Donnerstag, 28. März 2024
Home > #Neuland > Sozialliberale Stadtentwicklungspolitik für Berlin #3

Sozialliberale Stadtentwicklungspolitik für Berlin #3

Wohnen im Thälmannpark

Berlin ist attraktiv und wächst. Die Anziehungskräfte bewirken ein auf längere Zeit selbsttragendes und aufsteigendes Wachstum. Stadtentwicklungspolitik muß intelligent weiter entwickelt werden, um diesen Wachstumsprozeß zu stabilisieren. Im dritten Teil des Beitrags “Sozialliberale Stadtentwicklungspolitik für Berlin, werden konkrete neue Programm-Ansätze der Wohnungsbaupolitik vorgeschlagen.

Wohnen im Thälmannpark
Wohnen im Thälmannpark: das alte Muster des funktionalen Städtebaus

Die Zwecke des Wohnungsbaus in Berlin

In der Stadtentwicklungspolitik entscheiden die „Zwecke des Wohnungsbaus“, ob eine Stadt für die Menschen auf Dauer eine stabile Perspektive bietet. Wenn über neue wohnungspolitische Strategien nachgedacht wird, muß die Vielfalt der Zwecke des Wohnungsbaus neu ins Blickfeld genommen werden.

Eine Stadt kann nur lebendig bleiben, Wohlstand und Properität entfalten, wenn Wohnen, Arbeiten und Kosten des Wohnens im Einklang mit Lebensplänen, Arbeitsbiografien und jeweiligen individuellen finanziellen Möglichkeiten stehen. Es ist eine einfache Wahrheit, die aber aufgrund anhaltender Fehlentwicklungen neu aufgegriffen und in bauliche Realitäten umgesetzt werden muss.

Die Verengung des Wohnungsmarktes auf die Zwecke „Mietwohnen“ und die „Schaffung von Zinsgarantien für private und öffentliche Kapitalanleger“ beraubt die Stadtbewohner ihrer finanzielen und individuellen Wahlfreiheiten. Am Ende eines Lebenszyklus zahlen die Nutzer einer Wohnung etwa den dreifachen Aufwand für einen Neubau – bzw. für dessen anteilige und zeitweilige Nutzung.
Das über Mieten eingesammelte Kapital wird dem urbanen Wirtschaftskreislauf entzogen, wenn es allein bei Kapitalanlegern außerhalb des Stadtkreises ankommt.

Sozialer Mietwohnungsbau und frei finanzierter Mietwohnungsbau sind deshalb auf lange Sicht die teuersten Wohnformen, mit hohen Kosten für den Mieter und für die Allgemeinheit, die flankierend mit Wohngeld und Wohnkostenerstattungen sichernd eingreifen muss. Teuer auch für Stadt und urbane Prozesse, abfließenes Geld entfaltet nicht jene volkswirtschaftlichen Wohlfahrtswirkungen eines vergleichbaren stabilen Geldkreislaufes.

Wohnungsneubau Thulestr. 31-33
Wohnungsneubau Thulestr. 31-33 – Grafik: SHSP Architekten/GESOBAU AG

Voraussetzung für Strategien: Transparenz und Wohnungsmarkt-Monitoring

Wachstumsprognosen, demografischer und wirtschaftlich-technischer Wandel setzen heute eine schnellere Anpassung von Prognose-Zyklen voraus, die zu einem „Wohnungsmarkt-Monitoring“ in Berlin ausgebaut werden sollten.

Immobilienwirtschaft, Immobilienverbände und Immoblienpresse sorgen heute periodisch für „politische Statistiken“ und psychologische „Marktsignale“, die Knappheitspolitik und Anlage-Optimierung fördern. Die Harmonisierung bundesweiter und regionaler Wohnungsmarktbeobachtung und neutraler Statisiken ist eine wichtige öffentliche Aufgabe, die Markttransparenz, Wettbewerb und Wahlfreiheiten sichern soll.

