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Mehr Qualität in der Stadtplanung

Pankow ist ein Wachstumsbezirk, und liegt seit Jahren in Berlin mit der Zahl der Baugenehmigungen vorn. Doch das Stadtwachstum muß organisatorisch bewältigt werden, die Bezirkspolitik muss dazu Vorsorge treffen. In Pankow gibt es dazu so etwas wie eine „ganz große Koalition“, denn Stadtplanungsausschuß und die „planende Verwaltung“ haben sich am 23.11.2013 zu einer öffentlichen Klausurtagung im Rathaus getroffen.

Öffentliche außerordentliche Sitzung/Klausurtagung d.Ausschuß f. Stadtentwicklung u.Grünanlagen am 23.11.2013

Die Tagung sollte dazu dienen, die Prioritäten im Bezirk neu abzustecken, und auch einen Blick auf drängende Fragen lenken, die wachstumsbedingt auf Stadtplanungsamt und Baugenehmigungsbehörde und Bezirkspolitik zukommen.

Gleichzeitig gab es brisante Themenschwerpunkte: die Sicherung von Kleingärten, Fragen zur Fortschreibung des Einzelhandels- und Zentrenkonzeptes, zum städtebaulichen Leitbild, zur die Prioritätensetzung bei der Aufstellung von Bauleitplänen und eine grundsätzliche Behandlung des städtebaulichen Vorhabens „Pankower Tor“.

Sicherung von Kleingärten

Beim Thema Kleingärten spielt die Frage der planungsrechtlichen Sicherung eine wichtige Rolle. Politisch ist seit den entsprechenden Beschlüssen der BVV klar: die Kleingärten sollen im Bezirk Pankow erhalten werden. Dennoch gibt es Investoren, die Kleingartenanlagen erwerben, und auf juristischen Weg versuchen, Baurechte zu erlangen, wie es am Präzedenzfall Famos e.V. erfolgreich gelang.
Der Abgeordnete Kempe (DIE LINKE) wandte ein, das die öffentliche Diskussion darum problematisch sei, weil potentielle Investoren daraus Schlüsse ziehen können.

Nach kurzer Diskussion wurde die öffentliche Sitzung unterbrochen, und eine 25-minütige „nichtöffentliche Behandlung“ des sensiblen Themas beschlossen. 5 Zuschauer, darunter auch der Vorsitzende der Pankower Gartenfreunde, Herr Wölferts, wurden hinauskomplimentiert, was auf Unverständnis stieß.
In der 25 minutigen nichtöffentlichen Klausur wurde die weitere Vorgehensweise zwischen Stadtverordneten und der Abteilung Stadtentwicklung besprochen.
Der konkrete Beschluß wurde danach öffentlich verkündet: für fünf auf der Frühwarnliste identifizierte Kleingartenanlagen werden Bebauungspläne zur Sicherung als „Kleingartenfläche“ aufgestellt.
Damit werden Kleingartenanlagen beplant und gesichert, die nicht in allen Teilen den Anforderungen des Bundeskleingartengesetzes entsprechen, und auf denen größeren „Datschen“ stehen, als den 24 Quadratmetern nach BKleingG entspricht.
B-Plänen sollen nun vorrangig für die Kleingartenanlagen „Edelweiß“, „Gartenbau Nordend e. V.“, „Hoffnung“ und die Sicherung der KGA Famos e.V., die künftig auch einige neue Parzellen im Nassen Dreieck erhalten soll.

Baujuristische Verstärkung für die Stadtplanung

Schon lange litt das Pankower Stadtplanungsamt an Personalknappheit. Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/Grüne) konnte deshalb eine freudige Überraschung verkünden, die bislang nur Eingeweihten und Bezirksverordneten bekannt war: die Stelle der Baujuristin im Stadtplanungsamt ist besetzt. Zunächst für eine Übergangszeit von 6 Monaten wurde Frau Klimmeck aus dem Bezirksamt Lichtenberg „ausgeliehen“ und wird auch künftig im Stellenplan das Bezirksamt verstärken.
Frau Klimmeck hat in Lichtenberg und Marzahn die Planverfahren für die großen Einzelhandelszentren betreut und ist eine Expertin für dieses in Pankow bedeutsame Fachthema. Zugleich kann Frau Klimmeck schon im Vorfeld der Planentwicklung von B-Plänen ihre juristische Kompetenz einbringen.
Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/Grüne) hofft so auch, die Qualität der Planentscheidungen verbessern zu können, und „künftige Bauchlandungen“ bei Planverfahren und Behördenauflagen vorbeugen zu können.

