Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wird heute in einer Aktuellen Stunde im Deutschen Bundestag ihre Entscheidung zur Beschaffung waffenfähiger Drohnen vorstellen. Es deutet sich eine Entscheidung an, die zuerst das Leasing sogenannter „waffenfähiger Überwachungsdrohnen“ vorsieht, bevor längerfristige Beschaffungsentscheidungen getroffen werden.
Nach längerem Zögern hat sich Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen öffentlich für die Beschaffung bewaffnungsfähiger Drohnen für die Bundeswehr ausgesprochen. Ihre Position: Kommt es zu einem Kampfeinsatz, hätte das Parlament die Option, „mit dem Mandat und auf den konkreten Fall bezogen auch die Frage der Bewaffnung der Drohne zum Schutz der entsandten Truppen zu entscheiden“, sagte die CDU-Politikerin gegenüber der Tagesschau.
Die Debatte um die Beschaffung von „Kampfdrohnen“ schlägt nun Wellen, und es formieren sich dabei Fronten zwischen den im Bundestag vertretenen Parteien.
Die Bedenken von SPD, Bündnis 90/Grüne und DIE LINKE beziehen sich alle auf „theoretische und fiktive“ Bedenken, die weitab von jeglichen Krisengeschehen aus politischen Werturteilen, ethischen Bedenken und Befürchtungen über künftige Entwicklungen konstruiert werden.
Den Appell „Keine Kampfdrohnen!“, der „Drohnen-Kampagne“ haben inzwischen etwa 20.000 Menschen unterzeichnet. Im Appell wurden, die wichtigsten, Argumente gegen die Anschaffung und Nutzung bewaffneter Drohnen genannt.
Im Appell heißt es: „Wir lehnen Kampfdrohnen ab, weil ihr Einsatz
– die Schwelle zu bewaffneten Aggressionen weiter senkt,
– gezielte‘ Tötung von Menschen innerhalb und außerhalb von Kriegen bedeutet – ohne Anklage, Verfahren und Urteil,
– die Bevölkerung betroffener Landstriche terrorisiert und sie an Leib und Leben gefährdet,
– die Entwicklung autonomer Killer-Roboter befördert und noch schrecklichere Kriege zur Folge hätte,
– eine neue Rüstungsspirale in Gang setzt.“
Die wichtige Debatte über Abschreckung, Zweck, Nutzen und mögliche Einsatzregeln ist darüber weitgehend verstummt. Eine sachliche Debatte über Risiken und Chancen des Einsatzes von „waffenfähigen Drohnen“ wird damit durch politisch-ideologische Vorbehalte noch weitgehend verhindert.
Führende Bundeswehrvertreter befürworten unbemannte Luftfahrzeuge
Bereits in der letzten Wochee hatte Henning Otte, stellvertretender Vorsitzender des CDU-Bundesfachausschusses „Außen-, Europa- und Sicherheitspolitik“ und Reserveoffizier gegenüber der Rheinischen Post erklärt, es sei die Zeit gekommen, sich in einer gesellschaftlichen Debatte über unbemannte Luftfahrzeuge „insbesondere mit optionalen Kampffähigkeiten“ auseinanderzusetzen. Nach Ottes Ansicht geht es dabei „um nichts Wichtigeres als um den bestmöglichen Schutz unserer Soldaten“.
Auch Generalleutnant Hans-Werner Fritz, Befehlshaber im Einsatzführungskommando der Bundeswehr, in Potsdam-Geltow befürwortet die Beschaffung von „waffenfähigen Drohnen“.
In der 16. Sitzung des Verteidigungsausschusses am 30. Juni im Paul-Löbe-Haus in Berlin wurde eine umfangreiche öffentliche Anhörung von Experten durchgeführt.
Deren Thematik umfasste „völker-, verfassungsrechtliche, sicherheitspolitische und ethische Fragen im Zusammenhang mit unbemannten Luftfahrzeugen, die über Aufklärung hinaus auch weitergehende Kampffähigkeiten haben“.
Einzelsachverständige nahmen Stellung, etwa Dr. Marcel Dickow (Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin), Generalleutnant Hans-Werner Fritz (Befehlshaber Einsatzführungskommando der Bundeswehr, Potsdam), Prof. Dr. Elmar M. Giemulla (Honorarprofessor für Luftrecht an der Technischen Universität Berlin), Prof. Dr. Wolff Heintschel von Heinegg (Leiter des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Völkerrecht, Europarecht und ausländisches Verfassungsrecht an der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt an der Oder), Hellmut Königshaus (Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages, Berlin), Prof. Dr. Thilo Marauhn (Professur für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht an der Justus-Liebig Universität, Gießen), Christoph Marischka (Informationsstelle Militarisierung e.V., Tübingen) und Dr. Niklas Schörnig (Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Frankfurt am Main). Auch der Deutsche Bundeswehr-Verband war bei der Anhörung.
