Freitag, 19. April 2024
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Mietrecht: Rauchen als Pflichtverletzung?

Rauchen in der Wohnung

In den letzten Wochen wurde in den Medien der „Raucherfall“ von Düsseldorf thematisiert. Ein Düsseldorfer Vermieter hatte einen Mieter nach einer fristlosen Kündigung auf die Räumung seiner Wohnung verklagt, da aus seinem Raucherverhalten eine nicht unerhebliche Gesundheitsgefahr für die anderen Mitbewohner des Hauses resultierte. Das Amtsgericht hat der Klage des Vermieters am 01.08.2013 unter dem Aktenzeichen 24 C 1355/13 stattgegeben. Kürzlich wurde in den Medien über einen ähnlichen Fall berichtet, der derzeit beim Amtsgericht Rathenow anhängig ist.

Rauchen in der Wohnung
Rauchen in der Wohnung bleibt erlaubt - aber der Rauch darf niemand belästigen!

Welches Fehlverhalten von Mietern ist sanktionsbewehrt – Art und Umfang

In einem Wohnhaus gelten für das Verhalten der Mieter Regelungen, die in der Hausordnung festgeschrieben sind. Die Hausordnung betrifft die Nutzung der Mietsache selbst, den Umgang der Hausbewohner untereinander, die Nutzung der Gemeinschaftsräumlichkeiten und die „Ruhezeiten“. Darüber können Hausordnungen Regelungen enthalten, ob und wo in dem Mietobjekt an allgemein zugänglichen Stellen geraucht werden darf. Es kommt entscheidend auf den Einzelfall an.

Da die Hausordnung als „Pflichtenkatalog“ wirksam mit dem Mieter vereinbart wird, sind Verstöße „sanktionsbewehrt“. Verstöße dagegen sind z.B. Ruhestörungen während der allgemeinen Ruhezeiten zwischen 13 Uhr und 15 Uhr und zwischen 22 Uhr und 7 Uhr. Bei der Beurteilung der „Schwere“ einer Pflichtverletzung kommt es auf die Intensität und Häufigkeit der Verstöße an. Ein Vermieter ist nicht pauschal zur Kündigung, wenn nicht sogar fristlosen Kündigung eines Mietverhältnisses berechtigt. Denkbar sind zunächst Ermahnungen oder eine Abmahnung.

Stellt das „Rauchen“ überhaupt eine relevante Pflichtverletzung aus dem Mietverhältnis dar?

In dem Düsseldorfer Fall hat der Vorsitzende Richter das starke Raucherverhalten als erhebliche Pflichtverletzung bewertet. Eine Pflichtverletzung als solche liegt nach dem allgemeinen Verständnis dann vor, wenn zum einen die Pflichten aus dem Mietvertrag nachhaltig verletzt werden oder Mitbewohner in nicht unerheblicher Weise in einer individuellen Rechtsposition beeinträchtigt werden (Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht 7. Auflage 2013, § 543 Rnr.68f.). Dies könnte z.B. der Fall sein, wenn ein Mieter billigend in Kauf nimmt, dass von seinem Verhalten eine Gesundheitsgefährdung für die anderen Mitbewohner des Hauses droht. Von dieser Prämisse ist das Amtsgericht Düsseldorf in der Entscheidung ausgegangen. Der „starke Rauch“ zog durch die Türritzen in das Treppenhaus und somit in allgemein zugängliche Räumlichkeiten.

Das Recht zur fristlosen Kündigung eines Mietvertrages folgt aus den Vorschriften der §§ 569 Abs.3, 543 Abs.1 BGB und setzt eine erhebliche Pflichtverletzung der mietvertraglichen Pflichten voraus. Somit müsste dieser Rechtsgedanke dazu führen, dass auch das Rauchen in einer konkreten Form als erhebliche Pflichtverletzung zu bewerten ist. In der Rechtsprechung ist für den Fall der fristlosen Kündigung wegen einer erheblichen Gesundheitsgefährdung anerkannt, dass bei einer außerordentlichen Kündigung die gesundheitliche Beeinträchtigung des Mieters entscheidend ist. (BGH Urt. vom 17.12.2003 – XII ZR 308/00).

Ferner stellt sich die Frage, ob Rauchen vom vertragsgemäßen Gebrauch umfasst ist (§ 538 BGB). Dies ist grundsätzlich zu bejahen, solange die Parteien des Mietvertrages keine abweichende Vereinbarung getroffen haben (BGH v. 28.06.2006 VIII ZR 124/05; Lützenkirchen, in Lützenkirchen Mietrecht Kommentar 2013, § 535 BGB, Rnr.554f.). Demnach stellt das Rauchen nicht ohne weiteres einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache dar. Selbst übermäßiges Rauchen wird als vertragsgemäß angesehen – sogenannter „Raucherexzess“ (Lützenkirchen, in Lützenkirchen Mietrecht Kommentar 2013, § 535 RNr.554f.). Dies lässt im Gegenzug den Rückschluss darauf zu, dass ein generelles „Rauchverbot“ in der Hausordnung nicht ohne Prüfung – „Nichtraucherhaus“ – durchsetzbar sein dürfte.

