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Rainer-Michael Lehmann: Offener Brief

Rainer Michael Lehmann (MdA SPD)

In Berlin-Buch bestimmt das Thema „Flüchtlingsheim“ nach wie vor die öffentliche Debatte und viele Bürgergespräche. Die Redaktion der Pankower Allgemeine Zeitung erhielt heute einen „Offenen Brief“ des Wahlkreisabgeordneten Rainer-Michael Lehmann (MdA – SPD), der hier unkommentiert dokumentiert wird.

Berlin, 12. Dezember 2014

Offener Brief:
– Bezirk einbinden, AnwohnerInnen informieren, aus Fehlern lernen – meine Anmerkungen zur Flüchtlingspolitik in Berlin-Buch

Sehr geehrter Senator Czaja,

ich möchte Ihnen gegenüber offen mein Unverständnis über die von Ihnen gewählte
Vorgehensweise hinsichtlich der Flüchtlingsunterkunft an der Karower Chaussee im
Pankower Ortsteil Buch zum Ausdruck bringen. Ich hatte schon Anfang Oktober in einer
Mitteilung an den Präsidenten des Landesamtes für Gesundheit und Soziales darauf
hingewiesen, dass hinsichtlich der Standortwahl einer Flüchtlingsunterkunft sensibel zu
agieren und der Bezirk, Akteure sowie AnwohnerInnen mit einzubeziehen sind, gerade weil
es vorher abzusehen war – und ich habe explizit darauf hingewiesen – dass eine
Flüchtlingsunterkunft von dubiosen politischen Kräften instrumentalisiert werden würde.

Ich habe immer betont, dass ich Flüchtlingsunterkünfte überall – auch im Ortsteil Buch –
unterstütze und dass in der Wahl des Standortes und der konkreten Ausgestaltung der
Bezirk und die Akteure vor Ort einzubeziehen sind.

Zu meinem Bedauern haben Sie sich dafür entschieden, diese konstruktiven Hinweise
vollständig zu ignorieren. Sowohl der Bezirk und ich als Wahlkreisabgeordneter, als auch
Akteure und AnwohnerInnen wurden teils wenige Stunden vorher, teils erst durch die Medien
informiert. In der Konsequenz wurde niemand in die Lage versetzt, präventiv zu informieren,
Vorbehalte zu mindern oder Vorbereitungen treffen zu können.

Stattdessen sind viele Bucherinnen und Bucher erbost und fühlen sich übergangen. Leider wurde
diese Stimmung wie erwartet instrumentalisiert, was zur Folge hat, dass seitdem wütende
Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit einschlägig bekannten Rechtsextremen durch den Ortsteil
marschieren und die Baustelle wiederholt beschädigt haben.

Diese Vorgänge vergiften das gesellschaftliche Klima im Ortsteil Buch und beunruhigen mich
sehr.
Ehrenamtlich engagierte Bürgerinnen und Bürger aus Verbänden, Vereinen und demokratischen
Parteien stellen sich diesem Unmut und müssen sich in dieser aufgeheizten Atmosphäre
beschimpfen lassen.

Statt gemeinsam an einer Willkommenskultur zu arbeiten, kehren sie nun in vielen Zwiegesprächen
und unter hohem persönlichem Aufwand die Scherben Ihrer verfehlten Informationspolitik auf,
mit dem Ziel, die Bucherinnen und Bucher zu beruhigen und davon zu überzeugen, dass eine
Flüchtlingsunterkunft aus Wohncontainern das Leben im Ortsteil Buch nicht negativ beeinträchtigen
wird.

Diese Ehrenamtlichen leisten für Pankow gewissermaßen Feuerwehrarbeit.

Es verdichtet sich der Eindruck, die Flüchtlingsunterkunft an der Karower Chaussee sei
ausschließlich vom Schreibtisch aus geplant worden. Durch einfaches Nachfragen im Bezirk hätte
ein großer Teil des Unmuts vermieden werden können. Der gewählte und umzäunte Standort der
geplanten Flüchtlingsunterkunft blockiert einen seit langem genutzten öffentlichen Weg und
verursacht große Umwege.
Es wäre ein leichtes, diesen Weg offen zu halten und Konflikte zu vermeiden. Es wäre ebenso
leicht gewesen, die Gesprächsangebote des Bezirks hinsichtlich freier nutzbarer Objekte und
pragmatischer Lösungen anzunehmen.

Auch hätten lokal engagierte Akteure befragt und in die Kommunikation eingebunden werden können,
sodass nach der Ankündigung kein Vakuum entstanden wäre, das Vorurteilen, Fehlinformationen und
der Gerüchteküche Tür und Tor geöffnet hat.

Aus den Vorfällen rund um die Flüchtlingsunterkunft in Hellersdorf vor etwa einem Jahr hatten
wir alle gelernt. Insofern macht mich die aktuelle Politik fassungslos.

Bucherinnen und Bucher verhalten sich gegenüber Flüchtlingen größtenteils aufgeschlossen. Sie
sind sich sehr wohl bewusst, dass sie Schutz benötigen und auch in unserer Nachbarschaft
untergebracht werden müssen. Wir bekommen oft Angebote von Menschen, die sich ehrenamtlich
engagieren möchten. Ich weise Sie aber darauf hin, dass selbst jene, die großes Verständnis
für die Notwendigkeit der Flüchtlingsunterbringung aufbringen, kein Verständnis für den
genauen Standort und Ihre Informationspolitik haben.

Daher habe ich folgende Forderungen an Sie, Herr Czaja, die Sie nach meiner Sicht der Dinge
schon im Vorfeld hätten umsetzen müssen:
– Nehmen Sie die Bucherinnen und Bucher ernst! Die Menschen wollen informiert werden.
– Kommen Sie nach Buch und erklären Sie den Anwohnerinnen und Anwohnern Ihr Vorgehen.
– Verschieben Sie die Flüchtlingsunterkunft auf dem Gelände um einige Meter derart, dass
öffentliche Wege nur minimal eingeschränkt werden müssen.
– Entwickeln Sie ein Sicherheitskonzept.

Viele Bucherinnen und Bucher fürchten sich vor rechtsextremen Angriffen und Ausschreitungen
und verstehen nicht, wie unter den gegebenen Bedingungen eine Flüchtlingsunterkunft errichtet
werden kann.

Ich stehe für Ihre Rückfragen gern zur Verfügung, werde Flüchtlinge im Ortsteil Buch und
überall in Berlin willkommen heißen und die Flüchtlingsunterkunft in der Karower Chaussee
bestmöglich unterstützen.

Mit freundlichen Grüßen,
Rainer-Michael Lehmann

m/s