Drohnen-Befürworter sind vor allem bei den „Praktikern“ zu finden:
Generalleutnant Hans-Werner Fritz, Chef des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, André Wüstner vom Bundeswehrverband, als parlamentarische Stimme der Soldaten der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus. Für die Militärexperten ist eine mit Raketen bestückte Kampfdrohne nichts anderes als eine Kombination von zwei Fähigkeiten, die bisher nur getrennt zu haben waren: Nachhaltige Aufklärung einerseits, Luft- Nahunterstützung andererseits.
Friedenseinsätze mit Drohnen-Patrouille?
Der Schutz von Friedenseinsätzen der Bundeswehr aus der Luft mittels Luftaufklärung ist unumstritten. Die Vorteile sind ganz offenbar: das Anschleichen von Gegnern, das Vergraben von Sprengsätzen und offene und verdeckte Angriffe können aus der Luft schon frühzeitig erkannt werden, wenn eine Überwachungsdrohne mit Echtzeit-Video-Cam über dem Zielgebiet kreist.
Die Überwachungsdrohnen machen auch eine wichtige militärische Taktik sicherer, weil das Patrouillieren ohne Gefährdung eigener Soldaten möglich wird. Viele Aufgaben von Aufklärungs- und Erkundungspatrouillen können durch Drohnen erfüllt werden, ohne am Boden Spähtrupps einsetzen zu müssen, die in der Regel sehr gefährdet sind, und schon aus rund einem Kilometer Enfernung mit Scharfschützen angegriffen werden können.
Würde die Bundeswehr sogar bewaffnete Drohnen einsetzen, käme ein enormer Abschreckungseffekt hinzu, weil etwa mit Hellfire-Raketen bewaffnete Drohnen binnen 10-20 Sekunden jedes Ziel treffen können. Die Frage der Abschreckungsfähigkeit bewaffneter Drohnen ist bislang in der politischen Debatte völlig ausgeblendet worden.
Auch die Frage, ob bewaffnete Drohnen etwa geeignet sind, Friedenseinsätze der Bundeswehr sicherer und zugleich erfolgreicher zu machen, ist noch ncht ausreichend gestellt und erörtert worden.
Schutz – das zentrale Argument?
„Der Schutz der Soldaten ist für uns das zentrale Argument“, sagte am Montag Bundeswehr-Verbandschef Major André Wüstner. Er schloss auch aus, dass die Bundeswehr Kampfdrohnen als „weltweite Killermaschinen“ nutzen könnte, so wie dies die USA tun.
Auch der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus (FDP) sieht weder bei Regierung und Parlament noch im deutschen Militär eine Tendenz, Drohnen leichtfertiger einzusetzen als etwa andere Waffen.
Der FDP-Politiker warb ebenfalls mit dem Schutzargument: „Ethische Bedenken etwa der Kirchen seien ehrenwert, aber es gebe keinen Grund, die eigenen Soldaten unnötig Gefahren durch „Fähigkeitslücken“ auszusetzen, die durch andere oder bessere Ausrüstung vermieden werden könnten.“
Ministerin von der Leyen argumentierte auch mit einer „Schutzlücke“:
An einem pragmatischen Beispiel erläuterte die Ministerin, ein mögliches Einsatzszenario: Zwar sei der Abzug der Bundeswehr in einer kilometerlangen Kolonne in unübersichtlichem Gelände aus dem Feldlager im afghanischen Kunduz durch eine Aufklärungsdrohne überwacht worden. Ein Angriff auf den Konvoi wäre also frühzeitig erkannt worden. Aber von der Anforderung bis zum Eintreffen der Luftunterstützung für die Bodentruppen durch Hubschrauber oder Flugzeuge vergehen „„wertvolle Minuten, die Soldatenleben kosten können“. „Es existiere also eine „„Schutzlücke““, die die Ministerin schließen möchte.
Der militärische Schutz für Soldaten ist aber nur eine Möglichkeit. Nicht angesprochen wurde bislang die Frage, ob bewaffnete Drohnen nicht auch besser geeignet sind, um zivile Ziele, wie etwa afghanische Mädchenschulen oder einzelne Polizeiposten aus der Luft zu überwachen und dabei gleichzeitig präventiv zu beschützen.
