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Kultur- und Kreativwirtschaftsindex 2015

Ludwig Erhard Haus

Der neue Kultur- und Kreativwirtschaftsindex Berlin-Brandenburg 2015 wurde veröffentlicht. In dem Index werden 11 Branchen erfaßt, die der Kultur- und Kreativwirtschaft zugeordnet werden, deren Wachstum als wichtiger Wettbewerbstreiber in der weltweiten Konkurrenz von „Creative Cities“ angesehen wird. Auch für Berlin und Brandenburg ist die Kultur- und Kreativwirtschaft ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.

IHK Berlin: Ludwig Erhard Haus
IHK Berlin: Ludwig Erhard Haus – Berlin – Vorreiterrolle in der Digitalisierung! Foto: IHK Berlin

30.500 Unternehmen – 228.000 Beschäftigte

Rund 30.500 Unternehmen sind in der Region ansässig. Sie erzielen mittlerweile einen Rekordumsatz von 15,6 Milliarden Euro, erwirtschaften sechs Prozent aller privatwirtschaftlichen Umsätze der Region. Mit 218.000 Erwerbstätigen gibt sie knapp sieben Prozent aller Erwerbstätigen der Region eine Beschäftigung. Damit setzt die Berliner Zukunftsbranche ihren Aufwärtstrend der vergangenen Jahre fort. 2011 lag der Umsatz noch bei 13,5 Milliarden Euro, knapp 200.000 Menschen waren in der Branche beschäftigt. Ebenfalls erfreulich: Die Kultur- und Kreativwirtschaft wächst seit 2012 schneller als die Gesamtwirtschaft in Berlin und Brandenburg und schneller als die Kultur- und Kreativwirtschaft in ganz Deutschland.

Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft
Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft – Grafik: Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung

Der aktuelle Kultur- und Kreativwirtschaftsindex Berlin-Brandenburg 2015 ist zum vierten Mal im Auftrag der Länder Berlin und Brandenburg sowie der IHK Berlin und der IHK Potsdam ermittelt und berichtet worden. Befragt wurden 758 Unternehmen und Selbstständige der Kultur- und Kreativwirtschaft zu ihrer Zufriedenheit mit ihrem Geschäftsverlauf, zu den Stärken und Schwächen des Standortes und zu ihren Zukunftserwartungen. Untersucht wurden elf Teilmärkte – von der Film- und Musikwirtschaft über Design und Mode bis hin zu Games, Software und Multimedia.

Stimmen zur Branchenentwicklung

Staatssekretär Henner Bunde, Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung: „Die Berliner Kultur- und Kreativwirtschaft hat sich inzwischen fest etabliert. Neben der Werbewirtschaft hat sich insbesondere die Software- und Gamesbranche zu einem starken Zugpferd entwickelt, die bereits die Chancen der Digitalisierung für sich nutzt. 45 Prozent der Unternehmen rechnen mit weiter steigenden Investitionen. Mit unserem erfolgreichen Förderprogramm ProFIT und dem VC-Fonds Kreativwirtschaft unterstützen wir junge, innovative Unternehmen und machen sie fit für die digitale Zukunft.“

IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder sagte: „Die Kultur- und Kreativwirtschaft der Hauptstadtregion befindet sich derzeit in einer Phase der Konsolidierung und Normalisierung. Das eröffnet neue Perspektiven, kann aber auch Ängste schüren. Umso mehr ist jetzt ein sensibles Schnittstellen-Managements zwischen den Bedürfnissen der Populär- und Exzellenz-Kultur und privatwirtschaftlichen Unternehmen gefragt. Vernetzung, Digitalisierung und Internationalisierung sind auch in dieser Branche die zentralen Herausforderungen. Die Pläne und Prognosen der Akteure stimmen uns optimistisch, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft auch in den kommenden zwölf Monaten wachsen und für zunehmende Beschäftigung in der Region sorgen wird – und sich dabei sowohl wirtschaftlich als auch kulturell ständig neu erfindet.“

