Dienstag, 19. März 2024
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Pankower Tor: wo Wohnen Krötenleben kostet!

Pankower Tor - Erdaushub und Aufschüttungen

Auf dem Gelände des ehemaligen Rangierbahnhof Pankow war seit Anfang Februar schweres Baugerät der Firma RWG I aus Neukölln im Einsatz. An der Prenzlauer Promenade wurde ein ehemaliges Büro-Gebäude der DB AG rückgebaut. Bagger und Erdbaumaschinen waren im Einsatz. Bäume wurden gefällt, Gehölz und Gestrüpp wurden entfernt, und auf großen Flächen wurde der Oberboden entfernt. Es wurden große Vorbereitungen zur Baufreimachung unternommen.

Pankower Tor - Erdaushub und Aufschüttungen
Pankower Tor – Erdaushub und Aufschüttungen am 25.5.2016

Am 8. März 2016 sollten schon vollendete Tatsachen geschaffen sein, der Verein für Pankow e.V. hatte zur „Bürgerveranstaltung zum Güterbahnhof Pankow und zur Elisabethaue“ in Ossietzky-Gymnasium eingeladen, auf der die Einigung zwischen Investor und Senatsverwaltung und Umwelt über das Bebauungskonzept vorgestellt werden sollte. Die Aula des Gymnasiums war überfüllt, viele interessierte Bürgerinnen und Bürger mussten leider draußen bleiben.

Drinnen redeten Andreas Geisel, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Jens-Holger Kirchner, Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Frau Dr. Ursula Flecken von der Planergemeinschaft Kohlbrenner eG. Es moderierte Nils Busch-Petersen, der als Geschäftsführer des Handelsverbandes bestens über Zentrenentwicklung informiert ist.
Star der Versammlung war Kurt Krieger, Eigentümer und Projektentwickler des Geländes des ehemaligen Güterbahnhofes Pankow, das nach seinen Vorstellungen neu bebaut werden soll. Krieger war an diesem Abend auch in seiner Eigenschaft als „Bau- und Umweltsünder“ anwesend, denn die Erdbauarbeiten waren ohne Baugenehmigung begonnen worden.

Bereits am 22. Februar 2016 war ein Baustopp von der zuständigen Naturschutzbehörde im Bezirk Pankow verhängt worden, die in der Zuständigkeit von Stadtrat Dr. Torten Kühne (CDU) liegt.

Pankower Tor nach Baustopp am 25.4.206
Pankower Tor nach Baustopp am 25.4.206: nicht genehmigte Erdaufschüttungen
Pankower Tor nach Baustopp am 25.4.206
Pankower Tor nach Baustopp am 25.4.206: Feuchtflächen planiert – Amphibien platt gewalzt?

Planungsrechtliche Situation und Ordnungswidrigkeiten

Das Gelände des ehemaligen Rangierbahnhofes Pankow ist zur Zeit noch immer planungsrechtlich „Bahngelände“. Eine Baugenehmigung liegt noch nicht vor. Nur die Abbrucharbeiten am Bürogebäude Prenzlauer Promenade waren angemeldet und genehmigt worden. Zwar steht eine Baugenehmigung in Ausssicht, aber zu dem am 8. März 2016 im Ossietzkygymnasium vorgelegten 26. Planentwurf gibt es noch keine Genehmigungszusage, weil die Planung noch gar nicht baugenehmigungsreif ist.

Stadtrat Dr. Kühne teilte auch auf Anfrage mit:

„Die Beräumungsmaßnahmen waren mit dem Umwelt- und Naturschutzamt vorweg nicht abgesprochen und genehmigt gewesen. Das Amt hat nach Kenntnis dieser Maßnahmen sofort einen Baustopp verhängt und auch ein Ordnungswidrigkeitsverfahren angestrengt.“

Nach § 62 der Bauordnung Berlin unterliegen „Aufschüttungen und Abgrabungen“ der Baugenehmigungspflicht. Auch hier wurde ohne eine Genehmigung und ohne abgestimmtes Konzept großräumig das Geländeprofil verändert. Bei einer fachgerechten Planung und Bauausführung sind zuvor Geländehöhen und Bauhöhen abzustecken, aber selbst für eine Geländevermessung durch ein Vermessungsbüro fehlen bislang auf den Gelände jegliche Anzeichen.

