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Pankower Parteien ohne „System-Kompetenzen“ im Krisenmodus

Social Analysis der Kommunalpolitik

/// Kolummne /// – In der Pankower Allgemeine Zeitung wurde am 4. April 2017 ein „Internet-Benchmarking: Pankower Parteien“ angekündigt. Die Ergebnisse der nicht repräsentativen Auswertungen wurden nicht wie geplant vor der Bundestagswahl veröffentlicht, um das Wahlverhalten nicht zu beeinflussen.

Die vorliegenden Ergebnissse des laufenden Benchmarking der Parteien betreffen folgende Kenn-Daten und -zahlen:

– Mitgliederzahl (Relation zu Wählern und Einwohnerzahl)
– Internet-Präsenzen
– Social-Media-Präsenzen, Qualitätsdaten, Likes, Aktivitäten
– Foto-Stream
– Markante SocialMedia-Posts
– Themen-Setzungen
– Wahlprogramm und Schwerpunkte
– Kohärenz und inhaltliche Tiefe
– Personaltableau & vorhandene Berufskompetenzen
– Politische Zuständigkeit, lokaler Schwerpunkt
– Lobby- und Vergabepolitiken
– Wertebezug: Verfassung, Gesetze, Staat, Gemeinwohl, Sicherheit.

Methodik, Ergebnisse und Trends (Momentaufnahme bis 31.8.2017)

Das Internet-Benchmarking wird auf die Daten der sozialräumlichen Planungskoordination projeziert, die öffentlich sind. Sobald die amtlichen Wahlergebnisse eingearbeitet sind, liegt praktisch ein „kommunalpolitischer Scan“ des Bezirks Pankow vor. Da nur presseöffentliche Daten verarbeitet wurden, sind keine datenschutzrechtlichen Fragen berührt worden. Die vorliegenden Ergebnisse werden noch weiter ausgewertet und fortgeschrieben. Die ersten Ergebnisse und Trends werden hier zusammen gefasst.

Einwohnerzahl, politische Aktivität und Partizipation
Gemessen an der Einwohnerzahl (per 30. Juni 2016) von 394.816 Einwohnern sind alle politischen Parteien „zu klein für den Großbezirk“.
Die Gesamtzahl von Parteimitgliedern und politisch dauerhaft aktiven Bürgerinnen und Bürgern liegt unter 1,4 Prozent (ca. 5.525 Personen). Für eine ausgewogene Bürgerkommune mit einem guten Demokratie-Index, hohen Partizipationsgrad (P) und Wettbewerbsgrad (W) müssten mindestens 2,5% aktive Bürgerinnen und Bürger dauerhaft politisch aktiv sein (ca. 9.870 Personen). Die politischen Parteien in Pankow sind derzeit insgesamt zu schwach, um eine „gut funktionierende Bürgerkommune“ zu organisieren.

Da kommunalpolitische Arbeit vorwiegend ehrenamtlich organisiert ist, bestehen grundlegende sozioökonomische Restriktionen:

– personell, zeitlich und fachlich sind die Parteien gemessen an den Anforderungen überdehnt,
– gleichzeitiger starker Zuzug, Erneuerung und Zuwanderung bremsen die personelle Erneuerung bei Altparteien*,
– organisierter Zuzug überwältigt instabile alte kommunalpolitische Strukturen (sichtbar bei der FDP & SPD),
– ehrenamtliche Betreuung und Integrationsarbeit treten personell in Wettbewerb zur Kommunalpolitik,

Um Demokratie-Defizite nicht weiter anwachsen zu lassen, müssen alle Parteien mehr Partizipation anstreben und zugleich intensiv um Nachwuchs werben.

Schwäche der Verwaltung und fehlende Systemkompetenzen

Auch die Verwaltung ist durch wachsende Aufgaben, neue Anforderungen, Sparpolitik und Generationenwechsel im Stadium der Überforderung. Zusammen mit der Schwäche der Parteien schwinden notwendige Systemkompetenzen. Notwendige System- und Entscheidungskompetenzen der Kommunalpolitik werden nicht, oder zu spät ausprägt.

Ablesbar ist dies an vielen Schlüsselbereichen und Projekten:

Es gibt in Pankow noch immer keine längst überfällige Leitbild-Diskussion und keine städtebaulichen Leitbilder. Investoren setzen damit Bedingungen, die eigentlich durch kommunale Planungshoheit vorbereitet und demokratisch legitimiert werden müssen.

Beim größten Entwicklungsvorhaben „Pankower Tor“ ist man nicht in der Lage, die kommunale Planungshoheit im Sinne des Baurechts wahrzunehmen, und das Projekt städtebaulich zu integrieren. Ausgerechnet am Pankower Tor verzichtet man auf ein INSEK-Verfahren, das alle Restriktionen und Chancen offenlegen würde, und den städtebaulichen Anforderungs-Rahmen für den Investor verbindlich machen würde.

