Samstag, 20. April 2024
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Lobby-Arbeit, Täuschung der Öffentlichkeit am Pankower Tor

Ehemaliger Rangierbahnhof Pankow

Das Projekt „Pankower Tor“ kommt nicht richtig voran. Seit Jahren schon wird gedrückt, getrickst und getäuscht. Drei linke Volksparteien bekommen mit wechselnden Verantwortlichkeiten ein Großprojekt mitten in Pankow nicht in den Griff. Dabei gibt es durchgängige politischen Mehrheiten für SPD, Bündnis 90/Grüne und DIE Linke – mit einigen Gewichtsverschiebungen, die auch am Pankower Tor ihre Ursache fanden.

Das politische Grundsatzproblem: drei Parteien mit politischen Allzuständigkeitsanspruch kommen nicht dazu, die kommunale Planungshoheit nach guter fachlicher bundesdeutscher Planungspraxis gegenüber einem ausgefuchsten Investor wahrzunehmen und auch umzusetzen.

Lobbyarbeit unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit

Aktuell mischt sich nun wieder der Lobby-Verein Für Pankow e.V. in die Debatte ein, und versucht neuen politischen Druck aufzubauen. Dabei wird aber nicht „aufklärend und wahrhaftig“, sondern desinformierend agiert. Mit einer Unterschriftensammlung, der aber nur rund 1.000 Pankower Bürgerinnen und Bürger auf den Leim gegangen sind, ist der Verein eigentlich nur noch eine Randnotiz wert. In einer aktuellen Meldung vom 20.2.2018 heißt es: „Zig eingereichte Bauanträge wurden abgelehnt. Bisher siegte die Koalition der Verhinderer, genau wie auf der Elisabethaue. Da soll uns noch einmal jemand sagen, Pankow braucht Wohnungen und Schulen. Hier wird der Bau seit Jahren verhindert. Verantwortlich: Politik und Verwaltung. ES REICHT!“

Täuschung der Öffentlichkeit

Das Problem: Der Vorsitzende Thomas Brandt täuscht hier wider besseres Fachwissen die Öffentlichkeit! Es gibt nämlich noch gar keine Bauanträge, weil es noch kein Baurecht in Form eines verbindliches Bebauungsplanes gibt. 2016 wurde lediglich eine Änderung des Flächennutzungsplanes von Berlin in Aussicht gestellt wurde. Dazu wurde 2016 ein Rahmenvertrag mit dem Investorn Krieger in Verantwortung von Stadtentwicklungssenator Geisel und dem ehemaligen Baustadtrat Jens-Holger Kirchner abgeschlossen.

Was es gibt: viele städtebauliche Vor-Entwürfe, die aber schwere Genehmigungsmängel enthalten.

Der Vereinskollege des Investores und Baulobbyist Thomas Brandt versucht mit diesem Manöver, die Politik unter Druck zu setzen. Tatsächlich müsste aber der Investor unter Druck gesetzt werden, endlich eine passfähige und rechtssichere Planung vorzulegen.

Was alle Pankower Bürgerinnen und Bürger wissen müssen: die kommunale Planungshoheit ist ein hohes Gut. Das Baurecht ist noch immer so gestrickt, dass Allgemeinwohl und Abwägung aller Interessen in ein Vorhaben integriert werden müssen. Auch bricht Investoren-Recht nicht das Recht auf Bürgerbeteiligung – die hier seit Jahren unzureichend gehandhabt wird.

Kurz: „Nicht die Stadt schuldet dem Investor eine Baugenehmigung – sondern der Investor schuldet eine „genehmigungsfähige und durch Gutachten abgesicherte Planung“, die auch bei berechtigten Rechtswidersprüchen Dritter im Baugenehmigungsverfahren Bestand haben kann.

Für Pankow e.V.
Kurt Krieger: 100. Mitglied im „Für Pankow e.V.“ erhält die „Pin“ aus der Hand des Vorsitzenden Thomas Brandt – Foto: Screenshot aus der Internetseite des „Für Pankow e.V.“

Rahmenvertrag mit irreführenden Signalen

In dem Rahmenvertrag sind jedoch irreführende Formulierungen enthalten, die einen „Baufortschritt“ signalisieren. Die Formulierung „Das ca. 40 ha große Areal nördlich der Granitzstraße wird nach dem Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung bebaut. Das heißt, 25 Prozent der geplanten 1000 Wohnungen werden sozial gefördert und für 6,50 pro Quadratmeter angeboten. Der Investor beteiligt sich zudem an den Kosten für die soziale Infrastruktur wie Schulen und Kindergärten.“ Wer sich näher befasst, wird feststellen: das „Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung“ gilt vorrangig für reine Wohnungsbauvorhaben. In diesem Fall für rund 1000 Wohnungen auf der Baufläche.

Am Pankower Tor haben wir es aber mit etwa sehr viel Größeren zu tun: einem klassischen städtebaulichen Entwicklungsvorhaben, das Vorhaben des Bauherrn, Gemeinbedarfsflächen, Infrastrukturbedarf und eine Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur betrifft.

Städtebauliche Entwicklungsvorhaben sind keine „vorhabenbezogenen Bebauungspläne“, die nur zwischen Abteilung Stadtentwicklung und dem Bauinvestor ausgehandelt und normal im alltäglichen Baugenehmigungsverfahren verhandelt werden.

Der große Fehler am Pankower Tor: weder Investor noch Politik haben bisher erkannt, das es zwingend notwendig ist, ein derartiges große und raumbedeutsames städtebaulichen Entwicklungsvorhaben auch als solches zu behandeln. Das bedeutet: die städtebaulichen Wirkungen und Interessen müssen schon im städtebaulichen Entwicklungsplan untersucht und integriert werden.