Einzelhandels- und Zentrenkonzept

Zum Thema Einzelhandels- und Zentrenkonzepte hatte der Ausschuß auf Initiative von Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/Grüne) den Verwaltungsjuristen Dr. Bernhard Haaß eingeladen.

Haaß war eingeladen, um die juristische Sicht von der Seite der „Interessenträger“, in der Regel großen Einzelhandelskonzernen, zu vertreten. Dr. Haaß vertritt die großen Handelsunternehmen bei der planungsrechtlichen Durchsetzung von Neubau- und Flächenansprüchen, und ist für die Verwaltung ein bekannter „Kontrahent“, wenn es um Rechtstreite und „Verabredungen vor Gericht“ geht.

Dr. Haaß bedanke sich für die Einladung und zeigte echte Hochachtung für die Bereitschaft des Bezirks, ihn als „juristischen Hauptgegner“ eingeladen zu haben.

Dr. Haaß referierte die aus seiner Sicht bedeutsamen Aspekte bei der Aufstellung und Umsetzung von bezirklichen Zentrenkonzepten.

Er warnte vor allem die Politik, die „zu große Erwartungen an die Verwaltung aufbaut“ und diese in zu ambitionierte Konzepte treibt. Haaß machte deutlich, das die Politik nicht vor Konkurrenz schützen könne.
Zentrenkonzepte seien für ihn ein Hilfsmittel für die Stadtplanung. Planung und Genehmigung können lediglich in Bezug auf „Zentrenschädlichkeit“ gesteuert werden, für die es klare Kriterien gibt.

Haaß bezieht sich damit auf den Stadtentwicklungsplan (SteP) Zentren, für den seit dem 22. Juli 2009 in Berlin einheitliche Ausführungsvorschriften für bezirkliche Einzelhandels- und Zentrenkonzepte vorliegen. Diese sollen dazu beitragen, dass die bezirklichen Konzepte eng verzahnt ineinander greifen und enthalten u.a. Vorgaben zu den gemeinsamen Zielen, Leitlinien und Steuerungsgrundsätzen, zur einheitlichen Darstellung sowie zu den notwendigen Inhalten und Verfahrensschritten.

Aufgabe bezirklicher Zentrenkonzepte ist es insbesondere,

  • die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelseinrichtungen mit zentrenrelevanten Sortimenten durch die Festlegung zentraler Versorgungsbereiche stadtverträglich zu steuern,
  • die wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs (Nahversorgung) an städtebaulich integrierten Standorten zu stärken,
  • die qualitative Profilierung der bezirklichen Zentren zu fördern und Maßnahmen zur Stabilisierung und Aufwertung dieser Zentren zu benennen sowie
  • Flächenpotenziale für ergänzende Standorte und Nutzungen soweit erforderlich auszuweisen.

Haaß versetzt mit seiner durchaus fundierten Argumentation die Stadtplanung in die Defensive. Und vor Gericht hat er das nach gültiger Rechtslage auch schon in vielen Fällen „bewiesen“.

Nahversorgung und Trends bei Handelsflächen

Haaß verwies auch auf die neuere Entwicklung bei Handelsflächen, bei denen die Discounter künftig auf größere Sortimente und Flächen hinarbeiten.
Typische Discounter mit 600-800 Quadratmetern Fläche für die Nahversorgung werden künftig auf 1.000-1.500 Quadratmeter wachsen. Gemeint sind damit ALDI, LIDL, NETTO und andere, die sich aus dem engen Korsett der Billiganbietern herausarbeiten.

Daneben entstehen Vollsortimenter von bis zu 2.400 Quadatmeter, wie etwa EDEKA, REWE und andere, die als Nahversorger in bestehende Zentren drängen.

Hier entsteht eine neue Herausforderung für die Stadtplanung, weil die neue Tendenz zur Erweiterung in bestehenden Nahversorgungszentren und Einzelhandelzentren schwerlich als „zentrenschädlich“ ausgelegt werden kann, gleichwohl aber Verdrängungs- und Verlagerungseffekte auslösen wird.