Die für Friedenseinsätze der Bundeswehr bedeutsame Frage, ob diese Einsätze unter dem Schutz bewaffneter Drohnen wirksam, effektiv und nachhaltig durchgeführt werden können, wird deshalb ebenfalls nicht gestellt.
Völkerrechtliche und ethische Bedenken
Auf der Anhörung im Verteididungsausschuß haben am Montag die geladenen Völkerrechtler keine prinzipiellen Einwände gegen begrenzte Einsatzszenarien geäußert.
Für Wolff Heintschel von Heinegg, Professor an der Frankfurter Viadrina, sind Kampfdrohnen nichts anderes als Kampfjets mit Pilotenkanzel am Boden. Der Gießener Völkerrechtler Thilo Marauhn kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass – alle sonstigen Kriegsregeln beachtet – gegen Drohnen in regulären bewaffneten Konflikten keine prinzipiellen Rechtsgründe sprechen. Sie könnten sogar helfen, zwischen Kämpfern und Zivilisten genauer zu unterscheiden.
In der Kritik steht vor allem die CIA-Praxis, mit Kampfdrohnen weltweit „extralegale gezielte Tötungen“ durchzuführen, die in der Regel hohe zivile Opferzahlen herbeiführen, was in der militärischen Sprache als „Kollateralschaden“ verharmlost wird.
Die CIA-Einsatztaktiken unter dem Friedennobelpreisträger Barack Obama stehen nicht nur weltweit in der Kritik. Wissenschaftler warnen bereits von einer Aufrüstungsspirale, weil auch Gegner und Terroristen ihrerseits bewaffnete Drohnen einsetzen könnten.
Bundeswehr und die Drohnen
Die Bundeswehr setzt bereits vielfältige Drohnen-Systeme ein (Drohnen der Bundeswehr).
Im Juni 2013 standen der Bundeswehr rund 580 Drohnen verschiedener Typen (zwischen 3,5 Kilogramm und 1,5 Tonnen) zur Verfügung, von denen laut Auskunft der Bundesregierung 60 unbemannte Flugkörper bei Auslandseinsätzen in Afghanistan und im Kosovo verwendet wurden.
Unbewaffnete Drohnen zur Aufklärung, wie etwa die Aufklärungsdrohne Aladin, wie das Kleinfluggerät für Zielortung (KZO) und die
LUNA (Luftgestützte Unbemannte Nahaufklärungs-Ausstattung) der Firma EMT aus dem bayrischen Penzberg werden von deutschen Soldaten schon länger eingesetzt. Auch die Mikro-Aufklärungsdrohne im Ortsbereich (Mikado) ist im Einsatz längst bewährt.
Die gemieteten allwetterfähigen Aufklärungsdrohnen vom Typ HERON 1 (Reiher) der Israel Aerospace Industries (IAI) dienen bereits seit 2010 in der Bundeswehr und werden in Afghanistan eingesetzt.
Die HERON TP 1 eignet sich besonders für die dauerhafte Bereitstellung eines Videobildes aus der Luft in Echtzeit. Dieses sogenannte „Full Motion Video“ (FMV) aus der Vogelperspektive verbessert das Lagebild des taktischen Führers vor Ort als auch der übergeordneten Gefechtsstände im Generalsstab erheblich.
Die Mietlösung für die 3 israelischen Drohnen läuft nun nach mehr als drei Jahren aus, eine neue Lösung ist nun für die Bundeswehr dringlich.
Die Frage der Beschaffung von waffenfähigen Drohnen war noch von der früheren schwarz-gelben Bundesregierung wegen der Affäre um die Aufklärungsdrohne Euro-Hawk vertagt worden, die keine Luftfahrtzulassung bekam und wegen einer Kostenexplosion bei der Beschaffung grundsätzlich in Frage gestellt wird. Überdies stellen sich noch grundlegende Fragen zum Datenschutz weil die Euro Hawk in Friedenszeiten auch alle zivilen Daten auffangen kann, die für Nachrichtendienste von Belang sein können.
Der Fall Euro Hawk zeigt auch: aufgrund von Datenschutz und Geheimdienstüberwachung bedarf es auch neuer Einsatzregeln für den militärischen Drohneneinsatz um Inland, bereits während der Übungsflüge.
