Freitag, 29. März 2024
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Frauentag in der Arkonastrasse

Justizvollzugsanstalt für Frauen - Standort Pankow Arkonastrasse/Borkumer Strasse

In Pankow ist es die öffentliche Einrichtung mit der höchsten „Frauenquote“. In der Arkonastrasse/Borkumer Strasse ist sie hinter einer großen Mauer mit Stacheldraht zu finden: die „JVA für Frauen in Berlin – Standort Pankow“ für den geschlossenen Vollzug. In dem Gebäude, unmittelbar an der Rückseite des Amtsgerichtes Pankow, sind 60 Haftplätze eingerichtet. Aktuell ist die Haftanstalt mit 54 Frauen belegt. Zum Frauentag wird ein Blick hinter die geschlossenen Türen der JVA gewagt.

Justizvollzugsanstalt für Frauen - Standort Pankow Arkonastrasse/Borkumer Strasse
Justizvollzugsanstalt für Frauen – Standort Pankow Arkonastrasse/Borkumer Strasse

Berlin hat eine eigenständige Vollzugsanstalt nur für Frauen, die auf vier verschiedene Standorte verteilt ist. Bundesweit gibt es nur fünf weitere reine Frauenhaftanstalten. Überwiegend sind Haftanstalten für Männer und Frauen ausgelegt und verfügen über eine getrennte Unterbringung in Männer- und Frauentrakten.
Die Berliner Hauptanstalt befindet sich in Lichtenberg in der Alfredstrasse. Hier ist auch die zentrale Aufnahmeabteilung.
Schwerpunktmässig sind hier 81 Haftplätze mit jugendlichen Straftäterimnen und Täterinnen aus dem Bereich Drogendelikte belegt. Weitere Standorte sind die JVA für Frauen in Reinickendorf (offener Vollzug – 95 Plätze) und JVA für Frauen in Neukölln (Sozialtherapeuthische Abteilung – 24 Plätze).
In der JVA für Frauen – Standort Pankow wird die Haft im geschlossenen Wohngruppen-Vollzug verbüßt. Tagsüber sind die Frauen in Gruppen untergebracht, in der Nacht sind sie in eigenen Zellen verschlossen.

Das Gebäude

Das Gerichtsgebäude in der Kissingenstrasse wurde in der Zeit von 1902 bis 1906 in einer Mischung aus fränkischem Barock und Jugendstil gebaut. Der Plan für dieses Gerichtsgebäude stammt von Rudolf Mönnich, der auch die Amtsgerichte von Lichtenberg, Weißensee, Schöneberg, Charlottenburg, Moabit und Lichterfelde entwarf.

Als repräsentatives dreiflügliges Gebäude bietet es eine der Wilhelminischen Epoche typische Stilvielfalt.

Hinter dem Gerichtsgebäude befindet sich ein angeschlossenes Gefängnis, das von 1907 bis 1928 als Gefängnis des Amtsgerichtes Pankow genutzt wurde. Wegen der geringen Insassenzahl wurde es 1928 geschlossen. In der Zeit des Dritten Reichs befand sich hier von 1933 bis 1945 es eine Unterkunft der SA der NSDAP. Nach dem 2. Weltkrieg wurde es von der Sowjetischen Militäradministration übernommen, die es 1947 der Deutschen Justiz zurückgab. Während der DDR-Zeit wurde es vom Ministerium für Staatssicherheit als Untersuchungsgefängnis genutzt. Seit 1992 befindet sich hier die Justizvollzugsanstalt für Frauen.

Vom Beginn der fünfziger Jahre bis Anfang 1990 befand sich hier eine Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) der DDR, die im Februar 1990 dem Ministerium des Inneren der DDR unterstellt und nach der Wiedervereinigung im Oktober 1990 geschlossen wurde.

Seit 2008 wird das Gebäude als ein Bereich der Justizvollzugsanstalt für Frauen genutzt und begeht in diesem Jahr das 15jährige Jubiläum.

Der Alltag in der JVA

Anfang März 2013 sind in Pankow 54 der 60 Frauenhaftplätze mit 16 Untersuchungsgefangenen und 38 Strafgefangene belegt. Der Standort Pankow ist auf mehrere Stationen aufgeteilt, die alle im Wohngruppenvollzug geführt werden.:

1 Station mit Kurz- und Ersatzfreiheitsstrafen
1 Station mit Langstrafen über 5 Jahren
2 Stationen mit Untersuchungsgefangenen
2 Haftplätze für Mutter mit Kind.

