Freitag, 29. März 2024
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Vorsicht! Prenzlauerberg Immo-Nachrichten!

Wohnungsmieten steigen in Berlin

Kommentar /// – „Was haben wir von einer durchmischten Stadt?“ fragen die Prenzlauerberg Nachrichten in einem Beitrag zur Wohnungspolitik, den Immobilienökonomen Professor Michael Voigtländer, Leiter des „Kompetenzfeldes Immobilienökonomik am Institut der deutschen Wirtschaft“ in Köln; und versuchen Argumente gegen die in Gang gesetzte Wohnungspolitik in Prenzlauer Berg zu sammeln.

Wohnungsmieten steigen in Berlin
Sozialwohnung oder Luxuswohnung in Prenzlauer Berg

Es wäre interessant zu erfahren, ob sich ein Professor für Immobilienökonomik auch mit Urbanistik auskennt, oder ober er nur eine Art „neoliberaler Spezialidiot“ für „hochentwickelte Raubzug-Ökonomien“ ist.

Zumindest im Straßenverkehr scheint eine gute Mischung zwischen Rad, ÖPNV und PKW ganz vernünftig zu sein, denn wenn alle Parkplätze in Prenzlauer Berg allein mit „SUV´s“ zugestellt wären, würde niemand mehr die Autotüren öffnen können.

Ökonomie ohne Menschen?

„Immobilienökonomik“ – schon das Wort ist eine Karikatur! „Ökonomie“ – im ursprünglichen Sinne eine Humanwissenschaft, die Betrachtung aller personeller und materieller Aufwendungen und Erträge, die dazu dienen, den Unterhalt „des Menschen“ zu sichern – zum Beispiel Jagd und Fischfang, Ackerbau und Viehzucht, Handel und Gewerbe.“

Die „Immobilienökonomik“ kommt praktisch ohne den Menschen aus, stattdessen kommt der Mensch und Bewohner nur als „ökonomische Nutzenkategorie“ vor: „Wohnbevölkerung“, „Käufer“, „Selbstnutzer“, „Vermieter“, „Wohnungseigentümer“ … und immer wenn „Mensch“ als Wort benötigt wird, wird die Kategorie der „diejenigen“ eingeführt, die „die weniger Geld und weniger große Vermögen haben.“

Eine schöne Immobilienökonomik ist das!

Fehlschlüsse inklusive

So eine „Immobilienökonomik“ vollführt unter den Augen des staunenden Publikums in den „Prenzlauerberg Nachrichten“ performative Fehlschlüsse am laufenden Band. Das geht natürlich nur, wenn Interwiewpartner nicht nur befragt, sondern auch „assistiert“ werden.

So fragt Juliane Wiedemeier nach dem hiesigen Immobilienmarkt: „Was sagt das über den hiesigen Wohnungsmarkt?“ – und der Professor für Immobilienökonomik antwortet mit einem „Millieuschutz“, der erst 2013 rechtswirksam eingeführt wurde, somit noch gar keine rechte Marktwirkung entfalten konnte.

Auch die redaktionelle Anmerkung im Klageton trägt einen Fehlschluß: „Um die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten, bedürfen in diesen Gebieten Umbaumaßnahmen einer Genehmigung; sogenannte Luxussanierungen sind ganz verboten, Anm. d. Red“.

Der Einbau von Kaminen und Fußbodenheizungen soll nicht nur die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung schützen, sondern auch die Bausubstanz, denn Gründerzeitbauten sind keine gestapelten „Einfamilienhäuser“. Bauphysikalische Mängel, Ausbaumängel und vor allem Rauchentwicklung sollen auch verhindert werden, weil eine kaufkräftige Klientel die Bausubstanz und bisweilen die Baustatik überfordert.

Die „Zusammensetzung der Wohnbevölkerung“ soll eher nach technischer Art geschützt werden, damit Dachgeschoßbewohner mit schweren beheizten Fußbodenestrichen und Granitfliesen-Bädern nicht auf die Erdgeschoß-Bewohner fallen. Auch wird der Einbau von Kaminen untersagt, weil bei luftdichten Energiespar-Fenstern ganz einfach „Erstickungsgefahr“ im Verzug ist.

Millieuschutz führt zum Verkauf?

Juliane Wiedemeier ist schon eine ganze Weile in Prenzlauer Berg tätig, und stellt Fragen, die Ursache und Wirkung verkehren:

„Das heißt, der Milieuschutz, der eigentlich das Milieu erhalten soll, führt dazu, dass Mietwohnungen verkauft werden?“ .