Miet-Lösung mit Waffen-Option und parlamentarischen Einsatzregeln
Die bisherigen Verträge mit der israelischen Heron-Drohne laufen aber in einigen Monaten aus. Von der Leyen plädierte nun dafür, zunächst weiterhin Drohnen zu mieten. Die bewaffnete Drohne kommt nun quasi durch die Hintertür:
„Da die neueren Modelle ohnehin bewaffnungsfähig sind, stünde uns damit künftig nicht nur die dringend benötigte Aufklärungsdrohne zur Verfügung“, erklärte die Ministerin.
In diesem Zusammenhang erklärte die Ministerin auch, nachlesbar auf der Internetseite des Bundesverteidigungsministeriums:
„… dass sich Deutschland für eine völkerrechtliche Ächtung autonomer Waffensysteme einsetzt. Auch dem Einsatz von Drohnen zur gezielten Tötung einzelner Menschen erteilte von der Leyen eine entschiedene Absage: „„Die Bundesregierung lehnt extralegale, völkerrechtswidrige Tötungen kategorisch ab.““ Das gelte für jedes Waffensystem.
So ein Vorgehen kann die Ministerin“ „mit Gewissheit““ auch für die Zukunft ausschließen, da die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist. „„Und damit ist auch der Einsatz von Drohnen durch die Bundeswehr nur möglich, wenn alle völkerrechtlichen und nationalen Regeln beachtet werden – und zwar nach Billigung durch den Deutschen Bundestag.““ Mit Blick auf die mögliche Entwicklung und Beschaffung eines ferngesteuerten Luftfahrzeuges plädierte die Ministerin für ein europäisches Projekt, das bewaffnungsfähig ist. Beim tatsächlichen – bewaffneten oder unbewaffneten – Einsatz gehe es dann darum, die Balance zu finden „„zwischen dem, was technisch möglich ist und dem, was ethisch vertretbar ist“.“
Ethisches Dilemma: Jagdbomber oder bewaffnete Drohnen?
Der fast vergessene Kunduz-Zwischenfall und dessen ethische Konsequenzen werden in der aktuellen Debatte ebenfalls ausgeblendet:
Beim Luftangriff bei Kunduz am 4. September 2009 gegen 02:00 Uhr Ortszeit wurden etwa fünfzehn Kilometer südlich der Stadt Kunduz im Norden Afghanistans zwei von Taliban entführte Tanklastwagen und die sich in nächster Nähe befindlichen Menschen bombardiert. Ein Offizier der bei Kunduz stationierten Bundeswehreinheit forderte den Bombenabwurf mit teilweise falschen Angaben an; er wurde von zwei US-amerikanischen Jagdbombern ausgeführt. Nach NATO-Einschätzung wurden bis zu 142 Menschen, darunter auch Kinder, getötet oder verletzt, der größte Zahl von Opfern bei einem Einsatz in der Geschichte der Bundeswehr.
Aus heutiger Sicht hat dieser Zwischenfall auch zu der Beschaffungsentscheidung für die HERON-1 Aufklärungsdrohnen geführt, die die damals bestehende „Echtzeit-Bild-Lücke“ geschlossen haben, aufgrund der die falsche Lageentscheidung getroffen wurde.
Die Frage, ob eine gezielte Luftunterstützung durch bewaffnete Drohnen letztlich sogar ethisch verantwortlicher ist, als der Einsatz von Bomben mit erheblicher Spreng- und Streuwirkung ist ebenfalls noch nicht diskutiert worden.
Ganz zu schweigen von den Kosten. Der Systempreis von 10 Drohnen liegt bei ca. 300 Mio. € in etwa 10 Jahren, einschl. Ersatzteilen. Die Kosten eines einzigen Euro-Fighters „Typhoon“ liegen bei einem Systempreis von 134,2 Mio. pro Flugzeug.
Bewaffnete Drohnen könnten dazu beitragen, die Kosten im Militäretat beachtlich zu entlasten! Überdies könnten freiwerdende Mittel in eine „vor-militärische Krisenprävention“ gesteckt werden.
Die Debatte um die Drohnenbeschaffung wird daher noch weitergehen. Eine Versachlichung der Debatte ist längst geboten.
Die Frage, ob bewaffnete Drohnen eine erfolgreiche Abchreckungsgarantie zur Sicherung von Friedenseinsätzen der Bundeswehr sind, wird bei künftigen Konflikten zuerst im Rahmen der Mandatierung durch den Deutschen Bundestag zu klären sein. m/s
Weitere Informationen:
Deutscher Bundestag: Beschaffung von Kampfdrohnen umstritten
BMVG: Bewaffnete Drohnen schließen Verteidigungslücke 2.7.2014