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Verleger kritisiert Urheberrechtsnovelle

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Die Debatte um die geplante Urheberrechtsnovelle wird durch die Kritik eines Verlegers aus Prenzlauer Berg fortgeführt. Andreas Rötzer, Verleger von Matthes & Seitz weist auf die Besonderheiten des Buch- und Verlagsgeschäftes hin und befürchtet eine Entsolidarisierung von Autoren und Verlegern.

In einem Gastbeitrag bezieht Rötzer in der FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Position:

Urheberrecht
Als wären Autoren und Verleger Gegner
Andreas Rötzer | 01.03.2016 | FAZ

In Beiträgen in der Pankower Allgemeine Zeitung wurde schon auf die geplante Urheberrechts-Novelle und entsprechende Branchenkritik hingewiesen (siehe Links unten).

Kommentar | Michael Springer:

Die aktuelle Verlegerkritik sollte auch Anlaß für grundsätzlichere Überlegungen sein, ob die vielfältigen Produktions- und Marktstrukturen in der Kreativ- und Kulturwirtschaft in einem einfachen Marktmodell von „Urhebern“ und „Verwertern“ überhaupt abgebildet werden können.

Ebenso ist zu fragen, ob in der Kreativ- und Kulturwirtschaft eine strukturelle Mannigfaltigkeit von kreativen, schöpfenden, aufwertenden und verwertenden Tätigkeiten besteht, die „Kulturprodukte“ im Ergebnis als „komplexe, verbundene Produkte“ hervorbringt, die entsprechend den Gesetzen der Aufmerksamkeits-Ökonomie auch ihren Wert erst in „performativer Wechselwirkung“ mit dem Publikum entfalten.

Der interessegeleitete „Reduktionismus“, die Welt in „Urheber- und Verwerter“ zu teilen, wird den einzelnen branchenbezogenen „Wertschöpfungsketten“ nicht gerecht. Vor allem wird bisher nicht richtig eingeschätzt, inwiefern eine „Kredit- und Vertrauensökonomie“ und aufgebautes „soziales und symbolisches Kapital“ selbsttätig „wertschöpfend“ wirkt.

Vor allem muß auch zwischen „Verbreitungsinteresse“ und „Verwertungsinteresse“ unterscheiden werden. Solange ein Urheber noch nicht die „Stufenleiter der PR“ erklommen hat, überwiegt das Verbreitungsinteresse des Urhebers. Verwerter müssen deshalb nicht nur in „Produktmarketing“ sondern auch „Persönlichkeitsmarketing“ für den Urheber investieren, bevor die Gesetze der Reputations- und Aufmerksamkeitsökonomik überhaupt eine „Verwertung“ zulassen.

Der von Juristen dominierte Fachverstand in den gesetzgebenen Institutionen ist womöglich völlig unvorbereitet, um mit einer „Ökonomik der feinen Unterschiede“ in der Kreativ- und Kulturwirtschaft umzugehen.

Bevor man mit einem unzureichenden Urheberrecht die bestehende Mannigfaltigkeit wertschöpfender Optionen und Vertragsbeziehungen völlig einebnet, sollte mehr Verständnis über die branchenbezogenen Wertschöpfungsmuster erlangt werden.

Ein rechtspolitischer Reduktionismus könnte sogar schädlich wirken, weil „Spielräume für merkantile Kreativität“ und für „perfomative und digitale Ökonomien“ beseitigt werden, bevor man ihre realen Wirkmechanismen überhaupt erkannt hat.

Statt statischer Rechtsbeziehungen und fester Urheberrechtsverträge sollte besser nach einem fairen Interessenausgleich am „Wertschöpfungs-Zuwachs“ von gemeinschaftlich aufgebauten Wertschöpfungsketten gestrebt werden.

Weitere Informationen:

Urheberrechts-Reform in der Kritik | 23.12.2015 | Michael Springer | Pankower Allgemeine Zeitung

Berliner Wirtschaft gegen Pläne zur Verschärfung des Urhebervertragsrechts | 2.2.2016 | Pankower Allgemeine Zeitung

m/s