Neutrale Institute statt wirtschaftsnahe Marktforschungsinstitute müssen mit dem Wohnungsmarkt-Monitoring beauftragt werden, und können dabei auf amtliche Statistiken, veröffentlichte Branchendaten und Daten der Raumbeobachtung des Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zurückgreifen.
Vor allem aber ist eine volkswirtschaftliche Untersuchungsperspektive notwendig, um „blinde Flecken“ und „Strategielücken“ erkennen zu können.
Da Berlin als Metropole dynamische Nachfrageänderungen hat, sollte es eigentlich einen Open-Data „Wohnungsmarkt-Wetterbericht“ mit stetig aktuellen Mietspiegel geben.

Neue Wohnungsmarktstrategie: Generationenwandel aktiv nutzen – Eigenkapital hebeln

Den demografischen Wandel können neue flexible Markt-Strategien nutzbar machen und den notwendigen Stadtumbau einleiten und fördern.

Die große Chance besteht darin: es gibt genug Kapital in der Stadt – eine ungewöhnlich wohlhabende Generation wird älter! Bei der nötigen Anpassung ihres neuen Wohnbedarfs mit Seniorenwohnungen, Pflegewohnen und Hochbetagten-Wohnen kann viel Eigenkapital mobilisiert werden.

Allerdings gibt es hier bisher keine passenden Marktstrukturen und Leistungsanbieter, das Marktpotential schlummert vor sich hin. Sparkapital verbleibt auf Sparbüchern, statt es sinnvoll einzusetzen und nutzbringend und ertragsbringend neu einzusetzen.

Es gibt sogar eine durch wirtschaftliche Interessen überdeckte strategische „Wohnungsmarkt-Lücke“, die durch „alte Kapitalanleger“ gestützt wird, um einen „Knappheitsmarkt“ ausnutzen zu können.

Hedge-Fonds und andere Fonds haben hier grundsätzlich kein eigenes Interesse, Sparanlagen Dritter zu mobilisieren. Sie bedienen nur ihre eigenen Anlegerinteressen. Bauträger sind für die Sparer keine geeigneten Ansprechpartner.

Bausparkassen und Baufinanzierer scheuen ein derartiges aufwändiges Objektgeschäft, zumal es überjährige Geschäftsprozesse und „Third-Party“-Geschäfte erfordert, die nur schwer in Gang zu setzen sind.

Volkswirtschaftlich ist das fatal: wir haben eine reiche Gesellschaft, wir haben Billionen € mobilisierbares Spar-Kapital – und können es nicht mehr sinnvoll reinvestieren! Berlin bremst sich so selbst aus! Das Bankensystem schwebt im digitalen Raum, und bekommt die finanziellen Mittel nicht mehr in Realprojekten geerdet!

Landesbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken sowie Wohnungsgenossenschaften mit eigenen Sparorganisationen wären die geeigneten Akteure, aber sie haben diese riesigen Marktchancen bislang noch nicht erschlossen.

Ihr Denken ist auch von „Strukturvertriebsmodellen“, „Finanzprodukten“ und den Möglichkeiten „internetfähiger Dienste“ dominiert. Es wird über Finanzierungen und Finanzierungsmodelle nachgedacht, nicht aber über „Realprojekte“.
Vermutlich fehlt auch einfach das Fachpersonal, um „Subjekt- und Objektfinanzierungen“ und „Eigentumsumwandlungsprozesse“ zu begleiten.

Die Aufforderung geht daher an die Finanzpolitik und Invetsitionsbank, für den vorhandenen Bedarf schnell neue Modelle marktreif zu machen, die Sparkapital in „Wohnsparkapital“ und „Umbau-Kapital“ verwandeln. Auch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und soziale Wohnbauträger könnten hier schnell agieren und den Wohnungsmarkt mit eigenen Objekten und Finanzierungslösunegn entlasten. Es ist aber auch eine riesige Geschäftschance für innovative Akteure in der Bauwirtschaft.

Die Schaffung von „vererbbaren Generationen-Vertrags-Produkten“ würde überdies brachliegendes Spar- und Eigenkapital aktivieren. Dieses Kapital kann für den „Erlebensfall der Alten“, für den Wohnbedarf der Kinder UND für einen späteren Erbfall nutzbar gemacht werden.

Wohnprojekt im Stadtgut Blankenfelde - Foto: Selbstbau e.G.
Wohnprojekt im Stadtgut Blankenfelde – Foto: Selbstbau e.G.

