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am Pankower Tor

Gefährliche Planspiele
am Pankower Tor

INFOBOX am Pankower Tor am 23.März 2013

/// Kommentar /// Das für die Stadtentwicklung bedeutsame Entwicklungsvorhaben „Pankower Tor“ gerät aktuell in äußerste Gefahr. Nicht etwa das vorläufige Scheitern des Werkstattverfahrens der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt ist daran ursächlich, sondern ein Übermaß an guten Willen, und Ungeduld des Bauherrn – verbunden mit Naivität im Planungsrecht.

INFOBOX am Pankower Tor am 23.März 2013
INFOBOX am Pankower Tor am 23.März 2013

Nach dem vorläufigen Scheitern des Werkstattverfahrens Pankower Tor, trug offensichtlich Ungeduld zur fatalen Idee des Investors Kurt Krieger bei, die Politik per Öffentlichkeitsarbeit und öffentlichen Angeboten neu unter Druck zu setzen.

Klaus Wowereit, Teile der SPD-Abgeordnetenhaus-Fraktion, der Pankower Abgeordnete Torsten Schneider (MdA-SPD) und Bezirksbürgermeister Mathias Köhne (SPD) haben sich öffentlich unter Handlungsdruck setzen lassen, und haben dabei das gesamte Vorhaben in guter Absicht unfreiwillig an den Rand des Scheiterns geführt.

Der Grund: das Planverfahren wird jetzt durch öffentliche Preisverhandlungen über Koppelgeschäfte mit Wohnraum, Schulen und Grundstücken juristisch angreifbar. Die Beteiligten sind in eine ganz böse Falle getappt. Die konkurrierenden Zentren-Betreiber am Alexanderplatz, in Pankow und in den jeweiligen Firmenzentralen konnten sich über die neuen Schlagzeilen und Beiträge nur freuen und sich nun juristisch mit sehr harten Gegenargumenten wappnen.

Stadtentwicklungssenator Müller (SPD) und sein zuständiger Staatssekretär stehen ab sofort in schwacher Position da, weil über ihre Köpfe hinweg politisch agiert wurde, und planungsrechtliche und juristische Bedenken einfach „politisch-öffentlich überbrückt“ wurden.

Der gesamte Vorgang ist höchst ärgerlich, weil alle Beteiligten es besser wissen müssen, und weil der Investor sich auch endlich besser beraten lassen muß.

Investoren-PR & Politik mit Presse-Assistenz

Eine bereitwillige Presse hat über die Erklärungen und Vorort-Termine am Pankower Tor berichtet und dazu kommentiert. Offensichtlich arglose und ahnunglose Journalisten haben bei dem Geschehen mit ihren Beiträgen „assistiert“ und das Vorhaben mit in Gefahr gebracht:

In der Berliner Morgenpost wurden am 17.12.2013 die Verhandlungspositionen offengelegt: „Güterbahnhof: Bauprojekt in Pankow – jede dritte Wohnung für 5,50 Euro“.

Die BZ folgte mit „Güterbahnhof: Das ist Pankows neue, schmale Stadt“ – ebenfalls am 17.12.2013.

Geschacher in Pankow – textete die Berliner Zeitung.

Es ist ein fatales Zeichen für die Planungs- und Baukultur in der Stadt, wenn die öffentliche Bevorzugung eines Investors, öffentliches Verhandeln und „Spielen über öffentliche Bande“ Schule macht.

Das Werkstattverfahren war eine Chance auch für den Investor, sich externen Sachverstand einzuholen. Es ist nicht an mangelnden Sachverstand, sondern wegen mangelnder Einsichtsfähigkeit an den heute erkennbaren Punkt gelangt.

Als stiller Beobachter des Werkstattverfahrens hege ich auch große Sympathie für das Entwicklungsvorhaben, sehe aber auch die Hürden, die Stadtstruktur, Planungsrecht und staatvertraglich gesicherte Zentrenkonzepte setzen.

Der Investor selbst ist jetzt aus der Sphäre der Vertraulichkeit ausgestiegen – und nun muß auch öffentlich Kritik an seinem Vorgehen erlaubt sein!

