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Planetares Denken wird prämiert!

Planet Erde

Bundespräsident Joachim Gauck übergibt am Sonntag, dem 8.11.2015 in Essen den 23. Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Die mit 500.000 Euro höchstdotierte unabhängige Umweltauszeichnung Europas geht 2015 an den Klima- und Meeresforscher Prof. Dr. Mojib Latif (61, Kiel) und den global agierenden Nachhaltigkeitswissenschaftler Prof. Dr. Johan Rockström (49, Stockholm). Der Live-Stream des Festaktes kann zwischen 11 und 13 Uhr auf www.dbu.de mitverfolgt werden.

Planet Erde
Deutscher Umweltpreis 2015 würdigt „planetares Denken“

Die DBU appelliert damit im Vorfeld der Klimakonferenz der Vereinten Nationen Ende November in Paris an die internationale Staatengemeinschaft, sich auf ein verbindliches und wirksames Klimaschutzabkommen zu einigen.

Prof. em. Dr. Michael Succow (74, Greifswald) erhält den Ehrenpreis für sein lebenslanges Naturschutz-Engagement.

„Kohlenstoffarmes Wirtschaften muss das globale Zukunftsszenario werden. Dafür muss der Klimagipfel in Paris ein klares und deutliches Signal setzen“, betonte die Vorsitzende des DBU-Kuratoriums und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter.

Deutscher Umweltpreis 2015
Deutscher Umweltpreis 2015: Dr. Mojib Latif; Johann Rockström; Prof. em. Dr. habil. Michael Succow – Foto: © Jan Steffen, GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel/ Peter Himsel, DBU/ Michael Succow Stiftung

Drei Preisträger erhalten den Deutscher Umweltpreis 2015

Dr. Mojib Latif: „Unser Planet ohne intakte Ozeane für Menschen unbewohnbar“

Mit Blick auf die anstehenden Klimaverhandlungen in Paris setzt die DBU mit der erstmalig gleichzeitigen Auszeichnung zweier Nachhaltigkeits- und Klimaforscher ein Zeichen für den Schutz der Erde. Die Leistungen der Preisträger machte Schwarzelühr-Sutter noch einmal deutlich. Latif sei einer der herausragenden Klimaforscher Deutschlands. Er weise unter anderem darauf hin, dass unser Planet ohne intakte Ozeane für Menschen unbewohnbar zu werden drohe. In zahlreichen Büchern und fachwissenschaftlichen Beiträgen richte Latif sich an Experten und ein breites Zielpublikum, auch an Kinder und Jugendliche. Er zeige damit seinen hohen wissenschaftlichen Anspruch und Ehrgeiz, Bücher so zu schreiben, dass sich ihre Inhalte einer breiten Öffentlichkeit leichter erschließen.

Johann Rockström: Neues Modell für die Belastungsgrenzen der Erde definiert

Rockström habe die biophysischen Grenzen für den Planeten festgesetzt, innerhalb derer eine verträgliche sozio-ökologische Entwicklung möglich bleibe. Gemeinsam mit namhaften Experten habe er weltweit verfügbare Daten zum Zustand der Erde zusammengeführt, gewichtet und auf Basis konkreter Messgrößen Belastungsgrenzen für die Erde definiert, die den Planeten von seinem jetzigen, für den Menschen wünschenswerten, stabilen Zustand abbringen könnten – wie zum Beispiel beim Ziel der internationalen Klimapolitik, die globale Erwärmung auf weniger als eineinhalb bis zwei Grad gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung zu begrenzen. Er habe, so Bottermann, einen „konkreten und wichtigen Rahmen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft geschaffen“.

Prof. em. Dr. habil. Michael Succow sicherte große Wildnisge­biete in Deutschland

Ehrenpreisträger Succow gelte national wie international als Ausnahmepersönlichkeit im Naturschutz, betonte Schwarzelühr-Sutter. Sein Engagement für große Wildnisge­biete in Deutschland sei einmalig. Innerhalb kürzester Zeit sei es Succow zum Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung gelungen, mit dem Nationalparkpro­gramm für den Osten Deutschlands auf einen Schlag fast 18 Prozent der Landesfläche der ehemaligen DDR für die Natur zu sichern. Bis heute habe dieses „Herzstück ostdeutschen Naturschutzes“ auf­grund seiner wegweisenden Konzeption Beispielwirkung auch für den Umwelt­schutz und die naturverträgliche Landnutzung in Westdeutschland und ganz Europa.