Neue Wohnungsmarktstrategie: Freizieher-Umzugsprogramm & Seniorenwohnen

Eine große Zielgruppe älterer Hausbesitzer und Wohneigentümern liegt außerhalb des Blickwinkels der Sozial- und Wohnungspolitik, weil sie nicht bedürftig sind. Doch diese Zielgruppe hat ein Problem, das sie daran hindert, ihre zu großen Immobilien zu verlassen und in angemessene altersgerechte Wohnangebote zu wechseln. Diese Gruppe bekommt altersbedingt keinen neuen Kredit und keinen Zwischenkredit, um sich aus einer Alt-Immobilie zu verabschieden, und wohnungsnah in eine altersgerechte und sogar hochbetagtengerechte kleinere Wohnung umzuziehen.

Ein Bürgschafts- und Zwischenbürgschaftsprogramm könnte mehr Handlungsfreiheit schaffen, eigenkapitalfinanzierten neuen Wohnraum mit Seniorenwohnen zu schaffen. Freiziehen und Verkauf mobilisieren neues Wohneigentum für Familien und Erwerber im Markt. Wird ein Einfamilienhaus freigezogen, können fallweise sogar vier neue Wohnungen entstehen, oder ein zweites Einfamilienhaus.

Ein Freizieher-Programm mit revolvierend eingesetzten Landesbürgschaften könnte jährlich zwischen 1.000-7.000 neue Wohnungen schaffen. Weiterer Vorteil: fast alle Neubauten in bestehenden Gebieten könnten nach §34 BauGB errichtet werden. Es wäre eine reine Eigenkapital-Mobilisierungsstrategie, die wegen ihrer Hebeleffekte sehr attraktiv ist.

Neue Wohnungsmarktstrategie: befristete Halbteilungs-Wohngemeinschaft

Seit der Arbeitsmarktreform hat die Regelung zur Bildung von Bedarfsgemeinschaften eine „Versingelungstendenz“ befördert. In deren Folge ist der Wohnflächenbedarf enorm auf heute ca. 41,6 Quadratmeter gestiegen. Finanzpolitisch ist es sinnvoll, dieses negative Steuerungssignal für den Wohnbedarf zu beseitigen, weil die Versingelung zu hohen sozialen Folgekosten führt.

Das neue Rechts-Institut der „Halbteilungs-Wohngemeinschaft“ soll das durch Arbeitsmarktpolitik verursachte Dilemma in der Wohnungspolitik und Familien- bzw. Frauenpolitik aufheben und neutralisieren.

Die „befristete Halbteilungs-Wohngemeinschaft“ wird als befristeter, beliebig verlängerbarer BGB-Vertrag zwischen zwei Bewohnern einer Wohnung geschlossen. Ziehen zwei Personen zusammen, und schließen einen Halbteilungs-Vertrag zu den Wohnkosten, entsteht keine Bedarfsgemeinschaft mehr. Um Mißbrauch zu vermeiden, sind diese Verträge zu befristen und die tatsächliche Einkommen nachzuweisen, wenn einer der Bewohner soziale Hilfen bezieht.
Der wohnungsmarktpolitischer Effekt: es wird leichter, zusammenzuziehen. Ein-Personen-Wohnungen mit 1-2,5 Zimmer werden verstärkt freigezogen.
Sozialpolitisch wird damit auch ein weitere bedeutender Effekt erzielt: Alleinerziehende finden wieder leichter einen neuen Partner. Die Benachteiligung alleinerziehender Frauen und die Hartz4-Armutsfolgen für Kinder können auf mittlere Sicht wirksam vermindert werden.

Soziales Wohnen am Pistoriusplatz - Entwurf: Kaden Klingbeil Architekten
So könnte es künftig aussehen: Soziales Wohnen am Pistoriusplatz – Entwurf: Kaden Klingbeil Architekten

Das Instrument der „Halbteilungsgemeinschaft“ ist auch geeignet, das Zusammenziehen Älterer zu erleichtern. Wenn ein Ehe-Partner erkrankt, pflegebedürftig wird, oder gar stirbt, kann der gesunde Partner die gewohnte Wohnung beibehalten. Durch Bildung einer Wohngemeinschaft mit einem anderen Menschen bleibt die Miete tragbar. Nebeneffekt: eine weitere Wohnung wird freigezogen.