Für die Planungen der beabsichtigten Baumaßnahmen ist wiederum die Abteilung Stadtentwicklung im Bezirksamt zuständig. Wieso Stadtrat Kirchner bisher nicht baurechtlich interveniert hat, und und wieso er den Bauherrn im Rahmen umfangreicher Vorberatungen zum Vorhaben Pankower Tor nicht aufgeklärt hat, ist noch offen.

Pankower Tor nach Baustopp am 25.4.206
Pankower Tor nach Baustopp am 25.4.206: Amphibien und Kröten planiert, aufgewühlt, im Winterschlaf lebendig im Erdreich zerdrückt?

Naturschutzauflagen, Biotop- und Artenschutz

Im Jahr 2012 war zu letzt ein umfangreiches Natur- und Artenschutz-Gutachten erstellt worden, denn auf dem Baugelände sind mehrere streng geschützte Arten nachgewiesen worden, u.a. das einzige noch verbleibene Vorkommen der Kreuzkröte.

Das Gutachten wurde von Herrn Jens Scharon, Artenschutzbeauftragter beim NABU Berlin, von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt beauftragt. Er ist auch mit der Planung (Umfang und Zeitraum) und Umsetzung der Maßnahmen zu Sicherung der Kreuzkrötenpopulation beauftragt. Dazu gehören die fachliche Prüfung der möglichen Ersatzflächen, das Stellen der Fangzäune sowie der Organisation von Technik und des Transportes der Tiere.

Dieser gutachterliche Auftrag war auch dem Investor Krieger und den zuständigen Projektleitern der KGG Grundstücksgesellschaft bekannt – damit auch die damit verbundenen Schutzzwecke und Auflagen.

Pankower Tor nach Baustopp am 25.4.206
Pankower Tor nach Baustopp am 25.4.206: großflächiger Eingriff ohne Genehmigung und fachliche Begleitung

Schriftliche Anfrage im Abgeordnetenhaus von Berlin

Eine Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Turgut Altug (Bündnis 90/Grüne) vom 08. April 2016 mit dem Titel „Quo Vadis: Neugestaltung des ehem. Rangierbahnhofs Pankow?“ (Drucksache 17 18364) Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. April 2016) förderte interessante Informationen zutage.

Die Antwort auf Frage 4 war besonders aufschlu0reich:

„Frage 4: Das Habitat welcher ggf. geschützter Tier- und Pflanzenarten befindet sich auf dem Gelände und welche Maßnahmen sind zu ihrem Schutz geplant?
Antwort zu 4: In einer Untersuchung im Jahre 2012 wurden 21 geschützte Vogelarten, zwei geschützte Reptilienarten und ebenfalls zwei geschützte Amphibienarten, darunter vor allem die Kreuzkröte, die hier ihr einziges Vorkommen in Berlin hat, nachgewiesen.
Da noch kein abschließendes Nutzungs- und Erschließungskonzept vorliegt, wird zurzeit noch nicht an einem Maßnahmenkonzept zum Schutz der geschützten Tierarten gearbeitet.“

Zum Zeitpunkt des Eingangsdatums 11.April 2016 waren längst vollendete Tatsachen geschaffen, der verhängte Baustopp lag schon drei Wochen zurück. Der NABU-Berlin hatte übrigens Ende März öffentlich über die begonnene Saison der Krötenwanderung informiert und Autofahrer gewarnt (Pankower Allgemeine Zeitung 31.3.2016).

Offensichtlich war der Abgeordnete Altug in der Antwort auf seine Anfragen nicht über den tatsächlichen Stand informiert worden.

