Dienstag, 23. April 2024
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Wettbewerbszentrale geht gegen Möbelhändler vor

Möbel Höffner am Sachsemdamm

Die Wettbewerbszentrale geht gegen mehrere große Möbelhändler wegen intransparenter und irreführender Preisaktionen vor. Insgesamt 244 Werbemaßnahmen von 20 Möbelanbietern wurden unter die Lupe genommen. Die Wettbewerbszentrale fordert die Unterlassung irreführender Aktionen. Auch die TOP-10 der Möbelhändler haben Beanstandungen und Unterlassungsansprüche der Wettbewerbszentrale in Haus bekommen.

Die Wettbewerbszentrale, genauer die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e. V., ist die größte und einflussreichste bundesweit und grenzüberschreitend tätige Selbstkontrollinstitution zur Durchsetzung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb. Grundlage ihrer Tätigkeit ist die Verbandsklagebefugnis gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb) und § 33 Abs. 2 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen). Es ist ihr Auftrag, durch Rechtsforschung, Rechtsberatung, Information und Rechtsdurchsetzung zur Förderung eines lauteren Geschäftsverkehrs und eines fairen wirtschaftlichen Wettbewerbs beizutragen.

Sensationelle Werbe- und Handelspraxis im Möbelhandel

Die Wettbewerbszentrale beanstandet vor allem intransparente und irreführender Preisaktionen und bezieht sich auf vorliegende Beschwerden von Verbrauchern, die offenbar über geraume Zeit gesammelt wurden:

„Seit geraumer Zeit haben die Beschwerden über irreführende und intransparente Aktions- und Preiswerbungen im Möbelhandel in der Praxis der Wettbewerbszentrale zugenommen. Insbesondere aus dem Markt selbst heraus (Wettbewerber) sind Beschwerden über vollmundige Werbeversprechen im Möbeleinzelhandel vermehrt an die Wettbewerbszentrale herangetragen worden.“

„Die Selbstkontrollinstitution der Deutschen Wirtschaft hat daher in einem Zeitraum von drei Monaten die Werbeaktivitäten von insgesamt 20 Anbietern im stationären Möbelhandel sowie im Onlinehandel mit Möbeln intensiver beobachtet. Das Ergebnis der nicht repräsentativen Beobachtung ist für die Wettbewerbshüter nicht zufriedenstellend: Bei insgesamt 244 geprüften Werbemaßnahmen lagen nach ihrer Einschätzung 266 einzelne Rechtsverstöße verschiedenster Art vor. 90 % der in die Prüfung einbezogenen Anbieter warben aus Sicht der Wettbewerbszentrale in wettbewerbswidriger Weise.“

Die Ergebnisse der Prüfungen belasten praktisch eine ganze Branche, diese werden nachfolgend zitiert.

Printwerbung für stationären Möbelhandel dominiert

„Rund 90 % der Umsätze mit Möbeln werden nach wie vor im stationären Einzelhandel generiert, der Onlinehandel mit Möbeln hat einen Marktanteil von etwa 6 %. Entsprechend hat Printwerbung durch Prospekte und Zeitungsbeilagen hier den höchsten Werbeanteil – mit der Folge, dass als Rechtsverstöße erachtete Werbemaßnahmen auch am häufigsten im Printbereich auffielen: Mit 247 Rechtsverstößen allein im Printbereich liegen die 19 beobachteten Verstöße in der Online-Werbung deutlich im Hintergrund.“

9 umsatzstärkste Anbieter verantwortlich für 58 % der beobachteten Verstöße

„Bezogen auf die Marktstärke der Anbieter ergibt sich folgendes Bild: Mit 154 der beobachteten Verstöße fallen mehr als die Hälfte (58 %) auf 9 der Top-Ten-Anbieter jenseits der 400 Mio.-Umsatz-Größe. Ebenfalls 9 mittelständische Möbelanbieter haben mit insgesamt 112 gesichteten Einzelverstößen einen Anteil von 42 % an den als wettbewerbswidrig erachteten Werbungen.

Irreführungen und Intransparenz rund um den Preis mit Abstand am häufigsten

Der wichtigste Wettbewerbsparameter scheint nach wie vor der Preis zu sein. Während im Bereich der Versprechungen zu den Produkten selbst (Qualität, Lieferbarkeit, Ausstattung) keine Rechtsverstöße beobachtet wurden, drehen sich mehr als 45 % aller Einzelverstöße um Werbung mit Preisen, Preisvorteilen und Preisaktionen.

IKEA Haus in Kaarst
IKEA – die Nr. 1 im Möbelmarkt: „More Sustainable Store“ – in Kaarst im Rhein-Kreises Neuss entsteht das weltweit nachhaltigste IKEA Haus. Visualisierung: IKEA Press Release

Irreführende Werbung mit Preisen – 121 Fälle, davon 107 in Printwerbung

In Bezug auf Preiswerbung beobachteten die Wettbewerbshüter 121 Fälle mit ganz unterschiedlichen Facetten, die sie als irreführend bewerteten – davon 107 in Printwerbung: So wurden beispielsweise aktuelle Reduzierungen beworben, obwohl das betreffende Produkt nicht aktuell reduziert, sondern zu dem beworbenen Preis schon über einen längeren Zeitraum erhältlich war. Daneben wurden bei einigen Produkten falsche Gesamtpreise, versteckte Zusatzkosten bei Produktabbildungen oder falsche unverbindliche Preisempfehlungen (UVP) festgestellt. Auch unzulässige sog. „Mondpreise“ sind der Wettbewerbszentrale aufgefallen. Dabei handelt es sich um Preise, die einen Preisvorteil durch Streichung eines höheren Preises nur vortäuschen: In Wahrheit war der in Bezug gesetzte höhere durchgestrichene Preis vor der Aktion tatsächlich überhaupt nicht verlangt worden.