Die Umsetzung dieser Ideen würde das Marktsegment von 1-Personenhaushalten und 2-Personen-Haushalten neu beleben bringen, und die Knappheit bei Studentenwohnungen in Berlin abbauen helfen. Es ist aufgrund des generativen Wandels auch mit einem wachsenden Effekt zu rechnen, der mehrere tausend freie Wohnungen mobilisieren kann.

Wohnungsmarktstrategie: sozialer Sandwich

Neben dem sogenannten Hamburger oder Münchner Modell, das bei Neubauten feste Quoten für Sozialwohnungsanteile vorsieht, aber in der Tendenz mit öffentlichen Subventionen oder Baurechtsvorteilen finanziert wird, sollte ein „Berliner Modell“ des Wohnungsbaus diekutiert werden, das die „Berliner Mischung“ auf neue Weise interpretiert.

Das Berliner Modell des „sozialen Sandwich“ ermöglicht eine intelligente Mobilisierung von Eigenkapital, der Eigenkapitalanteil an den Baukosten wird erhöht, die Finanzierungskosten werden durch Mischung unterschiedlicher Wohnzwecke und Eigentumsformen gesenkt.

Nimmt man etwa eine leicht verdichtete fünfgeschossige Bauweise, so können die Geschosse für unterschiedliche Gruppen aufteilt werden:
– Erdgeschoß und 1. OG für eigenkapitalfinanzierte Erwerber und Seniorenwohnen
– 2.-3. Geschoß für Anspareigentum, Mietkaufmodelle und Sozialwohnen
– 4.OG als Lofts für Kreative und Sozialwohnen
– 5. OG als Dachgeschoß- und Penthouse-Wohnungen für kapitalstarke Erwerber.

Dieses Modell der „Berliner Mischung“ im Neubau würde sofort mit einem hohen Eigenkapitalanteil ausgestattet werden können. Die Wohnungen im Segment Sozialwohnen zu geringeren Finanzierungskosten realisiert werden. Entsprechend könnten auch niedrigere Kostenmieten ermöglicht werden.
Das Modell ist besonders geeignet, die Neubautätigkeit landeseigener Wohnungsgesellschaften weiterzuentwickeln, und einer weiter wachsenden Verschuldung zu entgehen.
Ein wichtiger Teilaspekt: im Erdgeschoß und im 1. OG sollte künftig Barrierefreiheit zum Standard werden, wobei eine Türbreite von 135 cm für Pflegebetten anzustreben ist. Barrierefreiheit sollte künftig in der Berliner Bauordnung zum Standard werden.

Paragon Appartments - Entwurf: Graft Architekten
Paragon Appartments – Entwurf: Graft Architekten

Wohnungsmarktstrategie: neue Bauvereine, Baugruppen und Genossenschaften

Die Aktivierung der Neubautätigkeit der bestehenden Bau- und Wohnungsgenossenschaften ist politisch gewünscht. Doch intern hindern bestehende Mehrheiten der Genossenschaftsmitglieder ihre Vorstände, neue Experimente einzugehen. Sie werden über die Vertreterversammlungen ausgebremst. Dies ist wohnungspolitisch bedenklich – doch kaum auflösbar, weil Eingriffe in die Selbstverwaltung nicht möglich sind.
Stattdessen muss ein eleganterer Weg gefunden werden, um die Marktdifferenzierung durch neue Bauvereine, Baugruppen und Genossenschaften zu stärken.

Das Land Berlin sollte Servicestellen für das Gründungsmanagement von Bauvereinen, Baugruppen und Genossenschaften finanzieren. Landeseigene Unternehmen und Baugenossenschaften könnten diese Servicestellen als Servicepartner bedienen und per Vertrag eingebunden werden können. Baugenossenschaften und landeseigene Gesellschaften können als Kompetenzpartner und Servicepartner hilfreich und wirtschaftlich agieren, und städtebaulich sinnvolle Ergänzungen adaptieren.