Global Boundaries - Stockholm University
Johan Rockströms Konzept planetarer Grenzen – Illustration: Steffen et al. 2015

Johan Rockströms Konzept planetarer Grenzen

Von besonderer Bedeutung ist das von Rockström entwickelte neue Modell der „planetaren Grenzen“, das er bereits 2009 erstmals präsentiert hat und inzwischen zu einem umfassenden Konzept erweitert hat. In dem neuen Konzept von Rockström bilden neun Umweltprozesse „planetaren Grenzen“, die in jeder Region und jedem Land die Belastungsgrenzen darstellen.

Gemeinsam mit einem 28-köpfigen Wissenschaftlerteam, zu dem u.a. die DBU-Umweltpreisträger Prof. Hans-Joachim Schellnhuber und Prof. Paul Crutzen gehören, identifizierte Rockström er neun Umweltprozesse, die die Stabilität und Belastbarkeit des Erdsystems regulieren – die Fähigkeit unseres Planeten also, globale Entwicklung zu „ertragen“:

Dazu zählen Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Artensterben, biogeochemische Flüsse (die Biogeochemie befasst sich mit den chemischen, biologischen und physikalischen Prozessen, die Aufbau und Funktionen von Ökosystemen oder Landschaften zu Grunde liegen; hier geht es speziell um Stickstoff und Phosphor), Versauerung der Ozeane, Süßwassernutzung, Landnutzungsänderungen, Abbau der stratosphärischen Ozonschicht, atmosphärische Aerosole (Stoffgemisch fester und flüssiger Partikel in der Luft, die eine wichtige Rolle im atmosphärischen Strahlungshaushalt spielen und entscheidend in regionale Klima- und Niederschlagsysteme, sowie die atmosphärische Chemie eingreifen wie etwa beim Ozonloch) und Eintrag neuer Stoffe wie Chemikalien, radioaktive Materialien, Nanomaterialien oder Mikroplastik.

Ökologischer Handlungsrahmen für die Umwelt- und Wirtschaftspolitik

„Nachdem die neun planetaren Grenzen, die zum ersten Mal 2009 veröffentlicht worden waren, sechs Jahre lang durch Fachkollegen weltweit umfassend begutachtet worden waren, wurden sie 2015 wissenschaftlich aktualisiert. Mit diesen neun Grenzen soll versucht werden, quantitative, nicht zu überschreitende Belastungsgrenzen auf der Basis konkreter Messgrößen zu definieren – ähnlich dem Ziel der internationalen Klimapolitik, die globale Erwärmung auf weniger als eineinhalb bis zwei Grad gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung zu begrenzen. Rockströms Forschung belegte, dass das konstante Beachten dieser Grenzen einen sicheren biophysischen Handlungsraum für die Menschheit schafft, in dem globale Entwicklung stattfinden und gedeihen kann. Bisher wurden acht der neun Grenzprozesse quantifiziert, nur die chemische Belastung des Planeten noch nicht.“

Dr. Heinrich Bottermann, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) würdigte Rockström in besonderer Weise.
Rockström sei mit dem Konzept der „planetaren Grenzen“ einer der „großen Denker und Kommunikatoren des Umweltschutzes unserer Zeit“ und stehe „in seiner epochalen Wirkung in einer Linie mit dem 1972 erschienenen Bericht ‚Grenzen des Wachstums‘ des Club of Rome“, so Bottermann.

„Unser Menschsein hängt von der Qualität der Biosphäre ab, die uns umgibt. Wir selbst haben unseren Planeten gefährlich nah an seine Belastungsgrenzen geführt. Umso glücklicher können wir sein, dass – beseelt von dieser Erkenntnis – mit Johan Rockström ein ‚Ingenieur der Zukunft‘ die biophysischen Grenzen für den Planeten festgesetzt hat, innerhalb derer eine verträgliche sozio-ökologische Entwicklung möglich bleibt. Wissenschaftlich akribisch und konstruktiv-optimistisch hat er gemeinsam mit namhaften Experten weltweit verfügbare Daten zum Zustand der Erde zusammengeführt, gewichtet und in einen konkreten Rahmen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft überführt. So lebt die Hoffnung, Mensch und Biosphäre wieder vereinen zu können.“ – Mit diesen Worten würdigt Dr. Heinrich Bottermann, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), die Verleihung des Deutschen Umweltpreises 2015 der DBU an den Direktor des Stockholm Resilience Centre an der Stockholmer Universität, Prof. Dr. Johan Rockström (49). Bundespräsident Joachim Gauck überreicht die mit einem Preisgeld von 245.000 Euro dotierte Auszeichnung.

Weitere Informationen:

Deutsche Bundesstiftung Umwelt – www.dbu.de

Stockholm Resilience Centre ww.stockholmresilience.org

m/s