Fläche am am DB AG Gelände am 25.4.206
Fläche am am DB AG Gelände am 25.4.206: Stop für Bagger – ein Flatterband schützt verbliebene Natur am Zaun

Bezirksstadtrat Kühne konnte nur unbestimmt antworten, als die Größe des Eingriffs nachgefragt wurde: „Maßnahmen fanden auf dem Gelände „Pankower Tor“ zwischen S/U-Bhf. Pankow und Retzbacher Weg statt.“

Auf die Frage „wieviele Kreuzkröten und wie viele Quadratmeter Biofiotopfläche von Baumassnahmen betroffen sind“, konnte keine Zahl genannt werden:

„Es ist nicht bekannt wie viele Individuen die Kreuzkrötenpopulation auf dem Pankower Tor Gelände umfasst.“ Und „Es ist nicht bekannt, ob es zur Tötung von Kreuzkröten durch die Arbeiten in der Woche vom 22.02.2016 kam, da die Tiere sich derzeit noch in tieferen Schichten des Erdbodens befinden. Es wurden bisher keine toten Tiere gefunden.“

Aufgrund der großflächigen Erdarbeiten auf dem Gelände und der Aussagen von Stadtrat Kühne muss somit geschlussfolgert werden, dass eine „unbekannte Zahl“ geschützter Erdkröten und Amphibien sowie eine unbekannte Zahl geschützter Reptilienarten durch die Erdarbeiten „lebendig begraben“ und „plattgewalzt“ wurden.

Da bei den Erdarbeiten auch die Wasserstellen im Gelände beseitigt wurden, können von außen zuwandernde Amphibien und vor allem Erdkröten auf dem Gelände nun auch keine neuen Laichplätze finden, abgesehen von einer wassergefüllten Betonwanne einer ehemaligen Reifenwaschanlage und einer „Pfütze“ auf planierten Gelände neben dem Neubau des Bauaktenarchivs der DB AG..

Quo Vadis: Neugestaltung des ehem. Rangierbahnhofs Pankow?

Der Abgeordnete Altug muss sich angesichts der auf der Baustelle geschaffenen Realitäten nun vom Senat regelrecht auf den Arm genommen fühlen. Auf die Frage, welche „Maßnahmen zum Schutz, Erhalt, ggf. Umsiedlung sind getroffen worden, bzw. werden geplant?“, erhielt er folgende Antwort:

„Es werden von Seiten der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt vorgezogene Maßnahmen für die Kreuzkröten ab 2016 geplant, die ein Absammeln und Umsetzen der Tiere in zur Zeit noch zu prüfende und festzulegende mögliche Ersatzgebiete in Berlin vorsehen. Dazu wurde mit den Verantwortlichen der Krieger GmbH im März diesen Jahres Kontakt aufgenommen.“

Investor Krieger bricht eigene Versprechen von 2011

Investor Krieger hat mit den ungenehmigten Baumaßnahmen und den nicht eingehaltenen Auflagen zum Arten- und Biotopschutz seinem Vorhaben einen schweren Schaden zugefügt. Das Vorhaben wird offensichtlich rücksichtslos und nach Gutsherrenart gemanagt. „Pankower Tor: wo Wohnen Krötenleben kostet!“

Screenshot: PANKOWER TOR NEWS
Screenshot: PANKOWER TOR NEWS vom 31.8.2011: Die Kreuzkröte soll am Pankower Tor erhalten bleiben | www.pankower-tor.de/news.html

Ein noch größerer Bauherr zeigt dabei in unmittelbarer Nachbarschaft, wie vorbildlich Bauherren mit einem projektleitenden verantwortlichen Planer und mit eingeschalteten Landschaftsplanern beim Neubau des Bauaktenarchivs der DB AG vorgehen. Hier ist die Baustelle von einem Amphibien- und Reptilienschutzzaun umgeben, damit die nach Laichplätzen suchenden Tiere nicht in die Neubaustelle einwandern.

DB AG Baustelle am 25.4.206
DB AG Baustelle Bauaktenarchiv am 25.4.206 mit Amphibienschutz am Bauzaun. Die Pfütze lockt nun Erdkröten an – ungeschützt ein Fressen für Krähen

Was ist los am Pankower Tor?