Wurde hier nachgedacht – oder eine typische „Asssistenzfrage“ korrumpierter Journalisten gestellt, die von Immobilienanzeigen leben?

Der Professor antwortet ökonomisch abstrakt: „Wenn Vermieter feststellen, dass sie nicht in der Weise modernisieren dürfen, wie sie wollen, aber durchaus Wohnungen zu einem hohen Preis verkaufen können, dann machen sie das auch. Die Käufer sind meist Selbstnutzer, die dann selber die Modernisierung durchführen.“

Die professorale Perspektive der Immobilienökonomik wird hier unfreiwillig zur „Immobilien-Komik“, weil ein wichtiges „immobilienwirtschaftliches Fachwort“ ausgeklammert wird, das in Prenzlauer Berg seit Jahren Zeitungspalten und Politik befasst: „Umwandlungsspekulation“.

Frau Wiedemeier schweigt, und greift nicht ein – entweder kennt sie sich nicht aus, oder sie ist „eingekauft“, so könnte der Leser nun denken.

Vor der Eigentumsumwandlung steht der Investor oder der Spekulant

Wohnungswirtschaftler unter den Ökonomen wissen: die Umwandlung in Eigentumswohnungen ist kein „autonomer Stadtprozeß“, sondern bedarf wirtschaftlicher Akteure, die Umwandlungsprozesse initieren, vorfinanzieren und organisieren.

In Prenzlauer Berg gibt es viele unterschiedliche Akteure, die Umwandlung in Eigentum zum Geschäftszweck gemacht haben. Immer dann, wenn Wohnen, Wohnwertverbesserung und Urbanität und humane Werte hinter das Interesse der Gewinnmaximierung zurück treten, spricht man von „Spekulanten“ – die zudem auf schnellen Maximal-Gewinn aus sind.

Gewinnmaximierung konkret: wenn die Gewinnerwartung für ein Mietshaus in „Spekulationshöhen“ hochgeschraubt wird, und ein Mietshaus, das zur Wendezeit 660.000 DM (sic!) kostete, aktuell für 1,4 Mio. € aufgekauft, umgewandelt und für 4,5 Mio. € als Eigentum weiterverkauft werden soll.

Umwandlungsspekulation ist das Geschäft der „dummen Spekulation“, weil hier Akteure in regelmässig „überprotzigen Autos“ tätig werden, denen die Standfestigkeit und Seriösität für Planungen und Grundsteinlegungen auf unbebauten Grundstücken fehlt.

Erkennbar an billigen Styropor, weissrussischen Bauarbeitern und vielen verdeckten Baumängeln, und tausenden Anwaltsstunden und vielen Gerichtsterminen je Objekt. Erkennbar auch als „Spekulanten ohne Gesicht“, die sich nur von Anwälten und Helfern vertreten lassen, und selbst hinter getönten Scheiben durch die Stadt fahren; … ein Geschäftsmodell, das schon bald durch schärfere Kriterien in der Gewerbeordnung verboten werden kann.

Wohnen in der Genossenschaft Bremer Höhe
Wohnen in der Genossenschaft: Innenhof der Bremer Höhe

Wohnungsbau-Investoren haben ein Gesicht in der Stadt

Wohnungsbau-Investoren und Selbstnutzer, das sind Wohnungsbaugesellschaften, die auch noch in 50 Jahren mit Wohnen Geld verdienen wollen, Wohnungsgenossenschaften, auch Hausgemeinschaften, die ein Gründerzeithaus selbst kaufen möchten, um als Hausgemeinschaft weiter bestehen zu können. Auch Baugemeinschaften sind im gute Sinne „Investoren“, Menschen, die ihr Gesicht in der Stadt zeigen.

Wohnungsbau-Investoren wären auch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, wenn sie denn nicht so viele Schulden und Verbindlichkeiten hätten, dass sie eigentlich „Wohn-Zins-Institute“ sind, deren Geschäftszwecke in der Finanzierung von Verbindlichkeiten mit den „Zweckgeschäften des Wohnbaus“ liegen.