In der JVA Pankow verbüßen 4 Frauen eine lebenslängliche Freiheitsstrafe. Die überwiegende Mehrheit sitzt wegen Delikten wie Diebstahl, Betrug, Bagatellstraftaten und aufgrund von Ersatzfreiheitsstrafen ein, wenn Geldauflagen, u.a. wegen Schwarzfahren, nicht bezahlt wurden. Ein Teil der Frauen hat auch eine Migrationsherkunft.

In der Kriminalitätsstatistik fallen Frauen insgesamt weniger auf – der Anteil der inhaftierten Frauen an allen inhaftierten Strafgefangenen liegt unter 5%, in Berlin sogar bei nur 4,4%. Auch qualitativ liegt der Kriminalitätschwerpunkt der Frauen anders als bei Männern. Vorwiegend sind es Eigentums- und Vermögensdelikte und Betrug, die von Frauen begangen werden. So liegt die Strafhöhe auch in der überwiegenden Zahl der Fälle bei weniger als 1 Jahr.
Kleinkinder dürfen bis zum vollendeten 1. Lebensjahr von der Mutter in der Haftanstalt betreut werden – danach wird gemeinsam mit dem Jugendamt im Sinne des Kindeswohls eine andere Unterbringung geregelt.

In den Wohngruppen können sich die Frauen in der Zeit, in der sie „aufgeschlossen“ sind, frei bewegen. Ein Gruppenraum und eine Gemeinschaftsküche stehen in jeder Station zur Verfügung.
Im Justizvollzugsdienst der Haftanstalt sind 36 MitarbeiterInnen beschäftigt – und nur 7 Männer tun hier ihren Dienst.

Eco-PC-Projekt

Die Justizvollzusganstalt Pankow verfügt über einen Arbeitsbetrieb „PC-Werkstatt“ mit 12 Arbeitsplätzen, in der gebrauchte Computer recycelt, umgerüstet und ggf. demontiert und fachgerecht entsorgt werden.

Die PC-Werkstatt vermittelt eine Qualifizierung im Umgang mit Computern und wichtige Alltagsqualifikationen, um nach der Haft den Weg in einen qualifizierten Beruf zu ebnen.
Die PC-Werkstatt arbeitet sehr erfolgreich: neu hergestellte Geräte werden zum Teil an Schulen vergeben. 100 PC´s wurden schon nach Afrika an Hilfsprojekte exportiert – demnächst werden weitere 200 Geräte folgen. Die 200 PC´s werden nach Tunesion geliefert und sollen am 13. März 2013 in einem Festakt in der JVA Pankow an den tunesischen Botschafter Elyes Ghariani symbolisch übergeben werden.
Die Berliner JVA für Frauen in Berlin schickt 200 Computer und 95 Drucker für den tunesischen Strafvollzug. Ziel ist es, dort mit den Computern Bildungsprojekte in Strafvollzugsanstalten in Tunesien umzusetzen.
Die PC-Werkstatt wird durch einen erfahrenen Träger, die Wille gGmbH, eine Tochtergesellschaft des evangelischen Johannesstifts in Berlin-Spandau, organisiert. Eine individuelle sozialpädagogische Betreuung, Bewerbungs- und Wiedereingliederungshilfen werden neben der Werkstattarbeit vermittelt. Die Wille gGmbH sammelt berlinweit gebrauchte PC´s und nimmt dafür gern auch Sachspenden entgegen.

In der Versorgungsküche in Berlin-Moabit werden die warmen Speisen zentral zubereitet und täglich angeliefert. Am Standort Pankow gibt es nur eine kleine Versorgungsküche mit 6 Arbeitsplätzen, um Kaltspeisen und Desserts zubereiten zu können.

Die Haftanstalt funktioniert wie ein kleines Dorf in der Stadt: Hausarbeiten und Putzen müssen die Frauen selbst ausführen – wobei die Arbeit als fester Putzdienst organisiert wird.

Im Sommer gibt es Arbeit im Gartenbereich. Zum „Malerkommando“ haben sich 2 Frauen gemeldet, sie renovieren Raum für Raum die Aufenthaltsräume und Haftplätze.
Für die Freizeitgestaltung steht eine kleine Bücherei zur Verfügung, in den Gruppen-Räumen gibt es TV-Geräte. Zugänge zum Internet gibt es nicht.
Ein Yoga-Training wird als Freizeitgestaltung angeboten, daneben gibt es Musikunterricht und neuerdings ein Karaoke-Training.
Sehr gut besucht sind die Kunstkurse, in denen individuell das Malen und künstlerisches Gestalten mit Gips erlernt werden kann.