Städtebauliches Leitbild

Beim Thema „Städtebauliches Leitbild für Pankow“ verwies Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner auf dessen Notwendigkeit für die künftige Stadt- und Landschaftsplanung.
Neben den Zielen der Stadtentwicklungsplanung Berlin 2030 und dem StEP Wohnen müssen die allgemeinen städtebaulichen Zielsetzungen konkret auf „Pankow heruntergebrochen werden“.
In der Diskussion war man sich einig, das die „10 Punkte der Stadterneuerung Prenzlauer Berg“ bereits ein guter Ansatzpunkt für die weitere Diskussion sind.

Als bedeutsam Weiterentwicklung des „Transformationsraums Buch“ gesehen, der zukünftig noch weiter ausgebaut und moderniert wird.
Der Bezirksverordnete Peter Brenn (Bündnis 90/Grüne) machte eine wichtige Anmerkung. Er sieht die Stadt-Land-Übergänge im Bezirk als eine besondere Qualität, die zu erhalten und entwickeln ist.

Ein konkreter Arbeitsauftrag zur Erarbeitung eines städtebaulichen Leitbildes wurde jedoch nicht formuliert, obwohl sich dessen Fehlen bereits bei einigen wichtigen Planverfahren im Bezirk bemerkbar macht.

Qualität statt Quantität

Den nächsten Themenblock nahm die Bauleitplanung ein, die wichtigste „gesetzgebende Aufgabe“ der Abteilung Stadtentwicklung, mit der der städtebaulichen Rahmen für all die Bauvorhaben gesetzt wird, die nicht einfach nach §34 als ortsüblich gelten, und einfach per Vorbescheid und Baugenehmigung gehnemigt werden können.

Hier hat die Abteilung Stadtentwicklung nicht nur einen großen Umfang zu bewältigen, denn etwa 100 Bebauungspläne befinden sich in unterschiedlichen Planungs- und Bearbeitungsstand. Es ist auch eine technische Modernisierung zu bewältigen, die mit der Einführung der Elektronischen Baugenehmigung (eBG) zu tun hat.

Frau Kienitz, Gruppenleiterin in der „Verbindlichen Bauleitplanung“ beschrieb die Neuerung so: „Die Uhr beginnt zu ticken“, sobald ein Mitarbeiter des Amtes einen elektronisch eingereichten Bauantrag als Datei öffnet.
Die Herausforderung dabei: „… viele Bauanträge werden unvollständig und in einem praktisch unzureichenden Bearbeitungsstand eingereicht“. Das erfordert viel Nacharbeit und Beratung.

Frau Kienitz erläuterte deshalb auch, die Umstrukturierung in ihrer Behörde, in der nun der Bereich Information / interner Service aufgestockt wurde, um Bauherren und Planer künftig schon vor Einreichung von Bauanträgen besser zu informieren.

Bebauungsplanung nach Priorität

Die Arbeitskapazität des Stadtplanungsamtes ist derzeit auf die gleichzeitige Bearbeitung von 15 Bebauungsplänen personell ausgerichtet. Die notwendige und vorgesehene Personalaufstockung in der Berliner Stadtplanung für alle Bezirke kommt erst ab 2014 in Gang. Ingesamt werden rund 74 Stellen ausgeschrieben, von denen nach bisherigen Verteilungsschlüssel sechs Mitarbeiter für Pankow geplant sind. Legte man die Arbeitsbelastung anhand der Zahl laufender B-Pläne fest, müßte der Verteil-Schlüssel verändert werden. So müsste Pankow eigentlich 5 zusätzliche Mitarbeiter haben – wärend Neukölln etwa 5 Mitarbeiter zu viel hätte.
Stadtrat Kirchner ließ erkennen, „er sehe hier noch Verhandlungsbedarf“. Auch habe das Rennen um die besten Köpfe längst begonnen, weil es noch gar nicht absehbar ist, ob der Markt insgesamt so viele geeignete Mitarbeiter für die Bauleitplanung hergibt.

Frau Kienitz erläuterte ihren derzeitige Prioritätenbildung bei der Bearbeitung der B-Pläne, die jeweils durch politische Prioritätensetzung und aktuelle Entwicklungen veränderbar ist.
Bedeutsam war ihre Aussage, nachdem sich unter den begonnenen Verfahren rund 40 B-Planverfahren im Wartestand befinden, oder zwischenzeitlich zum Erliegen gekommen sind.
Bei diesen älteren B-Plänen muss zum Teil aufwändig nachermittelt werden, ob Eigentümerwechsel und andere planerische und personelle Veränderungen wirksam geworden sind.