Desinformation durch Lobbyisten

Wiedemeier fragte: „Was bedeutet es für einen Wohnungsmarkt, wenn weniger Miet- und mehr Eigentumswohnungen vorhanden sind?“

Vogtländer: „Es bedeutet, dass der Zugang schwieriger wird, gerade für diejenigen, die weniger Geld und weniger große Vermögen haben.“ Nur einen Satz weiter sagt Voigtländer: “ Die Wohneigentumsquote liegt nur bei 15 Prozent.“

Die wahren Ursachen kennt der Immobilienökonomiker aber auch: Vogtländer weiß natürlich, dass es in Deutschland eine besondere Situation auf dem Immobilienmarkt gibt, weshalb die Eigentumsquoten vergleichsweise gering sind (Immobilien Warum die Deutschen mieten statt kaufen | 10.4.2013 |Süddeutsche.de) :

„Die Gründe für den hohen Anteil der Mieter in Deutschland sind historisch, kulturell und ökonomisch bedingt. Die Alliierten zerstörten im Zweiten Weltkrieg einen beträchtlichen Teil des Wohnraumes in deutschen Städten. 20 Prozent des Wohnungsbestandes in Westdeutschland waren weg, zudem strömten Flüchtlinge aus dem Osten ins Land, die alles verloren hatten. 1950 fehlten 4,5 Millionen Wohnungen. Der Staat reagierte aber nicht, indem er die Deutschen zu Eigentümern machte, sondern förderte den sozialen Wohnungsbau mit Zuschüssen, Bürgschaften und der Möglichkeit zu Abschreibungen für die Bauherren. Zudem wurde der Wohnungsmarkt hierzulande bald nach dem Krieg liberalisiert.
Investoren freuten sich: Für sie lohnte es sich in Deutschland, Geld in Mietwohnungen zu stecken.“

Voigländer weiß auch: Der Wunsch, zu besitzen, ist aber auch eine Frage der nationalen Kultur. Er sagte im gleichen Beitrag: „In anderen Ländern hat Wohneigentum einen anderen Stellenwert. In Deutschland ist man als Mieter zufrieden – und eher vorsichtiger, was den Hauskauf angeht.“

Seine Bewertung ist jedoch auch hier fragwürdig, denn danach kommt er selbst zu den wahren Ursachen:

„Im Gegensatz zu Subprime-Verleihern seien deutsche Banken „tendenziell eher konservativ“, sagt Voigtländer. Sie forderten von Kunden meist, dass diese 20 Prozent des Kaufpreises selbst bezahlten. Hinzu kämen Nebenkosten, welche die Bank nicht finanziere. In Großbritannien kommen Immobilienkäufer dagegen mit zehn Prozent Eigenkapital durch, in den Niederlanden könnten sie sich oft sogar 110 Prozent des Kaufpreises von der Bank leihen.“

Paragon Appartments - Entwurf: Graft Architekten
Paragon Appartments – Entwurf: Graft Architekten

Mega-Geschäfte mit dem Wohnen

Für Kapitalinvestoren, Rentenfonds, Versicherungen und Fonds ist „Wohnen zur Miete“ ein Mega-Geschäft. Die Mieter zahlen zunächst die Kosten für Bau und Erwerb, und im Laufe der Lebensdauer sichern die Mieter einem Pensionär oder einem Kapitalertragskonto die Rente oder Rendite. Wenn Banken Mietern Kredite zum Eigentumserwerb gäben, ginge das Zinsertragsgeschäft kaputt.

Das Leitbild der gemischten Stadt und das Leid der Investoren

Wiedemeier versteigt sich zu einem rhetorischen Angriff auf das Leitbild der gemischten Stadt. Auch sie weiß: es sind mehrere hundert Milllionen € an Steuermitteln und Förderungen nach Prenzlauer Berg geflossen, um Gründerzeitbauten, Quartiere und Infrastruktur auszubauen.

Und plötzlich taucht da ein seltsames „Wir“ auf:

– „Was haben wir von einer durchmischten Stadt?“
– „Mir hat noch niemand erklärt, was der Wert für die Gesellschaft ist, wenn wir die Durchmischung überall haben.“

Voigtländer denkt aus der Perspektive des „Masters of the Universe“, so als halte er die Bank. Die typische Denkposition der neoliberalen Ökonomie, die sich über Menschen und Realität in die fiktionale Welt alleiniger ökonomischer Herrschaft begibt.