Aktionswerbung mit versteckten Ausnahmen – 85 Fälle

In 85 beobachteten Fällen wurden saftige Rabatte und Preisvorteile angekündigt, obwohl im Kleingedruckten – vertuschend – darauf hingewiesen wurde, dass die Vorteile für eine große Vielzahl von Produkten gar nicht gelten. Ein Möbelanbieter warb beispielsweise mit „Elefantastische Geburtstagsangebote und 20% auf fast alles!“, wobei diese Werbeaussage nicht nur im Blickfang auf der ersten Seite, sondern auf allen Seiten des Prospekts geschrieben stand. In einer kleinen Fußnote war dann leider der Hinweis versteckt, dass gerade alle im Prospekt beworbenen Produkte sowie Produkte in „allen weiteren Prospekten und Anzeigen, die auf www…. .de veröffentlicht sind“ von dem tollen Rabatt ausgenommen sind. – Aus Sicht der Wettbewerbszentrale eine klare Irreführung im Wettbewerb. In einem ähnlichen, vor einigen Jahren entschiedenen Fall hat ein Gericht in der Urteilsbegründung treffend gefolgert: „Überspitzt formuliert müsste es heißen‚ Rabatt auf fast gar nichts’“ (LG München I, Urteil vom 11.1.2007, Az. 17HK O 15972/06).

Aktionswerbung mit Irreführung über Anlass und Dauer – 58 Fälle

Außerdem hat die Wettbewerbszentrale Aktionswerbung in 58 Fällen als irreführend bewertet. So etwa in Fällen, in denen eine kurze Aktionsdauer suggeriert wird, um Kaufdruck zu erzeugen, die Aktion aber tatsächlich immer wieder verlängert wird. Ob „Geburtstagsangebote“ oder „JubiRabatt“ – Verbraucher erwarten hier Preisvorteile aus dem bestimmten Anlass in dem angegebenen befristeten Aktionszeitraum. Die Erwartung des Verbrauchers wird jedoch enttäuscht, wenn etwa der Verkaufsanlass zur Steigerung der Attraktivität der Aktion nur vorgetäuscht wurde, der Aktionszeitraum sich tatsächlich verlängert oder gar nicht erst enden will.

„Wir sehen hier einen Verdrängungswettbewerb, der in erster Linie über den Preis geführt wird.“, erläutert Dr. Reiner Münker, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale, die Beobachtungen. „Hier wird mit Tricks versucht, der Konkurrenz die Kunden auszuspannen und der Wettbewerb verzerrt.“, so Münker weiter.

Wettbewerbszentrale leitet Verfahren ein

Die Ergebnisse dieser Beobachtungen und deren rechtlicher Bewertungen hat die Wettbewerbszentrale zum Anlass genommen, mehrere Anbieter wegen einiger ihrer aktuellen Werbeanpreisungen abzumahnen. Da außergerichtlich keine Einigung zu erzielen war, sind derzeit Klagen der Wettbewerbszentrale gegen die Firmen Dänisches Bettenlager, Segmüller, POCO, Finke Das Erlebnis-Einrichten, in Vorbereitung, um die jeweils geltend gemachten Unterlassungsansprüche gerichtlich durchzusetzen. In anderen Fällen decken außergerichtlich abgegebene Unterlassungserklärungen nur einen Teil der geltend gemachten Ansprüche ab, sodass die Wettbewerbszentrale die Einreichung von Unterlassungsklagen gegen die betreffenden Anbieter prüfen wird.

Wettbewerbszentrale – Selbstkontrollinstitution für fairen Wettbewerb

Die Wettbewerbszentrale ist die größte und einflussreichste Selbstkontrollinstitution für fairen Wettbewerb. Getragen wird die gemeinnützige Organisation von mehr als 1.200 Unternehmen und über 800 Kammern und Verbänden der Wirtschaft. Sie finanziert sich allein aus der Wirtschaft heraus und erhält keine öffentlichen Mittel. Als branchenübergreifende, neutrale und unabhängige Institution der deutschen Wirtschaft setzt sie die Wettbewerbs- und Verbraucherschutzvorschriften im Markt – notfalls per Gericht – durch. Sie bietet umfassende Informationsdienstleistungen, berät ihre Mitglieder in allen rechtlichen Fragen des Wettbewerbs und unterstützt den Gesetzgeber als neutraler Ratgeber bei der Gestaltung des Rechtsrahmens für den Wettbewerb.

Weitere Informationen:

www.wettbewerbszentrale.de

Informationen zum IKEA Haus in Kaarst – Pressemitteilung

Redaktioneller Hinweis:
Die Bildauswahl stellt lediglich eine Illustration dar. Die Rangfolge der Wettbewerbsverstösse ist aus den Unterlagen der Wettbewerbszentrale ablesbar. Hierzu folgt im Januar 2017 ein ausführlicher Beitrag.

m/s