Der 13. Planentwurf für das Pankower Tor

In der Berliner Morgenpost und der BZ wurde ein neuer Planentwurf präsentiert, nach Zählung der Pankower Allgemeine Zeitung ist es nun der 13. Planentwurf, der im Werkstattverfahren bzw. kurz danach veröffentlicht wird.
In dem neuen Entwurf fordert Krieger nun erneut ein großes Einkaufszentrum von 30.000 Quadratmetern.
„Es liegt nun ein Entwurf auf dem Tisch, der eine große Anziehungskraft hat“, sagte Krieger am Dienstag der Berliner Zeitung – und machte damit vor allem „Eigen-PR“.

Rund 350 Millionen Euro will Krieger in das „Projekt Pankower Tor“ investieren, das für ihn und für viele Pankower Bürgerinnen und Bürger eine „Herzenssache“ geworden ist.

Nach dem neuen Plan sind am U-und S-Bahnhof Pankow ein großer Stadtplatz mit Bürohäusern, Wohnhäuser mit rund 750 Wohnungen, eine Bibliothek und eine Schule mit Turnhalle geplant.
Östlich an der Prenzlauer Promenade will Krieger sein neues 40.000 Quadratmeter-Möbelhaus bauen, dazu den Besuchermagnet Einkaufscenter mit weiteren 30.000 Quadratmetern und eine weitere Schule.

Dazu soll auch eine neue Straßenbahnlinie von Pankow nach Heinersdorf führen, ein Wunsch des Bezirks der Sinn macht.

Die „Schenkung“ des Grundstücks mit dem Rundlokschuppen an den Bezirk Pankow ist problematisch, weil neben den Kosten des Denkmalschutz auch Altlasten vorhanden sind. Zudem ist bisher keine wirtschaftliche Nutzung geplant.

Ob das Vorhaben Pankower Tor attraktiv ist, oder nicht, ist nicht entscheidend. Auch großer politischer Gestaltungswille trifft auf reale Fakten und rechtliche Grenzen.

Die Gretchen-Frage lautet daher: ist das Vorhaben genehmigungsfähig?

Bevorstehende Planungshürden

Der Berliner Senat muß als ersten Schritt einen Abgeordnetenhaus-Beschluß zur Änderung des Berliner Flächennutzungsplans (FNP) herbeiführen, denn noch sind die Grundstücksflächen dort als Bahngelände markiert. Mit dieser Planänderung wird ein Baurecht vorbereitet, das jedoch mit einem Entwurf für einen städtebaulichen Vertrag gekoppelt wird, in dem bindende Zusagen zum Planungswertausgleich, zur Grundstücksüberlassung und Bebauungsformen und dem Maß der baulichen Nutzung geregelt werden. Doch dieser Vertrag steht bis zur rechtskräftigen Baugenehmigung unter „Genehmigungsvorbehalten“.

Bereits die Änderung des FNP wird nicht ohne juristische Einwände vonstatten gehen – hier sind vor allem aus den Nachbarbezirken und aus Brandenburg Bedenken zu erwarten, weil ein neues Einkaufszentrum zu Verdrängungseffekten im Handel führen kann. Stichwort ist die „Zentrenschädlichkeit“, die anhand von nachvollziehbaren Kriterien „beweisbar“ gemacht werden kann.

Mit vorbeugenden Feststellungs- oder Unterlassungsklagen könnten hier das Land Brandenburg, das Am Panketal und der Landkreis Barnim auf Einhaltung des bisher staatsvertraglich vereinbarten Zentrenkonzeptes des „StEP-Zentren“ pochen.
Mehr Qualität in der Stadtplanung“ – das war die Aussage des Bezirksstadtrats Kirchner auf der kaum vergangenen Klausurtagung zur Stadtentwicklung, auf der der Verwaltungsrechtler Dr. Bernhard Haaß gerade erst davor gewarnt hatte, „die Verwaltung in zu ambitionierte Konzepte hinein zu treiben“.

Stadtrat Kirchner war heute telefonisch zu keiner Aussage zu bewegen und enthielt sich gegenüber der Redaktion jeglicher Kommentierung mit Verweis auf seine Zuständigkeit.

Bauvorbescheid, Bebauungsplan, Aufstellungsverfahren – Aufstellungsbeschluß

Die größte Hürde wird bei der Aufstellung des Bebauungsplans entstehen, weil das Verfahren auf Schritt und Tritt von den konkurrierenden Zentrenbetreibern beäugt werden wird. Der bisher einzige Vorschlag, wie man das Gesamtvorhaben als „Zentrenerweiterung“ planungsrechtlich aussichtsreich behandeln kann, wurde jedoch vom Investor Krieger bislang selbst verworfen.