Das aber erfordert kompetente und neutrale städtebauliche Fachplaner, Architekten und ggfs. auch städtebauliche Wettbewerbe, mit denen Zustände, Möglichkeiten und Chancen erkundet werden.

Wo bleibt die städtebauliche Planungskompetenz von Investor und Kommune?

Unter Regie des ehemaligen Stadtrats Jens-Holger Kirchner hatte man das schon erkannt, und ein Werkstattverfahren aufgelegt, dem aber vom Investor Krieger beständiger Widerstand entgegen gesetzt wurde. Die Moderatorin Prof. ElkePahl-Weber wurde herausgedrängt, notwendige neutrale Verkehrsgutachten wurden nicht beauftragt, weil sie für den Investor nachteilige Zahlen ergeben hätten. Insgesamt wurden im Laufe der Jahre über 22 städtebauliche Entwurfsplanungen vorgelegt, über die nun die Zeit, das Einwohnerwachstum und die Digitalisierung im Handel hinweg laufen.

Investor Krieger hatte damit alle Chancen gehabt, sich vom Möbelhändler zum städtebaulichen Investor zu wandeln, der auch auf die komplexen Anforderungen des Städtebaus reagieren kann. In dieser Königsdisziplin ist Krieger jedoch bisher am Pankower Tor gescheitert.

Zudem haben seine Abrißpläne für den Rundlokschuppen in Heinersdorf das Verhandlungsklima zwischen Bezirk, Denkmalschutz und einem „eigennützig-phantasiefreien“ Investor vergiftet.

Rundlokschuppen Pankow Heinersdorf
Panoramafoto (Ausschnitt) Rundlokschuppen Pankow Heinersdorf – Foto: pixabay

Heute ist das Gesamtvorhaben „Pankower Tor“ wegen wachsenden Gemeinbedarf, neuen Verkehrsplanungen und Verkehrsengpässen sowie den Planungen für neue Schule nund für das in Einzugsbereich geplante Kombibad obsolet. Ein umfassender Neustart ist notwendig.

Nach Lage der Dinge muss hier sehr langfristig im Voraus geplant und investiert werden. Das gesamte Zentrum von Pankow zwischen Wollankstraße und Pankow Heinersdorf, zwischen Bürgerpark und Schloßpark und Pankow-Süd muss als städtebauliches Entwicklungsgebiet betrachtet und neu beplant werden. Gemeinbedarf, Grün, übergeordnete Radwege, Klimaschutz, Mischung von Wohnen und Arbeiten, Handel, Gewerbe und Kultur und vieles mehr sind neu zu bedenken.

Inzwischen kommt das Vorhaben auch schrittweise neu in Gang: erst Anfang Februar wurde die Planung für eine neue Straßenbahnlinie von Pankow nach Weißensee beauftragt. Es ist eine Planung, die unmittelbar auch Voraussetzungen und neue Restriktionen für das Projekt Pankower Tor schafft. Vor allem wird ein Planfeststellungsverfahren benötigt, das auch die neue Verkehrsführung und Haltestellenplanung am Nadelöhr am S-Bahnhof Pankow beinhaltet. Das braucht zu zwei Jahre Zeit.

Die Dimensionierung des Knotenpunktes am S-Bahnhof Pankow muss nun vorerst ohne verlässliche Plandaten des Investors erfolgen.

Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme: Pankower Tor ein Fall für das besondere Städtebaurecht

Diese Zeit muss nun genutzt werden, um eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme in Gang zu setzen, bei der auch der Steuerzahler bei Investítionen in Vorleistung gehen muss. Ohne Baurecht sind die Grundstücke vielleicht 50 Mio. € wert. Mit Baurecht erwächst ein Planungswertzuwachs, der auch vom Land Berlin abgeschöpft werden muss. Die Begünstigung von Investoren durch Verzichte auf Planungswertabschöpfungen in Berlin muss aufhören – damit die gewonnenen Mittel in Gemweinbedarf und soziale Stadtentwicklung fließen können. Es ist für Berlin und Pankow eine Win-Win-Situation, an der ein kooperativer Investor seinen Anteil realisieren kann.

Doch ganz so einfach, wie es sich der baupolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Andreas Otto im Berliner Abgeordnetenhaus vorstellt, geht es nicht. Sein „Pankow-Plan“ greift zu kurz! Um eine Planung gegen den Investor umzusetzen, kommt man auch nicht darum herum, erst die rechtlichen Voraussetzungen für die Anwendung des besonderen Städtebaurechts zu schaffen. Es ist aber ein Verfahren, das die realen kommunalen Planungskapazitäten und die bezirkspolitischen Kompetenzen in der BVV schier überfordern muss.

Vor allem ist dabei interessant, dass nicht ein Wort zum Grünflächenausgleich und zum Klimaschutz fällt!

Allein eine „Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme“ nach §§ 165-171 BauGB öffnet einen neuen Weg aus einer sehr verfahrenen Situation! Die Situation am Rundlokschuppen ist dabei inzwischen derart strittig, zwischen Investor und Bezirk Pankow, dass für die Teilflächen nördlich der Prenzlauer Promenade sogar die rechtlichen Voraussetzungen erwachsen, um ein Enteignungsverfahren in Gang zu setzen.

Lesen sie demnächst:

Städtebauliches Entwicklungsvorhaben „Pankower Tor – Heinersdorfer Tor“:
Leben, Wohnen, Arbeiten, Lernen und Baden in der Zukunftstadt Pankow