Ein alljährliches Sommerfest unterbricht den sonst sehr regelmässigen Tagesablauf. Vor Weihnachten besucht eine Märchenerzählerin die Frauenhaftanstalt, um Geschichten zu erzählen. Gleichzeitig gibt sie Anregungen für die Kinderbetreuung und Bastelvorschläge weiter.
„Spielen & Spielzeug basteln“ dient alle 14 Tage als praktisches Projekt nicht nur als Freizeitbeschäftigung – sondern auch der Familienintegration: die selbstgebastelten Spielzeuge sind erste Geschenke für die Angehörigen und Kinder nach einer Haftentlassung oder bei Besuchen in der Anstalt.

Tanzszene im Theaterworkshop in der JVA Pankow Foto: Jarek Raczek
Tanzszene im Theaterworkshop in der JVA Pankow Foto: Jarek Raczek

Besonders beliebt ist das Theaterprojekt – das immer freitags ausgiebig probt und eine große Inszenierung vorbereitet. Unter dem Thema „Entscheidungen“ bereiten die Frauen eigene, selbszentwickelte Szenen und Dialoge vor.

Die „Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft“ begleitet und fördert das Projekt »Gefängnis-Kunst-Gesellschaft« in den Jahren 2011, 2012 und 2013 insbesondere mit den Trainings mit inhaftierten Frauen in der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Pankow . 2012 entstand der Film „Dornenkronen“, der erfolgreich im Kino Babylon aufgeführt wurde.

Über das Projekt

Träger des Projektes »Gefängnis–Kunst–Gesellschaft« ist der Verein minor – Projektkontor für Bildung und Forschung e.V.
Im Rahmen von Werkstatt-Bühnen unterstützen theater- und musikpädagogische Trainings Inhaftierte dabei, sich mit ihrer eigenen Biografie und ihrem Platz in der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Zentrales Ziel der Arbeit ist es, Perspektivwechsel der Inhaftierten und der Gesellschaft anzuregen.

Tanzszene im Theaterworkshop in der JVA Pankow  Foto: Jarek Raczek
Tanzszene im Theaterworkshop in der JVA Pankow Foto: Jarek Raczek

So sollen die Reintegration von inhaftierten Frauen und Männern in die Gesellschaft erleichtert werden, indem die Inhaftierten gesellschaftliche Meinungen und Prozesse besser verstehen und damit umgehen können und gleichzeitig die Gesellschaft offener für Menschen mit Strafvollzugserfahrung wird.
Das Projekt wird aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin und der Bundeszentrale für politische Bildung finanziert.
2013 endet das Projekt »Gefängnis-Kunst-Gesellschaft« und wird im Juni eine große Abschlußveranstaltung im Grünen Salon der Volksbühne Berlin begehen. Es ist geplant, am 14.06.2013 im Grünen Salon der Volksbühne Berlin die Arbeit aus denn drei Produktionszyklen zu präsentieren. Ein Theaterstück von Inhaftierten aus den offenen Vollzügen der Jugendstrafanstalt wird aufgeführt, und das aktuelle vorbereitete Theaterprojekt „Entscheidungen aus der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Pankow. In einer Diskussion mit dem geladenen Publikum soll über das Wirken der Theaterarbeit gesprochen werden. Film- und Fotomaterial sowie Songs und Texte aus den Zyklen »Vorbilder«, »Würde« und »Entscheidungen« werden gezeigt und vorgetragen.

Weitere Informationen:
Pressestelle Senatsverwaltung für Justiz

Projekt Gefängnis – Kunst – Gesellschaft

Wille gGmbH

Hinweise:
Die geplante Abschluß-Veranstaltung des Theaterprojektes richtet sich an ein geladenes Publikum.
Anmeldungen sind ab Mai 2013 unter minor@minor-kontor.de möglich.

Die Wille gGmbH nimmt gebrauchte PC´s, Drucker, Monitore und Computerzubehör für Recycling, Wiederverwertung und ggf. für eine fachgerechte Entsorgung entgegen. Funktionsfähige Computer werden für soziale Zwecke einer Wiederverwendung zugeführt.
Kontakt: info@diewille.de

m/s