Die Sichtweise des Amtsgerichts Düsseldorf als Präzedenzfall?

Das Amtsgericht Düsseldorf hat den Anknüpfungspunkt für den Verstoß gegen die mietvertraglichen Pflichten darin gesehen, dass für die anderen Bewohner des Mietshauses eine erhebliche Gesundheitsgefahr drohte (Urteil AG Düsseldorf vom 01.08.13 – Aktenzeichen 24 C 1355/13). Eine Beweisaufnahme hat das Gericht nicht durchgeführt. Es sei „unstreitig“ gewesen, dass für die übrigen Bewohner des Wohnhauses von dem „Raucherverhalten“ des Beklagten und den aus der Wohnung „dringenden Zigarettenrauch“ eine „erhebliche Gesundheitsgefahr“ ausgegangen sei. Der Zigarettenrauch verteilte sich über die Türspalte in das Treppenhaus und somit in allgemein zugängliche Räum-lichkeiten.

Vor dem Hintergrund, dass der Entscheidung ein Einzelfall zugrunde lag, dürften sich künftige Tendenzen der Rechtsprechung für vergleichbare Fälle nicht ohne weiteres ableiten lassen. Das Amtsgericht Düsseldorf hat in seinem Urteil keinen verbindlichen Leitsatz aufgestellt. Es ist davon auszugehen, dass es in vergleichbaren Fällen auf ein Sachverständigengutachten, einen Ortstermin oder die Vernehmung von betroffenen Zeugen ankommen dürfte. Entgegen der Ansicht vieler Artikel in den Medien und der Fachpresse, lässt sich ein „generelles Rauchverbot“ somit nicht rechtfertigen.

Jeder Einzelfall bedarf einer sorgfältigen Prüfung. Eine Gefährdung „Dritter“ dürfte nicht bereits dann vorliegen, wenn sich der Zigarettenrauch eher „zufällig“ zu anderen Mietern ausbreitet. Etwas anderes hingegen dürfte hingegen nur dann gelten, wenn der Raucher sein Rauchverhalten in der Weise aus-richtet, dass der Zigarettenrauch eher „ungehindert“ andere Mitbewohnern in dem Haus beeinträchtigt z.B. im Treppenhaus, Kellerbereich oder in der allgemein zugänglichen Außenanlage. Differenziert dürfte die Betrachtung vorzunehmen sein, wenn ein Mieter auf seinen Balkon zum „Rauchen“ geht und der Rauch ungehindert in die Mieträumlichkeiten anderer Bewohner abzieht. Auch hier lässt sich eine „pauschale Aussage“ nicht treffen. Es wird sich zeigen, wie die Instanzenrechtsprechung diese Problematik in den nächsten Monaten behandelt, oder der Düsseldorfer Fall ein Einzelfall bleibt.

Welche Verantwortung trifft den Vermieter im Einzelfall – Beschaffenheit der Mietsache

Im Normalfall muss eine Eingangstür so beschaffen sein, dass der Zigarettenrauch nicht ungehindert in das Treppenhaus gelangen kann. Gemäß § 535 BGB schuldet der Vermieter die Überlassung der Mietsache zur Nutzung in einem vertragsgerechten Zustand. Das bedeutet, dass von der vertragsgemäßen Nutzung einer Wohnung keine Beeinträchtigung für die anderen Bewohner ausgeht. Bei einer „undichten Tür“ könnte durchaus ein Mietmangel gemäß § 536 BGB zu sehen sein. Der Vermieter dürfte daran gehalten sein, die Störungsquelle bei der Substanz des Wohnobjektes zu suchen. Das Rauchverhalten als solches stellt noch keinen Mietmangel dar, wenn der Zigarettenrauch sich aufgrund der „biophysikalischen“ Bauweise ausbreitet (AG Wennigsen, Urt. v. 14.09.2001 – 9 C 156/01).

Fazit

Aus dem Düsseldorfer Urteil lässt sich noch kein genereller Rückschluss „pro“ oder „contra“ auf ein zulässiges Rauchverhalten in einem Mietshaus ableiten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Beklagte hat gegen das Urteil Berufung zum Landgericht Düsseldorf eingelegt. Auch Vermieter sind dazu verpflichtet, mögliche Ursachen für eine Störungsquelle z.B. mangelhafte Türabdichtungen zu ermitteln und im Hinblick auf die übrige Hausgemeinschaft für Abhilfe zu sorgen. Zwar gilt grundsätzlich das Rücknahmegebot. Ein generelles „Rauchverbot“ würde aber zu „weitreichend“ sein. Vielmehr gilt es einen vertretbaren Konsens zu finden. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung zu diesem „Themenkomplex“ weiter entwickeln wird.

RA Kai-Uwe Agatsy
RA Kai-Uwe Agatsy

Der Autor ist Rechtsanwalt in Berlin mit Tätigkeitsschwerpunkten im Mietrecht, Zivilrecht, Unternehmensrecht, IT-Recht
Kanzlei im Bötzowviertel
Rechtsanwalt Kai-Uwe Agatsy
Bernhard-Lichtenberg-Straße 14
10407 Berlin-Prenzlauer Berg

m/s