Der O-Ton ist wegen seiner Hybris lesenswert:

„Es wird schwierig; man müsste dann sehr stark eingreifen. Ich bin da offen, zu diskutieren, aber wir müssen den Fakten einfach ins Auge sehen und uns überlegen, was es uns wert ist, in der Gesellschaft diese Durchmischung zu erhalten. Wir müssen uns klarmachen, dass wir uns dann andere Dinge, etwa die Schulsanierung, den Kindergartenausbau oder die Investition in die Verkehrsinfrastruktur, nicht mehr leisten können. Diese Diskussion muss man offen führen.“

Der Immobilien-Ökonomik-Professor versucht sich ins Gespräch zu bringen. Doch als Volkswirtschaftler versagt er: es ist volkswirtschaftlicher Unsinn, Altbauquartiere mit Steuermitteln zu sanieren, um danach die Mieter an den Stadtrand zu verdrängen, und erneut mit Steuermitteln neue Infrastruktur zu bauen.

Gerade weil der Staat bereits viel investiert hat, beginnt sich die soziale Mischung für Prenzlauer Berg auszuzahlen. Die Mischung bringt eine besondere Ökonomie der kreativen Stand hervor, die eben durch die dichte Mischung von Arm und Reich trägt.

Über Lobbys hinaus braucht die Stadt Alternativen

Neoliberale Professoren, die sich neue Arbeitsfelder suchen, sollten nicht erfolgreiche Sanierungsgebiete zu „Steinbrüchen und Goldminen“ umdichten, sondern sich um das Neue Bauen kümmern.

Es kann auch nicht Sinn eines Instituts für Deutsche Wirtschaft sein, wenn „dumme Umwandlungsspekulation“ zu Lasten von Bauunternehmen und seriösen Wohnungsbauinvestoren und Wohnunsgwirtschaft gefördert wird.

Mieter und Menschen sind keine ökonomischen Manövriermassen, die neooliberale ökonomische Perspektive zerstört Stadt und Kultur.

In der energetische Sanierung sind dringend Alternativen gefragt. Und der Wunsch nach einer sinnvollen Eigentumsumwandlung muß im Markt einfach auch „seriöse und nachhaltige“ Geschäftspartner finden können.

Dazu wäre es hilfreich, wenn die Kommune bei Grundstücksverkäufen ein Vorkaufsrecht bekommt, um Verkauf und Reinvestition nach vernünftigen marktgerechten, nicht spekulationsgerechten Kriterien zu steuern. 2,5 Millionen € bei 8,50 € Finanzierungsmiete, soviel könnten Mieter gerade tragen, wann man ihren ihr Gründerzeithaus legal über eine Bank anbietet.
Es gibt Banken, die das mittragen – und sie müssen vor Spekulanten zum Zug kommen können!

Soziale Schieflage der Diskussion beseitigen

Wiedemeier: „Die Innenstädte den Reichen zu überlassen und die Ärmeren an Stadtrand zu schieben – das ist doch undemokratisch.“

Nein Frau Wiedemeier, das ist sogar verfassungswidrig, und ökonomisch und volkswirtschaflich dumm! Unfug! Schon bei der Fragestellung haben sie sich eine neoliberale „Master of the Universe“-Infektion geholt. Sozial ist es nicht – human auch nicht!

Und dazu haben wir gelernt: Immobilienökonomik und peinliche Schwurbelei stehen bisweilen eng zusammen:

„Der Raum ist der Stadt ist knapp. Wir können ihn nicht beliebig vermehren. Aber wir können es allen ermöglichen, in der Stadt zu wohnen und den Weg ins Zentrum über die Verkehrsinfrastruktur relativ schnell zu gestalten. Wir werden nie dazu kommen, dass wir allen die Möglichkeit geben, im Zentrum zu wohnen, das ist ganz klar. Ob es demokratischer ist, wenn wir das einigen wenigen nach Lotteriemethoden über soziale Wohnungsbauprojekte zukommen lassen, ist die Frage.“

Vor allem aber hat der Professor Voigtländer einen dicken Fehler gemacht: er hat nicht gesagt wer „wir“ sind! Und auch Frau Wiedmeier schleppt das „wir“ als Wildcard durchs Interview, ohne nachzufragen.

Eingeschränktes Denkvermögen, inkonsistente Argumentation im Gespräch über Menschen, Ökonmomie, Stadt und stadtgestalterische Prozesse – der Professor ist eine glatte Fehlbesetzung in Sachen Prenzlauer Berg.

Die Interviewerin lässt auch Zweifel aufkommen, um was es ihr in Prenzlauer Berg geht. Vielleicht hat sie aber auch gar nicht über Prenzlauer Berg, sondern nur über „Entmischung“ geschrieben.

m/s