Freitag, 19. April 2024
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Kulturverwaltung

Kuchenkommando
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Kuchenkommando stürm Kulturverwaltung

In der Berliner Senatskulturverwaltung in der Brunnenstraße kehrten heute rund 80 Künstlerinnen und Künstler ein, und trafen sich mit Kulturstaatssekretär André Schmitz. Anlass war, bei einem halben Stück Kuchen mit der Kulturverwaltung über eine gerechte Verteilung der Mittel im Berliner Kulturhaushalt zu sprechen. Die Koalition der Freien Szene sieht sich im Kulturhaushalt finanziell unterrepräsentiert – und pocht auf mehr Geld. Der halbe Kuchen symbolisierte die „gerechte Hälfte“ am „Kulturkuchen“.

Kuchenkommando stürm Kulturverwaltung

Seit mehr als 20 Jahren und noch länger besteht in der Kulturförderung der Stadt Berlin ein Missverhältnis zwischen der Förderung von etablierten und traditionellen Großinstitutionen (Theatern, Opern, Konzerthäusern, usw.) und den selbständigen Akteuren. Für die großen Häuser und Institutionen mit kaum mehr als etwa 1400 festangestellten Künstlerinnen und Künstlern ist also der größte Teil der Kulturförderung reserviert. 95% der Mittel gehen in eine Institutionelle Förderung der Großinstitutionen. Nur 5% der Mittel gehen in die Projektförderung, hiermit soll die große Vielfalt der Freien Szene auskommen …“ – das ist zu wenig zum Überleben.

Aufgerufen zu der Aktion hatten die Künstler am 18. März:

„Bei einem Stück Kuchen möchten wir Berliner Künstler und Künstlerinnen uns mit der Kulturverwaltung über die vielen offenen Fragen unterhalten, die uns gerade sehr bewegen. Zum Beispiel über die City Tax und die Aufteilung der Gelder für die Kultur.
350 Projektförderungen jedes Jahr wären als ein Beispiel über die City Tax finanzierbar.
Bringt bitte am 9. April Eure liebevoll gebackenen oder gekauften Kuchen zur Kulturverwaltung in der Brunnenstraße. Ob ein Stück oder einen ganzen Kuchen, dass ist Euch und Euren Portmonees überlassen. Wir sind auch vor Ort und freuen uns über viel Kuchen und anregende Gespräche. Eure Vorschläge, wie und wofür der Kuchen der City Tax aufgeteilt wird, halten wir gerne fest.
Es gibt viele Punkte über die wir uns darüber hinaus unterhalten möchten. Ein brennendes Thema wäre z.B. die einmalige Möglichkeit einer Umsteuerung der Kulturpolitik und einer neuen Schwerpunktsetzung zugunsten selbständiger Künstler und Kulturproduzenten.
Mit der gemeinsamen Aktion und der Teilnahme vieler Kulturschaffender möchten wir auf die Gespräche der Freien Szene mit der Kulturverwaltung an 9. April einwirken und unsere Ideen und Vorschläge am Ort des Geschehens mit einbringen. Wir, das Kuchenkommando, sind eine Initiative von Berliner Künstlern und Künstlerinnen. Bitte beteiligt Euch an der Aktion Kuchen teilen! “

Hintergund der Aktion ist die von der Senatskoalition angekündigte City-Tax, oder auch „Bettensteuer“. Deren Einnahmen aus dem Tourismus sollen künftig zur Kulturfinanzierung herangezogen werden. Die erwartete Summe von jährlich rund 20 Mio. € Einnahme aus der City-Tax hat natürlich sofort Begehrlichkeiten geweckt – und könnte die prekär finanzierte freie Kulturszene endlich auf stabilere Füße stellen. Auch könnten viele unsichere Beschäftigunsgverhältnisse in gesicherte Arbeitsverträge überfürht werden.

Wachsame Polizei

So ganz problemlos ging die friedlich geplante Aktion nicht vonstatten: erst riegelte die Polizei das Gebäude ab und nahm Personalien von Künstlerinnen und Künstlern auf – obwohl es nur um einen Dialog mit der Kulturverwaltung bei Kaffee und Kuchen ging.

Erst als der Hausherr auf sein Hausrecht verzichtete, konnte die Aktion erfolgreich starten. Staatssekretär Schmitz und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nahmen die Einladung zu Diskussion und Kuchen gut gelaunt an.