In der Gesamtentwicklung seit 2011 spiegelt sich ein wirtschaftlicher Aufschwung und steigendes Interesse an der Hauptstadtregion wieder. Doch die Bilanz zeigt auch erste Risse, die sich vor allem in der Medienbranche, Kunst und Kultur abzeichnen.
In der wirtschaftspolitischen Interpretation heißt es zwar:

„Die Region gewinne an Absatzkraft, die Branchen profitierten von einer Vielzahl an Fachkräften und vielfältigen Vernetzungsmöglichkeiten. Berlin überzeuge dazu mit Offenheit, Dynamik, Vielfalt und Internationalität als Magnet für Künstler und Kreative.“

Doch die Warnzeichen sind nicht zu übersehen:

„Gleichzeitig wachsen die Herausforderungen: So steige laut den Teilnehmern der Studie der Bedarf an Förderung und Finanzierung weiter, hinzukommen die Anforderungen der Digitalisierung. Auch könnten steigende Preise für Arbeit und Leben nicht vollständig durch höhere Löhne und Gehälter ausgeglichen werden.“

Vor allem steigende Mieten sorgen inzwischen eine Verdrängung von Künstlern, Ateliers und Galerien.

Volkswirtschaftliche Perspektive übersieht Strukturprobleme

Der Kreativ- und Kulturwirtschaftsindex sorgt mit seiner Befragungsperspektive für blinde Flecke in der Bilanz. Wichtige Strukturprobleme werden übersehen.

So hat die große Anziehungskraft und Attraktivität für Künstler zu einem maßlosen Zustrom von „Künstlern“ geführt. Während der Berufsverband Bildende Künstler rund 1.700 Mitglieder hat, sind die geschätzten Zahlen im Bereich Bildende Künstler von 5.600 im Jahr 2011 auf rund zehntausend angewachsen, während das Publikum überschaubar bleibt. Kanibalisierungseffekte und Überangebote bleiben so unentdeckt.

Die Digitalisierung wird im Allgemeinen als „heilsbringende Zukunftsversprechung“ angesehen. Doch gerade im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft breiten sich schleichend Auszehrungseffekte aus. Das große Geschäft „Big-Data und werbefinanzierte Dienste“ sorgen für eine Entwertung von lokalen Dienstleistungsangeboten, wie etwa im Webdesign.

Gleichzeitig sorgen Milliarden von kostenlos mitgelieferten Apps für schrumpfende lokale Wertschöpfung und einen steigenden „digitalen Drain“ zu großen weltweiten Internetkonzernen.

Generation Smartphone
Generation Smartphone: Bis zu 81% auf mobiler Kultursuche!

Granularisierung der Internet als ökonomisches Problem

Das Internet teil sich in immer mehr Kanäle auf. Das Google-Web schrumpft. Wichtiger Indikator: Kulturstandorte wie etwa die Kulturbrauerei und der Pfefferberg verzichten inzwischen auf eine Suchmaschinenoptimierung.

Damit fallen aber die für die Skalierung von Innovationen wichtigen „Skalierungsbedingungen“ wie Offenheit, Transparenz und unmittelbarer Zugriff weg. Manche Startups werden davon regelrecht überrascht.

Das intensivierte Nutzungsverhalten von Smartphones lässte Kommunikationszeiten wachsen, während die Informationsnutzung schrumpft. Zeitungen weiten dennoch ihre Angebote immer mehr aus, und verkürzen die redaktionellen Taktzeiten.

Wichtiges Fazit: Der Erfolg der Kreativ- und Kulturwirtschaft beinhaltet zugleich strukturelle informationstechnische Veränderungen, die für ein weiteres Branchenwachstum selbst zur Gefahr werden können.

Weitere Informationen:

www.ihk-berlin.de/KKI