Damit läuft das gesamte Planverfahren jetzt unter hohen juristischen Risiko, nicht etwa wegen fehlenden politischen Willen, oder fehlender Sympathie, oder gar mangelnder Unterstützung der Politik – sondern wegen der rechtsfähigen Einspruchsmöglichkeiten der Zentren-Konkurrenz und einer „assistierenden Presse“, die die Argumentation obendrein noch öffentlich justitiabel macht.

Ungelöste Verkehrsfragen

Der 13. Planentwurf weist eine weitere gravierende Schwäche auf, die mit der Verkehrsentstehung und dem erhöhten Verkehrsaufkommen eines geplanten Baumarktes und eines Einkaufszentrums zu tun hat.
Im Rahmen des Werkstattverfahrens wurden auch verkehrsplanerische Gutachten erstellt, die jedoch auf eher vorsichtigen Annahmen basieren, und in den Ergebnissen noch gar keine richtige Planreife erlangen konnten.

Das von ARGUS erstellte Verkehrsgutachten prognostiziert ein tägliches Fahrzeugaufkommen von zusätzlich 33.230 Fahrzeugen pro Tag. Das sind rund 66.460 Fahrzeugbewegungen am Tag.

Rechnet man diese Zahlen auf insgesamt 4 Kreuzungen um, von denen eine neue Kreuzung und Zufahrt über eine Brücke an der Damerowstrasse führen soll, dann ergeben sich in rund 12 Tages-Stunden folgende Zahlen:

16.615 Kreuzungsvorgänge je Kreuzung pro Tag
1385 Fahrzeuge pro Kreuzung je Stunde (bei Gleichverteilung über 12 Stunden)
23 Fahrzeuge pro Minute je Kreuzung zusätzlich tagsüber.

Wie prekär diese Zahl ist, verdeutlicht ein Beispiel: eine Ampelphase mit 1 Minute in der Granitzstrasse lässt theoretisch alle 5 Sekunden ein Fahrzeug durch, etwa 12-14 pro Minute, wenn es keinen Rückstau gibt und alle Fahrzeuge im gleichen Abstand und Tempo auf die Ampel zufahren. Im Berufsverkehr kommen derzeit real nur etwa 8-10 Fahrzeuge durch, und müssen dann wieder eineinhalb Minuten auf die nächste Ampelphase warten.
Das sind Zahlen, bei denen ein Investor auch selbst nachdenken muß, ob sein Markt überhaupt zuverlässig erreicht werden kann. Pankow ist keine grüne Wiese, die bedarfsweise auf acht Spuren ausgebaut werden kann.

Dauerstau als Ergebnis der Verkehrsplanung?

Wenn man diese prognostizierten Zahlen mit der heutigen Verkehrsbelastung von „Prenzlauer Promenade“, Granitzstrasse, Berliner Strasse und Damerow-Strasse addiert, kommt als Gesamtergebnis ein Dauerstau heraus.
Die einzige nach Nordosten stadtauswärts führende Magistrale Berlins wird dabei überlastet, vor allem Rückstau auf den Grundstückszufahrten droht die Autobahnzu- und Abfahrten zu verstopfen.

Dabei haben die Verkehrsgutachter auch mündlich eingeräumt, ein Verkehrsaufkommen in doppelter Höhe von 1,2 Fahrzeugen pro Quadratmeter Einkaufsfläche (statt 0,6) liege im Bereich des Möglichen.
Das Pankower Einwohnerwachstum bis 2030 in Höhe von weiteren 60.000 Einwohnern ist dabei noch gar nicht mitbedacht.

Der Campus Berlin-Buch, aber auch Karow und der Barnim wären damit praktisch nur noch über Ausweichstrecken zugänglich und in den Spitzenzeiten im Dauerstau über die Achse B 109/A 114 in Pankow abgeschnitten.

Durch die (sinnvolle) Vorentscheidung, keine weitere Straßenverbindung von der Prenzlauer Promenade zur Mühlenstrasse herzustellen, muß das gesamte Bauprojekt künftig „stadtverträglich“ geplant werden. Es gibt keine zusätzlichen Ausweich- oder Umgehungsstraßen.