Mit Bauvereinen können die unterschiedlichsten Eigentumsformen vorbereitet werden, bis zum Grunderwerb und Konzeptverfahren des Erwerbs landeseigener Grundstücke. Wird ein Projekt baureif, wird aus dem Bauverein eine Baugruppe, Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft gegründet.

Der Clou kommt zum Schluß: fertige Projekte können aber auch in bestehende Genossenschaften oder bestehende Hausverwaltungen und landeseigene Unternehmen eingegliedert werden. Damit entsteht eine Interessebasis zur Kooperation, wie sie schon in Einzelfällen ind Berlin etwa zwischen der GEWOBAG und der Selbstbau-Genossenschaft erprobt wird.

Auf diese Weise wird ein attraktives Marktsegment für soziale Finanzierungsmodelle geschaffen, die an Einkommen und Eigenleistungsfähigkeit der jungen und nachwachsenden Generation angepasst werden können.

Neue Wohnungsmarktstrategie: Werkswohnungsbau, transitorische Nutzungen und Lofts

Der wirtschaftliche Wandel, globalisierter Wettbewerb und hohe Mobilitöt erfordern neue Konzepte für die Funktionen Wohnen und Arbeiten. Insbesondere für die Bereiche der Kreativ- und Kulturwirtschaft, Handwerke und handwerkliche Produktion, und Digitalwirtschaft und Industrie 4.0 ist ein geringerer spezifischer Flächenbedarf festzustellen.

Damit kann die Berliner Industrieflächen-Reserve für Gewerbeparke und Branchencluster qualifiziert mit „Werkswohnungsbau“ erschlossen werden. Der Begriff des „Werkswohnungsbaus“ wurde gewählt, weil es in der industriellen Vergangenheit diese Möglichkeit bereits gab. Der neue Werkswohnungsbau sollte für Eigennutzer, Unternehmer, Partner und Mitarbeiter geschaffen werden, und zur Eigenkapitalbildung genutzt werden können. Selbstbau, Ausbau-Etagen und Muskelhypothek sollten genutzt werden, um finanzielle Leistungsfähigkeit und wirtschaftliche Stabilität der Firmen und Arbeitsplätze zu stärken.

Natürlich müssen heute zeitgemässe Formen und neue Typologien für intelligente Gewerbe-Cluster und digitale Industrie-Cluster entwickelt werden. In den entsprechenden Branchen bringt die Nähe vom Wohnen und Arbeiten enorme Vorteile: Arbeitszeiten, Kommunikation und Teambildung, Freizeitanforderungen und Wohnen können in räumlicher Nähe integriert werden.

Durch Novellierung der Baunutzungsverordnung (BauNVO) und textliche Festlegungen in Bebauungsplänen können „Werkswohnungen, Ateliers und Lofts mit zulässigen Nutzungen beschrieben und zugelassen werden. Ein ideales Modell für die „junge und innovative Stadt“.

Unter dem Oberbegriff „transitorische Nutzungen“ sind Studentenwohnungen, Wohnen auf Zeit, Hostels, Gästewohnungen und Wohnen für „Artists in Residence“ mit zu planen. Im Gefolge der Digitalisierung und der Entwicklung von Industrie 4.0 entsteht eine weltweite Mobilität von Designern und Entwicklern, die intelligente Fertigungszellen nur auftragsweise und auf Zeit nutzen, um danach zu einem anderen Ort oder einer neuen Technologie zu wechseln.

Als Denkmodell ist auch ein Transitionskonzept mit Wohn-, Büro- und Fertigungszellen denkbar, das in Containern verlastbar sind.

Mit der Aktivierung von Gewerbe- und Industriegebieten der Kreativ- und Kulturwirtschaft, Digitalwirtschaft & Industrie 4.0 wird ein nachhaltiges Feld der Wertschöpfung und neuer integrierter Stadtentwicklung eröffnet.
Der bisherige „bauträgergesteuerte Markt“ in Gewerbeparks erschafft unnötig hohe Kapitalhürden. Künftig muß das Bauen in den gewerbeparks selbst in einen „innovationsgesteuerten Markt“ verwandelt werden, der Eigenkapitalbildung der Unternehmen und Mitarbeiter stärkt, damit sie im weltweiten Wettbewerb die notwendige Finanzkraft entfalten können.

