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Was ist das für eine Gesellschaft?

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Der Brüsseler Stadtteil Molenbeek-Saint-Jean ist in Verruf geraten, als Ort, in dem Dschihadisten leben. Nach den Pariser Anschlägen hat sich der Hass auf Molenbeek sogar noch verstärkt: „Frankreich sollte Molenbeek bombardieren statt Rakka“, sagte etwa Eric Zemmour, ein für seine markigen Sprüche bekannter französischer Publizist. Es gibt viele Molenbeeks in Europa, Stadtviertel, in denen Arbeits- und Perspektivlosigkeit zu Hause sind.

In Politik, Wirtschaft und Publizistik hat sich dazu eine Erzählung, ein „Narrativ“ eingespielt. Es ist modern, von einer verlorenen Generation zu sprechen, die in diesen Quartieren, Vorstädten, „Banlieues“ lebt.

Journalisten greifen diese Thematik gern auf, wie etwa Jaafar Abdul Karim, ein in Liberia geborener Journalist, dessen Eltern aus Libanon stammen.

Jaafar, shu fi? / Integration :
Die verlorenen Jugendlichen von Molenbeek
Eine Kolumne von Jaafar Abdul Karim | 24. November 2015 | ZEITonline

„Die Mehrheit der Muslime im Brüsseler Stadtteil Molenbeek sind friedliche Bürger. Eine kleine Minderheit macht mir jedoch Sorgen. Wie soll man damit umgehen?“

Karim will auch die Muslime in die Pflicht nehmen: „Vor allem in Europa brauchen sie in ihren eigenen Reihen eine Debatte darüber, wie man mit Extremisten umgehen will, denn sie schädigen den Ruf ihres Glaubens. Dieser Schritt ist notwendig um realitätsnahe Lösungsansätze gemeinsam mit der Politik und der Zivilgesellschaft zu finden. Muslime sollen sich proaktiv beteiligen. Sie müssen auch agieren und nicht nur reagieren. Die Rolle von Religion in der Gesellschaft muss dabei klar sein. Konkret: Werte wie Demokratie, Gleichheit und Freiheit sind nicht verhandelbar.“

Doch eine andere Frage wird nicht gestellt und damit überdeckt: „Ist so eine Gesellschaft, vielleicht eine verlorene Gesellschaft, wenn sie nicht imstande ist, einer jungen Generation die notwendigen Ressourcen zur Selbsthilfe, zur Arbeit und zu einem auskömmlichen Leben bereit zustellen? Darf es überhaupt zu dem Narrativ von der „verlorenen Generation“ erst kommen?

m/s