Heute tagen die Koalitionsverhandlungspartner von CDU/CSU, und SPD in verschiedenen Arbeitsgruppen. Bei den Verkehrsexperten steht das Thema PKW-Maut auf der Tagesordnung. Die CSU hatte im Bundestagswahlkampf die Einführung einer PKW-Maut gefordert. Inzwischen ist das Thema auf der Agenda aller Parteien angelangt.
Die Auffassung der CSU scheint sich durchgesetzt zu haben: auch ausländische Verkehrsteilnehmer sollen mit zur Finanzierung der Infrastruktur herangezogen werden. Die Frage ist nur noch das „wie“?
Modell Vignette
Das Bundesverkehrsministerium favorisiert offenbar die Einführung einer Maut-Vignette, eine Straßenabgabe nach österreichischem Vorbild.
Nach diesem diesem Gebührenmodell müssten sowohl deutsche als auch ausländische Autofahrer eine Vignette erwerben, die für ein ganzes Jahr 100 Euro kosten dürfte. Für eine Teilfrist von einigen Tage oder Wochen könnte dabei die Autobahngebühr entsprechend geringer ausfallen.
Deutsche Autofahrer könnten die Kosten der Vignette gegen die Kfz-Steuer verrechnen, damit wäre der Aufwand für sie kostenneutral. Die Pläne des Verkehrsministeriums sehen auch einen Öko-Rabatt für Fahrer schadstoffarmer PKW vor, deren KfZ-Steuer unter 100 Euro liegt.
Wichtigstes Ziel: in Deutschland zugelassene Pkw nicht zusätzlich belastet werden.
Problem Finanzierung
Bei dem Modell Vignette gibt es jedoch noch erheblichen Klärungsbedarf: nur rund 5% des PKW-Verkehrs in Deutschland werden durch ausländische PKW versursacht. Damit ist das Maut-Aufkommen aus der Vignette überschaubar. Dagegen müssen Verwaltungkosten für die Ausgabe der Vignetten und die Kosten vor Kontrollen gegengerechnet werden. In der Bilanz ist noch gar nicht absehbar, ob überhaupt ein Einnahmeüberschuß zustande kommt. Verkehrsexperte Florian Pronold (SPD) hat sich skeptisch geäußert: „… weil die Verwaltungskosten von rund 9% die Einnahmen von 5% ausländischer Pkws weitgehend auffressen.“
Ping-Pong-Effekte
Mehrere EU-Mitgliedstaaten, darunter Italien, Frankreich und Ungarn, erheben für die Benutzung von Autobahnen und Schnellstraßen Gebühren. Die österreichische Regelung, die nun offenbar dem deutschen Verkehrsministerium als Beispiel dient, besteht aus einer Vignetten-Pflicht. Ein zehn Tage gültiges Ticket kostet 8,30 Euro, für zwei Monate werden 24,20 Euro fällig, für ein Jahr 80,60 Euro. Die Vignetten werden an Tankstellen verkauft oder können bestellt werden.
Wenn künftig für ausländische KFZ auch Mautgebühren fällig werden, könnten die EU-Nachbarstaaten auch auf den Gedanken kommen, von den deutschen Autofahrern mehr Geld zu kassieren.
Am Ende wäre der deutsche Autofahrer der Dumme – und würde noch mehr Geld für sein Auto bezahlen, wenn er es benutzt.
Pronold befürchtet auch Verlagerungseffekte:
„Aufgrund des speziellen Nutzerverhaltens von Pkw-Fahrern wird es bei einer Pkw-Maut zu sogenannten Ausweichverkehren kommen, d.h. viele Autofahrer werden auf Bundes- und Landstraßen ausweichen. Die Folgen dieser Mautausweichverkehre wären: längere Wege, mehr Staus, deutlich mehr Verkehrstote, denn die Landstraße ist die gefährlichste Straße, sowie erhöhter Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß. Die Ausweichverkehre sorgen für zusätzliche Belastung durch Lärm und Schadstoffe der Anwohnerinnen und Anwohnern in vielen Ortsdurchfahrten und Wohngebieten.“
Straßenbau und Infrastruktur brauchen viel Geld
Für den Erhalt der Infrastruktur und die Instandsetzung und Erneuerung von Brückenbauten wird ein Bedarf von jährlich 12-14 Mrd. € im Investitionsetat für die Bundesverkehrswege benötigt.