Auswege aus dem Planungsdilemma

Stadtverträglich heißt: das Vorhaben muß an die Leistungsfähigkeit des Straßennetzes angepaßt werden – nicht umgekehrt.

Verantwortlich dafür ist zunächst der Investor: er muß auch eine genehmigungsfähige Verkehrserschliessung mit einplanen. Es reicht nicht, immer nur Pläne mit neuen „Förmchen“ und „Klötzchen“ zu malen!

Nach bisherigen Zahlen der Verkehrsplaner lässt sich das auch nicht mit „Ampelkreuzungen der 70er-Jahre“ bewältigen. Es müssen viel intelligentere Verkehrsführungen geplant werden. Das Vorhaben benötigt auch ausreichend Stauraum an den Zufahrten – damit nicht die Stadtstrassen zum kostenlosen Stauraum werden.

Gebaute Beispiele kann man in Skandinavien finden. Und: es gibt auch Architekten in Berlin, die neue Vorschläge unterbreiten können, wie man z.B. näher an den S-Bahnhof Pankow Heinersdorf heranrückt, wie man wertvolle Bauflächen gewinnen kann, und wie man den Quell-Zielverkehr zum Baumarkt und Einkaufszentrum teilweise kreuzungsfrei führen kann.

Der verschwenderische Umgang mit Erschließungs- und Bauflächen ist nicht mehr zukunftsfähig, weil er fußgängerfeindlich, urbanitätsfeindlich und auf Dauer auch unwirtschaftlich ist.

Ein zukunftsfähiges Möbelhaus mit Einkaufszentrum braucht Urbanität, menschliches Maß, Sicherheitsgefühl auf den Gehwegerschließungen. Das Einkaufszentrum am ehemaligen Schlachthofgelände am S-Bhf. Storkower Strasse ist ein abschreckendes Beispiel, das jeder heute besichtigen kann.

Es wäre auch an der Zeit, einmal von BAUHAUS zu lernen, und eine „Drive-In-Arena“ mit zu planen, die platz- und zeitsparend funktioniert.

Taten statt Warten

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sollte die FNP-Änderung gut vorbereiten, und einen an „Bedingungen und Vorbehalte“ geknüpften städtebaulichen Vertrag mit dem Investor Kurt Krieger vorbereiten und dafür 3 Monate Zeit einräumen.

Gleichzeitig sollte eine „Verkehrsfolgenabschätzung der Siedlungsentwicklung“ beauftragt werden, die Verkehrsdaten nach dem Stand der Wissenschaft erhebt und methodisch absichert.

Entwurfspläne für genehmigungsfähige „Bebauungsplan-Entwürfe“ sollten nicht mehr von „Lego-Klötzchen“-Schiebern, sondern von qualifizierten Architekten erstellt werden, die auch Referenzen für ähnliche Projekte in Skandinavien und Shanghai vorweisen. Dazu müssen auch externe Architekten eingeladen werden, die das Bauprogramm des Investors Krieger in die Stadt „einfügen“ können.

Die Zeit für eine „Klötzchen- und Kisten-Architektur der 70er Jahre“ ist in Pankow auch vorbei! Es wäre schön, wenn Kurt Krieger die Nerven behält, und mit mehr Innovation und Altersweisheit weiter plant.

Wenn das Projekt intelligent wird, ÖPNV, Fahrrad und Auto intelligent vernetzt – kann es die Krise mit Gewinn überstehen und tatsächlich zu einem städtebaulichen Highlight werden.

Da der juristische Ausgang des Planverfahrens „Pankower Tor“ grundsätzlich riskant und offen ist, sollten der Bezirk Pankow und das Land Berlin aber auch Vorsorge treffen.

Wenn das Planverfahren in 2014 oder 2015 scheitern sollte, weil Investor Krieger keine genehmigungsfähigen Planentwürfe vorlegen kann, müssen vorsorglich Ersatzgrundstücke am Autobahn-Dreieck Pankow gesichert werden. – Dipl.-Ing. Michael Springer

m/s

One thought on “Gefährliche Planspiele<br>am Pankower Tor

  1. ich danke ihnen für den sehr ausführlichen bericht, der auch gerade
    die komplizierte sachlage des projektes hier in pankow aufzeigt.

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