Kuchenkommando Polizeikontrolle vor der Kulturverwaltung
Foto: Kuchenkommando Polizeikontrolle vor der Kulturverwaltung – bbk-berlin

Das Kuchenkommando machte auch direkt seine Forderungen auf:

„Es geht um 50% der City Tax für freischaffende Künstlerinnen und Künstler und die Freie Szene.
Es geht um 350 jährliche Projektstipendien.
Es geht um Ausstellungshonorare.
Es geht um mehr!“

Kuchenkommando mit 50% Kuchen
Kuchenkommando mit 50% Kuchen – bbk-berlin

André Schmitz nahm die Aktion wohlwollend auf und reagierte souverän und war ein charmanter Gesprächspartner. Nur konnte er keine konkreten Zusagen machen. Auch er kennt die Mühen der Verwaltungsebene und die Steine, die noch im Weg liegen.

Tatsächlich ist die City Tax überfällig – und in der Senatsfinanzverwaltung tut man sich noch schwer, eine rechtssichere und umsetzbare, möglichst unbürokratische Gesetzesvorlage zu schaffen.

Die Schwierigkeit liegt im Detail: eine neue Rechtssprechung von 2012 verhindert, die City-Tax von Geschäftsreisenden zu erheben. Aber wie soll man Touristen von Geschäftsreisenden unterscheiden? Eine Datenabfrage nach dem Reisegrund ist aufgrund von Datenschutzgesetzen sehr fragwürdig. Obendrein wehren sich Hotellerie und Gaststättenverband gegen zusätzliche bürokratischen Aufwand beim Einchecken, Buchen und Abrechnen.

So werden noch einige Monate vergehen, bis sich eine Lösung für die City Tax überhaupt abzeichnet.

Kuchenkommando beim Teilen den Kuchens
Kuchenkommando beim Teilen den Kuchens – bbk-berlin

Forderungen der „Koalition der freien Szene“

In Erwartung einer bereits für Januar 2013 angekündigten City-Tax hat die „Koalition der freien Szene“ jedoch schon konkrete Forderungen erhoben, die am 30.10.2012 im Ballhaus Ost in Prenzlauer Berg verabschiedet wurden:.

Die Zukunft der Freien Szene: Zehn Punkte für eine neue Förderpolitik – Die Koalition der Freien Szene fordert:

  1. 50% der Einnahmen aus der City Tax.
  2. Kulturförderung aus der künstlerischen Praxis heraus. Entstandene Produktionsstrukturen bedürfen neuer Förderinstrumente:
    1. Eigenmittelfonds: Neuansatz: 1 Mio. Euro jährlich
    2. Förderetat für Wiederaufnahmen: Neuansatz: 0,5 Mio. Euro jährlich
    3. Fonds für Forschung, Recherche etc. :Neuansatz: 1 Mio. Euro jährlich
  3. Gewährleistung von Honoraruntergrenzen.
    1. Honoraruntergrenze Darstellende Kunst: Mehransatz: 4,5 Mio. Euro jährlich
    2. Ausstellungshonorare Bildende Kunst: Neuansatz: 1 Mio. Euro jährlich
    3. Projektförderung freie Musikszene: Mehransatz: 1,5 Mio. Euro jährlich
  4. Die Fördersysteme für Bildende Kunst müssen nachhaltige professionelle künstlerische Arbeit ermöglichen.
    Fonds zur Produktionsförderung: Neuansatz: 2,5 Mio. Euro jährlich
  5. Schaffung und Förderung von Orten mit eigenen Produktionsetats für die Freie Szene.
    Interdisziplinäre Ankerpositionen (Häuser und Räume): Neuansatz: 4,5 Mio. Euro jährlich
  6. Bezirkliche Kunst- und Kulturförderung muss erhalten und ausgebaut werden.
    Mehransatz: 1 Mio. Euro jährlich
  7. Ertüchtigung der Selbstverwaltungsstrukturen.
    Selbstverwaltungsstrukturen Mittelansatz: 0,15 Mio. Euro jährlich
  8. Die Liegenschaftspolitik muss zugunsten von Kultur und Stadt neu gedacht werden.
  9. Solidaritätsprinzip, Gerechtigkeit, Transparenz und Subsidiarität.
    1. Solidaritätsprinzip und Bereitstellung von institutionellen Infrastrukturen
    2. Gerechtigkeit und Transparenz, Subsidiarität
  10. Weitere Strukturvorschläge zur Förderung der Freien Szene:
    1. Hauptstadtkulturfonds – Freie Mittel für freie Strukturen!
    2. Fonds für kulturelle Vielfalt
    3. Förderinstrumente für die Literatur

Mittelansatz insgesamt: 17,65 Mio. Euro

Weitere Informationen:

Kuchenkommando-Blog

Koalition der Freien Szene: 10 Punkte

berufsverband bildender künstler berlin e.V. – bbk berlin
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m/s