Die Antworten des Senats auf die Fragen des Abgeordneten Altug (Drucksache 17 / 18 364) werfen noch weitere grundsätzliche Fragen auf, denn im sechsten Jahr nach dem Flächenwerwerb hat Krieger noch immer keine genehmigungsfähie Bauplanung vorliegen. Ist Pankow etwa nur ein Spielball im Berliner Flächempoker um neue Möbelmärkte?

Die Verhandlungen zur Entwicklung des ehemaligen Rangierbahnhofs Pankow werden durch das Bezirksamt Pankow geführt, das bedeutet, es gibt noch keine laufende Baugenehmigung, die binnen Dreimonatsfrist bearbeitet werden muss. Es gibt auch noch kein Grünflächen- und Nutzungskonzept. Die Frage stellt sich, ob Krieger das Vorhaben überhaupt mit der gebotenen fachlichen Sorgfalt betreibt. Fragen muss man auch, ob der Investor mit seiner Aktion Hoffnung hatte, im Wahljahr 2016 politisch Druck zu machen, damit die beiden Möbelhäuser für HÖFFNER und SCONTO eine schnelle Baugenehmigung bekommen?

In jedem Fall scheint Krieger selbst skeptisch zu sein, denn auf der Internetseite ist immer noch ein alter Plan aus dem Jahr 2011 zu sehen, in dem noch nicht einmal der neu hinzu gekommene SCONTO-Markt verzeichnet ist.

Für ernsthaft interessierte Anwohner ist das eigentlich auch nur noch als öffentliche „Täuschung“ zu bezeichnen. Auch den Vorstand des Für Pankow e.V. scheinen diese „Nachlässigkeiten“ des Investors egal zu sein, obwohl man das Gesamtvorhaben offen unterstützt. Die Pankower Parteien sind jedenfalls verdächtig still.

Krieger agiert unter Wettbewerbsdruck

Unterdessen wächst in Berlin die Konkurrenz auf dem Möbelmarkt, die für Pankower Möbelkunden ideale neue Bedingungen schafft:
In Schöneweide hat die österreichische Möbelkette MOEMAX (www.moemax.de) eröffnet, erreichbar in ca. 30 Minuten ab Schönhauser Allee. Online-Bestellung ist selbstverständlich.

2017 eröffnet dazu die Würzburger Möbelkette XXXL ( www.xxxlmoebelhaeuser.de) in Lichtenberg.

Das Internet-Portal www.moebel.de ist als Dachportal für viele Marken auf Erfolgskurs und liefert nach Onlinebestellung bis nach Haus.

Die Online-Konkurrenz Home 24 (www.home24.de) aus der Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg baut ein neues Logistikzentrum in Walsrode, und hat Vorstand und Eigenkapital erneut aufgestockt. Und IKEA ist auch in Reichweite der Pankower Kunden.

Auch ein zweites MÖBEL HÖFFNER kann ab September in nur 30 Minuten Entfernung besucht werden. Das große Möbelhaus KRAFT am Sachsendamm in Nähe vom S-Bahnhof Südkreuz beendet gerade seinen Räumungsverkauf, und wird nach Aussagen der Mitarbeiter als HÖFFNER wiedereröffnen.

Angesichts der zu erwartenden Verkehrsprobleme könnte es eng werden, für den „Möbelhaus-Standort“ Pankower Tor. Kunden haben künftig die Wahl, mit dem Auto eine halbe Stunde im Stau in der Granitzstrasse zu stehen, oder 30 Minuten S-Bahn-Fahrt bis zum nächsten Möbelhaus zu wählen. Der vorhandene SCONTO-Markt am Bahnhof Storkower Straße ist nur 15 Minuten entfernt! – Und das Pankower Internet wird immer schneller, und kann Möbel auch im 3-D-Video bequem präsentieren.

Schlußverkauf bei MÖBEL KRAFT
Schlußverkauf bei MÖBEL KRAFT am Südkreuz – kommt HÖFFNER im Herbst hier neu an den Start?