Frau Kienitz legte dem Ausschuß damit überzeugend dar, das sie ihre Abteilung und die anstehenden Aufgaben gut im Griff hat und die organisatorischen und verwaltungstechnischen Neuerungen in der Stadtplanung bereits weitgehend bewältigt hat.

Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner wies zu diesem Thema abschließend hin, dass bei der Bearbeitung der B-Pläne nun „Qualität vor Geschwindigkeit gehe“.

Wichtige Einzelvorhaben zum Wohnungsbau werden im Bezirk weiter vorangetrieben, etwa an der Wohnungsbaupotentialfläche an der Michelangelostrasse. Für die Siedlungen der Wohnungsbaugenossenschaft Zentrum mit Q3A-Bauten im Mühlenviertel wird eine Nachverdichtung geprüft.

Ferner werden Vorgespräche mit diversen Beteiligten zu Planungen an der Elisabethaue, in Buch und am Blankenburger Pflasterweg geführt. Auch das Planverfahren für den erweiteren Bereich Thälmannpark soll weitergeführt werden, bei dem ein Potential von 2.100 Wohnungen identifiziert wurde (dessen Voruntersuchung gerade ausgelegt ist).

Bezirkspolitisch bleibt festzuhalten: Kirchner hat mit seinen Mitarbeitern seit seiner Amtsübernahme im Jahr 2011 die Abteilung Stadtentwicklung des Bezirksamtes reorganisiert und für den künftigen Wachstumskurs fit gemacht.

Werkstattverfahren Pankower Tor

Mit Spannung wurde das Thema „Pankower Tor“ erwartet, das als „Werkstattverfahren“ der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt im Einvernehmen mit dem Bezirk Pankow und dem Investor Kurt Krieger Grundstücksgesellschaft im Frühjahr 2012 gestartet war.
Das Werkstattverfahren hat sich zu einem reinen Gutachterverfahren mit zeitweiliger Akteurs- und Bürgerbeteiligung entwickelt, und lief weitgehend hinter geschlossener Kulisse ab.
Gutachterstreit, Streit um Zahlen und planungsrechtliche Hürden haben bisher das Verfahren bestimmt. Auch die bisherige begleitende Verkehrsplanung hat kein schlüssiges Konzept vorlegen können.

Zentrenverträglichkeit nicht geklärt

Die wichtigste Hürde zur Realisierung des von Kurt Krieger favorisierten Konzeptes wurde bislang im Werkstattverfahren noch nicht genommen:

„Die Herstellung der Zentrenverträglichkeit“, die sich nicht nur im Vorfeld der Planaufstellung, sondern im Zweifel nach Planaufstellungsbeschluß weisen muss, der durch wirtschaftliche betroffene Dritte juristisch zu Fall gebracht werden kann. Im Zweifel wird ein B-Plan von mächtigen Konkurrenten juristisch zu Fall gebracht, wenn gegen den StEP-Zentren angeplant wird.

Ob der planungsrechtliche Kniff einer „Zentrenerweiterung“ hilfreich ist, bleib auch offen:

Der Versuch der Arbeitsgruppe der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, einen Kompromißvorschlag vorzuschlagen, der planungsrechtlich als eine „Erweiterung des Pankower Zentrums“ gedeutet werden kann, stieß auf Ablehnung des Investors.

Stadtrat Jens-Holger Kirchner stellte dazu auf der Klausurtagung fest: „Das knapp eineinhalb Jahre dauernde Verfahren habe für die Entwicklung des Geländes keine belastbaren Ergebnisse gebracht. Weder sei ein Leitbild für die städtebauliche Entwicklung geschaffen worden, noch habe das Verfahren zu einer größeren Rechtssicherheit für die Bauplanung beigetragen.“

Der Stadtplanungsausschuß beschloß daher in seiner Klausurtagung, zum Abschluß des Werkstattverfahrens am 10.Januar 2014 ein separates Votum abzugeben.

Nun steht das „Werkstattverfahren Pankower Tor“ erst einmal vor dem Scheitern. Die Beteiligten sind dennoch einen wichtigen Schritt weiter: sie wissen nun vor allem was nicht geht, und was letztlich juristisch scheitern kann. m/s

Weitere Informationen:

Aktuelle Bebauungsplan-Übersicht in Pankow

m/s