachregeln ändern?

Ist die aus USA eingeführte Kategorie des „Terrors“ alternativlos – oder verdeckt hier eine Marketingformel für Bombardierungs-Technologien mögliche Auswege – sind Auswege semantisch und rhetorisch mit Blick auf „Vergangenheit und Heckwasser“ versperrt?*

Indem Europäer an dem durch politische und bürokratische Folklore überlieferten Begriff des „Flüchtlings“ festhalten, wird eine grundhafte Existenzkrise Europas – vielleicht sogar dessen gänzlicher Untergang heraufbeschworen. Ist nicht jeder Mensch an Bord zunächst einmal Gast?

Obwohl wir es seit Heraklith wissen: „Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen;“ halten wir an dem Begriff des Flüchtlings fest, auch wenn die Menschen lange bei uns sind. Wir schaffen damit Paradoxien, psychisches Leid und ausweglose und schwer entrinnbare ökonomische Situationen. Auch Wut und Gewalt! Wissen wir nicht schon seit Simplikios (* um 480/490; † nach 550) um den Vorteil selbstbestimmter Lebensführung und Willensfreiheit?

So versuchen wir „Flüchtlingen“ das Rudern ohne Sicht auf Ziele beizubringen – obwohl sie viel leichter Segeln lernen können, wenn man sie selbst Ziele, Bootsgrößen und Berufe auswählen lässt und nur genug an ihre Fähigkeiten anpasst.

Paradigmen-Wechsel: Wirtschaftsoptionen – statt bürokratische Kategorisierungen

Sind die zu uns geflüchteten Menschen nicht zugleich auch Gäste, Partner potentielle Kunden und sogar Freunde, wenn wir es nur fördern und zulassen?

Können wir das „europäische Ruderboot-Dilemma“ vielleicht überwinden, wenn wir mit unseren zugewanderten Gästen, Freunden, Partner und werdenden Mitbürgerinnen und Mitbürgern gemeinsam in den „Sturm der Herausforderungen“ hineinschauen, und gemeinsam segeln lernen?

Bundeskanzlerin Merkel sollte sich nun diese Frage stellen:

Ist es sinnvoller, Geflüchtete Menschen nach „beabsichtigter Zukunft“ und ihren „alternativen Präferenzen und Wahloptionen“ zu beurteilen?.

Vor allem wir selbst können Alternativen neu hinzulernen!

Statt einer „Festung Europa“ mit gewaltigen Militärausgaben und Grenzsicherungsaufwendungen, können wir auch als globale Kooperationsplattform für ein internationales „EINEWELTWirtschaftswunder“ wirksam werden – und unsere europäischen Kulturen in der „globalen Interkultur der Kooperationen“ einbringen.

Populisten können auch eingeladen werden – und mittun, wenn die Segel nicht flattern! Nur wenige werden auf den „Inseln alter Ideologien“ verharren.

Wir können Anreize, Projekte und Programme schaffen, die eine Rückkehr mit Beruf, Ruhm und Ehre für junge Männer möglich machen. Es wäre ein Gewinn für Herkunftsland und unsere Exportwirtschaft. Wir können uns besser in die Weltwirtschaft integrieren, denn unsere bürokratische Folklore tragt inzwischen zur ökonomischen Verzwergung bei.

Der neue „Yachtlub Europa“ würde an gute jahrhundertealte Traditionen der Händler und Seefahrer anknüpfen und weltweit Chancen, Optionen und Wahlmöglichkeiten vermehren. Fairer und komparativer Freihandel – Lernen Bildung und Kollaboration – die Zeiten sind reif, über den Bugspriet hinaus den Horizont und die Zukunft in den Blick zu nehmen!

Weitere Informationen:

White-Paper:
Michael Springer:
Europe the old Yacht Club – European Leadership Lectures in a stormy era
(ten short lectures from 2015-2016)

redaktion@pankower-allgemeine-zeitung.de (Schutzgebühr 180 € inkl. MWST.)

* Next Lecture coming soon:
Terror-Logics and the elemination of peace negotiations