Das Leitthema „CO2-neutrales Bauen“ und „Nachhaltigkeit“ in der Architektur von öffentlichen und privaten Bauten ist in Pankow trotz starker politischer Vertretung nicht auf der tagespolitischen Agenda.

Obwohl man schon lange Wohnbau-Flächenpotentiale festlegt, und tausende von Baugenehmigungen erteilt, gibt es noch immer kein Konzept zur Klimaanpassung und zur Anpassung der Regenwasserwirtschaft in Baugenehmigungsauflagen, wie jüngst am Zustand des Wei0en Sees ablesbar war.

Die Umsetzung des Konzepts „Bürgerkommune“ hinkt schon jetzt fünf Jahre hinter Potsdam her, das mit praktisch ähnlichen Grundkonstellationen der Parteien sehr viel besser regiert wird. Die für die Partizipation bedeutende Einführung eines Bürgerhaushaltes soll nun zwei weitere Jahre in die Zukunft vertagt werden. Hier wird die Systemschwäche aller Pankower Parteien offenbar. Leider wird damit aber auch das bedeutendste Instrument zur kommunalpolitischen Nachwuchsförderung nicht in Gang gesetzt.

Im Schulbau spielen pädagogische Zukunftskonzepte von Schularchitektur praktisch keine Rolle. Stattdessen werden Prioritäten über Termine, Kosten, Baufenster und Verfügbarkeit von Systembauten festgelegt (MEB).

Ein Tourismuskonzept für Pankow wird ein Jahrzehnt praktisch nur durchgewinkt, ohne Analyse und Entwicklungsplan und ohne wirtschaftliche Wertschöpfungsanalyse und kontinuierliche Verbesserung des für die Wirtschaftsförderung und Kultur so wichtigen Bereichs.

Die Kraft für einen Kulturentwicklungsplan ist praktisch in den letzten beiden Legislaturperioden aufgebraucht worden. Inzwischen wirken Gentrifizierung, steigenden Mieten und Wettbewerbsdruck ungebremst und ungesteuert auf Akteure und Träger der Kultur ein.

Im Bereich des städtebaulichen Milieuschutz ist man aktuell nicht in der Lage, die Schutzziele und Instrumente des besonderen Städtebaurechts im Sinne der Mieterschutzinteressen einheitlich und im Baudetail wahrzunehmen.

Wichtige Kernaufgaben des Staates wie etwa der Brandschutz an Schulen wurden über mehrere Legislaturperioden vernachlässigt.

Die für die Mietenentwicklung notwendige Neubautätigkeit wird durch fehlende politische Konsequenz weiter ausgebremst, statt beschleunigt.

Kommunalpolitik im Krisenmodus

Pankow ist exemplarisch für eine Kommunalpolitik im Krisenmodus, die auch durch grundlegende „Politikschwächen“ mit verursacht wird. Durch den personellen Wandel der Verwaltung sind auch personell-politische Kontinuitäten zwischen Kommunalpolitik und Verwaltung am Aufbrechen. Im Stadium der beiderseitigen Überforderung und fehlender zeitlicher Entscheidungsspielräume wachsen Handlungsdruck und Fehlerursachen. – Alle Pankower Parteien müssen auf diese Lage Antworten finden.

Ein möglicher Weg könnte darin bestehen, drängende Problembereiche durch parteiübergreifende und bürgeroffene Klausurtagungen, Fachkonferenzen und Seminare an Kommunalakademien zeitnah zu verhandeln und kommunizierbar zu machen. Politik und Verwaltung müssen sich dabei neu kennenlernen und gemeinsam einarbeiten.

Das Liegenlassen von strategischen handlungsleitenden Themen der Kommumalpolitik sorgt nach und nach für eine immer höhere Ressourcenbelastung (Personal, geneinsame Kommunikations- und Entscheidungszeit) und für sinkende Entscheidungsqualitäten und immer längere Beratungsfolgen und wachsende Führungsprobleme.

Alle Parteien müssen gemeinsam Auswege aus dem Krisenmodus finden und vorbereiten.

Fortsetzung folgt

Social Analysis der Kommunalpolitik in Pankow – Teil I (bis 31.8.2017)
mit Internetbenchmarking Politikschwächen analysieren

Die Auswertung wird auf Anfrage gegen Selbstkosten-Erstatttung (357,– € inkl. MWST.) vertraulich an jeweilige Parteivorstände übermittelt: redaktion@pankower-allgemeine-zeitung.de

* personelle Erneuerung bei Altparteien wird z.T. durch kommunikative Abschottung gebremst