Wohnungsmarktstrategie: Landeseigene Grundstücke und -gesellschaften

Die bisherige Wohnungsbaupolitik hat eine hohe Verschuldung der landeseigenen Gesellschaften mit hohen Kostenbelastungen herbeigeführt. Damit wird der soziale Auftrag der Wohnungspolitik konterkariert. Wichtigste Aufgabe ist daher eine nachhaltige Entschuldung der landeseigenen Wohnungsgesellschaften. Dies erfordert jedoch ein grundlegendes strategisches Umdenken und eine Strukturanpassung.
Die Wohnungsgesellschaften sollten künftig zu drei leistungsfähigen Gesellschaften zusammengelegt werden. Zugleich sollten diese einen erweiterten Auftrag erhalten:

Gewerbepark Pankow - Pankstraße
Gewerbepark Pankow – Pankstraße – früher Lederfabrik – heute Gewerbepark – Foto: ORCO

Stadtentwicklung und Quartiersentwicklung, einschließlich Gewerbe, Handel, Handwerk und Industrie 4.0.

Durch schrittweise Übertragung landeseigener Liegenschaften wird eine Basis gelegt, damit zukünftig ausreichende Gewinne erzielt werden, die eine Schuldentilgung ermöglichen.

Im sogenannten „geschützten Segment“ des Wohnungsmarktes sollten Bestands-Wohnungen unter 4,20 € pro Quadratmeter in festen Quoten vereinbart werden. Hier kann der Staat bei Kosten der sozialen Grundsicherung und Wohnkosten-Erstattungen gegenüber geltenden Regelsätzen sparen. Die Spardifferenz sollte den landeseigenen Gesellschaften als Schuldentilgung zur Verfügung gestellt werden.

Künftig sollten drei profilierte „Stadtentwicklungs- und Wohnbaugesellschaften“ im Auftrag des Landes Berlin profitable, gemeinnützige und soziale Geschäftsfelder nebeneinander betreiben und eine Politik der Marktdifferenzierung – statt der Markthomogenisierung betreiben.

Kleingärten-Erneuerung und Umwandlung in Familienwohnen

Kleingärten sind im Industriezeitalter entstanden, und liegen heute zu einem großen Teil auf Flächen, die für eine „Smart-City“ und eine nachhaltige Logistik und Funktionalität der Stadt sinnvoller genutzt werden müssen. Gelänge es zum Beispiel, den BSR-Recyclinghof in der Behmstraße nach Jungfernheide oder entlang der Stadtautobahn zu verlagern, so wäre der Konflikt um die Bebauung am Mauerpark mit einem städtebaulichen Qualitätsgewinn auflösbar.
Überall dort, wo es sinnvolle städtebauliche Synergien und städtebauliche Chancen für eine Innenstadtverdichtung gibt, sollten Kleingärten in einem kooperativen Verfahren zur Disposition gestellt und auf geeignete Ersatzflächen verlegt werden.

Veränderte Lebensweisen und veränderte Anforderungen der Arbeitswelt haben auch Auswirkungen auf die Nutzung der Kleingärten, die nicht mehr in ursprünglicher Weise dem Bundeskleingarten-Gesetz (BKleingG) entspricht.

Die Umwandlung von Kleingärten in Gemeinschaftsgärten, Urban Gardening-Flächen und in Familien-Wohnen sollte als beginnender „Modernisierungsprozeß“ aufgegriffen und gestaltet werden.
In einer alternden Gesellschaft kann die Nachbarschaft und Verzahnung von Wohnen, Gemeinschaftsgärten und Kleingärten eine neue städtebauliche Chance für Jung und Alt bieten.

Kleingarten in Blankenburg
Kleingarten in KGA Pankegrund in Französisch-Buchholz

Freiraum, Grünflächen, Naturschutz und Stadtklima

Das Landschaftsprogramm muß fortgeschrieben werden, an neue Mobilitätsanforderungen, an neue Anforderungen der Sportstadt Berlin angepaßt werden. Für gesunde Lebens- und Arbeitsverhältnisse im Sinne des Baugesetzes ist künftig auch die Ausgleichsfunktion für den Bewegungsausgleich mit zu bedenken. Eine Hauptstadt der „kreativen und sitzenden Arbeit“ braucht genügen Möglichkeiten zum Bewegungsausgleich. Freiflächen bekommen daher neben den Ruhefunktionen auch „Aktivierungsfunktionen“ – die für eine junge und lebendige Stadt sehr attraktiv sind.

