Donnerstag, 28. März 2024
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Touristische Petitessen #5

Parkraumbewirtschaftung in Prenzlauer Berg: SO36 wirbt wild

Der Wettbewerb um Touristen und Gäste in Berlin ist hart, und viele Standorte kämpfen um die Aufmerksamkeit des Publikums. Kreative Ideen entstehen dabei rund um das Geschäftsmodell „wildes Plakatieren“ im öffentlichen Straßenland.

Rund 4.600 Werbebotschaften prasseln Tag für Tag auf Hauptstadtbesucher und Einwohner ein – wenn sie das Haus verlassen, und nichtsahnend durch die Straßen zum nächsten U- und S-Bahnhof wandeln – und zur Arbeit fahren. Bauzäune, Litfasssäulen, Leucht-Plakate, Telefonsäulen, Toilettenhäuschen, Wartehallen – überall blinken Plakate und Zettel – versuchen ins Auge zu gelangen.

In der Tram und U-Bahn entspannt sich die Situation: immer weniger Zeitungsleser sind zu sehen. Stattdessen rücken immer mehr daumentipselnde „Homo ludens“ mit Smartphones, Musikplayern und Kindle-Readern ins Blickfeld. Selbst Google ist davon betroffen: die Bedeutung der Erstsuche bei Google geht zurück. Stattdessen ist Weitersagen und Wiederfinden angesagt – per Facebook oder per viraler „Word of Mouth“ Propaganda.

Wer ein Auto hat, ist etwas besser dran – hier wirkt die Fahrgastzelle zugleich wie ein Faradayscher Käfig, der Werbung draußen abblitzen lässt.
Außer man fährt auf eine Straßenecke zu, an der dann unweigerlich MATRATZEN CONCORD einen Eckladen gemietet hat.
Fußgänger kaufen selten Matratzen – deshalb werden Matratzenläden IMMER in Eckläden angemietet, weil der Laden hier besser gesehen wird, als im Vorbeifahren.

Parkraumbewirtschaftung in Prenzlauer Berg: Kulturwerbung für Kreuzberg
Parkraumbewirtschaftung in Prenzlauer Berg: Kulturwerbung für Kreuzberg – fotografiert in der Saarbrücker Strasse am 19. Juni 2013
Wo Autofahrer hinsehen müssen

In Pankow gibt es hunderte Säulen, zu denen Autofahrer „hin müssen“ – wenn sie ihre preußisch-elektronische Parkgebührenpflicht verrichten müssen. Jene die morgens nur die Vorderseite des Automaten sehen, werden schon am Abend die Rückseite sehen.

Die blauen Parkgebührenautoma- ten der Parkraumbewirtschaftung sind daher unweigerlich im Blickfeld.

Als Zettelkästen, Kunstautomaten und als Angriffs-Objekt für Bürgerunwillen sind die Automaten schon ins Rampenlicht gerückt worden. Und an manchen Standorten haben sich Anwohner trickreich gegen die Aufstellung der neuen „Parkraumsäulen“ zur Wehr gesetzt. Erst wurden Halteverbotsschilder geklaut, auch wurden ausgehobene Löcher wieder zugepflastert. Immer wieder werden die Bedienfelder ramponiert oder beklebt. Ein ständiger Kostenfaktor für Wartung, Reinigung und Reparatur.

Eine innovative Idee kommt aus dem Szenebezirk Kreuzberg-Friedrichshain – und wandelt die Parkschein-Automaten eigennützig um.

Kulturautomaten in Prenzlauer Berg

Gefördert von zitty und taz hat das SO 36 eigens für die Rückseite der Pankower Parkscheinautomaten Programmplakate entwickelt, die in zunehmender Zahl ohne Genehmigung verklebt werden.

Ein ganzes Monatsprogramm passt auf so einen Parkschein-Automaten – ein geldwerter Werbevorteil entsteht.

Statt 7 € Tagesgebühren, klebt das Plakat kostenfrei. Es lockt Besucher, 100 Plakate sorgen sicher für einen rechenbaren Besuchertransfer von Prenzlauer Berg nach Kreuzberg. Auch wird das SO36 so wieder stadtbekannt – und mausert sich zur Berlin-Attraktion – auf Kosten des Kulturbezirks Pankow.

Was für eine herrliche Idee, könnte sie doch die knappen Kulturfinanzen in Pankow beachtlich aufstocken.

Leider sind der zuständige Kulturstadtrat und der für das Ordnungsamt und die Straßenverkehrsbehörde zuständige Stadtrat in Personalunion noch völlig überlastet. Die logistische Meisterleistung der Erweiterung der Parkraumbewirtschaftung musste erst vordringlich bewältigt werden.

Urlaubszeit: die kreative Zeit beginnt

In der etwas entspannteren Urlaubszeit kann nun kreativ über die „Kulturautomaten in Pankow“ nachgedacht werden:

  • Soll man die Automatenrückseiten für Kulturplakate verpachten?
  • Kann man mit Kultur die Parkgebühren senken?
  • Werden Touristen in Pankow irre, wenn nur Kreuzberg um Konzertgäste wirbt?
  • Muß dem „Touristenklau“ in Prenzlauer Berg ein Riegel vorgeschoben werden?
  • Oder brauchen wir eine App?

Sachdienliche Hinweise nimmt die Redaktion gern entgegen: info@pankower-allgemeine-zeitung.de

m/s