Eine Maut bringt gar nicht soviel Geld, wie benötigt wird:
Wine allgemeine Vignette für alle Kfz, ähnlich wie zum Beispiel in der Schweiz oder Österreich (Beispiel: 1 Jahr 100 Euro / 2 Monate 30 Euro / 10 Tage 10 Euro), bringt nach Berechnungen des ADAC einen kläglichen Finanzierungsüberschuss von ca. 600 Millionen Euro.
In einer Beispielrechnung für eine Standardmaut (5 Cent je gefahrener Kilometer) kommt ADAC der zu dem Ergebnis, dass mit dieser Variante ein Betrag von 5,1 Mrd. Euro erwirtschaftet werden könnte. Bei einer durchschnittlichen Fahrleistung kämen damit Belastungen von 600 bis 700 Euro auf einheimische Autofahrerinnen und Autofahrer zu. Das jedoch wird als nicht zumutbar eingeschätzt.
Noch keine Lösung für die PKW-Maut
Bislang ist noch nicht absehbar, welche Lösung es für die PKW-Maut geben wird. In der CDU gibt es noch Zweifel, die über europarechtliche Fragen hinausgehen. Weder SPD noch CSU haben bisher ein Konzept vorgelegt, das eine höhrer Belastung der deutschen Autofahrer ausschliesst.
Der Ausgang der Verhandlungen der Verkehrsexperten werden daher mit einiger Spannung erwartet.
Ausweg Paket-Maut
Was Verkehrsexperten bisher nicht bedacht haben: es gäbe noch eine ganz andere, ökologisch und ökonomisch sinnvolle Möglichkeit, das Verursacherprinzip bei der Straßenbenutzung durchzusetzen.
Um Straßenabnutzung und die Belastung der Infrastruktur und Finanzierung der Instandhaltung flächendeckend einzupreisen, müßte eine „Paket-Maut“ eingeführt werden, die alle Kleintransporte und Direktlieferungen erfaßt.
Bislang fahren LKW´´s und Kleintransporter unter 12 to Gesamtgewicht im „Windschatten“ und sind von einer Mautpflicht ausgenommen. Dies hat zu einer enormen Ausweitung der Kleintransporte beigetragen.
Zieht man das nach Einführung der LKW-Maut am stärksten gewachsene Transportsegment der Kleintransporte und Kurierdienste unter 12 to und die vielen Kurierdienste mit Fahrzeugen unter 3,5 to Gesamtgewicht zur Finanzierung der Straßenbaumittel heran, so würde ein hoher Milliardenbetrag zusammenkommen.
Allein 33 Milliarden Euro wurden 2012 in Deutschland im Online-Handel umgesetzt. Eine Paket-Maut von 1 € könnte rund 5-6 Mrd. € einspielen.
Die Paket-Maut für Versandlieferungen kann auch einfach umgesetzt werden: jedes Versandpäckchen müßte eine Wertmarke tragen. Die Versandfirmen könnten ihr Versandvolumen deklarieren und entsprechend ihre Wertmarken abrechnen. Stichproben und Güterverkehrskontrollen könnten für die Einhaltung der „Paket-Maut“ sorgen.
Auch volkswirtschaftlich würde eine Paket-Maut Vorteile bieten: Verdrängungseffekte im Einzelhandel durch das Ansteigen des Onlinehandels können wirksam eingepreist werden. Das Ausbluten der Innenstädte durch Fernabsatz und kostenlose Hauslieferungen würde gebremst. m/s