Sozial-Liberale Ideen
Die Partei der Ideen startet 2015 – welche Parteien & Köpfe machen mit?

Rat für Stadtentwicklung

Um künftige Stadtentwicklungspolitik zu beraten, um strategische Entwicklungen und Strategiemuster der Entwicklung und Finanzierung besser steuern zu können, ist die Einrichtung eines „Rat für Stadtentwicklung“ erforderlich. Dieser Rat sollte in die Lage versetzt werden, wissenschaftliche Analysen und Studien veranlassen zu können. Ferner sollte der Rat Branchen- und Städtebauinitiativen beurteilen und begleiten können und Verbände und Akteure zu Langfristprojekten befragen und anhören können.
Der Rat für Stadtentwicklung soll zu einer stabilen Positionierung und Entwicklung Berlins im weltweiten Wettbewerb der Metropolen beitragen, und wirtschaftliche Zyklen und Auswirkungen früh erkennen und begegnen helfen.
Der Rat für Stadtentwicklung soll Gemeinwesen-Vorsorge, soziale Marktwirtschaft und Public Governance über Legislaturperioden hinweg stabilisieren helfen.

Sozialer Wohnbau in Wien
Sozialer Wohnbau in Wien: die gemischte und soziale Stadt – Foto: Stadt Wien

Der sozialliberale und innovative Ansatz zukünftiger Stadtentwicklung

Ideen, Flexibilität, designorientierte Produktion und kurze Produktzylklen erfordern eine andere Struktur und Gewichtung der Produktionsfaktoren Kapital, Arbeit, Kommunikation, Wissen & Kreation sowie Produktion.

Der Faktor Mensch und seine sozialen Fähigkeiten müssen sich im „Alten Europa“ freier entwickeln können, um mit Kalifornien und Asien noch mithalten zu können. Anfangskosten von Innovationen und die Lebensleistungsfähigkeit der Menschen müssen einkalkuliert werden und eine zuwachsendes Eigenkapitalbildung ermöglichen, die eine bodenständige Lebensplanung ermöglicht.

Die Überlastung der jungen Generation durch Kapitalanlage- und Zinsgeschäfte der alten Generation in der Wohnungswirtschaft muß unbedingt beendet werden.
Es bedarf einer größeren Beweglichkeit aller möglichen Formen des übertragbaren Eigentums:
Geld-Anlage, Anspareinlage, Eigenleistungsanteil, Genossenschaftsanteil, landeseigene Wohnfonds mit Spargarantie, Kapitalanteile und Gesellschafter-Einlagen.

Den Wohnungsmarkt ist als Markt und auch als Daseinsvorsorge aller Bürger zu entwickeln. Eine stärkere Differenzierung der möglichen Formen des Wohneigentumserwerbs und der Wohneigentums ist in Berlin notwendig.

Um den Mietwohnungsmarkt aus Friktionen und Knappheiten herauszuführen, muß das Leitbild einer sozialen und liberalen Stadt mit differenzierten und gemischten Wohn- und Eigentumsformen entwickelt werden. Zugleich muß die „junge und innovative Stadt“ mit sozialen und ökologischen Ausgleichsfunktionen entwickelt werden.

Berlin hat beste Chancen, als Sportstadt, als Kulturstadt, als innovative und junge Stadt, und als gemischte europäische Metropole für Jung und Alt, in der eine Stadtentwicklungspolitik mit Chancen und nachhaltigen Stabilitätszielen verfolgt wird.

Weitere Informationen:

Sozialliberale Stadtentwicklungspolitik für Berlin #1 | 22.3.2015 | Michael Springer | Pankower Allgemeine Zeitung

Sozialliberale Stadtentwicklungspolitik für Berlin #2 | 27.3.2015 | Michael Springer | Pankower Allgemeine Zeitung