Donnerstag, 18. April 2024
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No spy – no fly – no lies!

Gulfstream G550

Die US-Demokratin Dianne Feinstein legt die Folterpraktiken der Bush-Regierung offen – als Kurzfassung eines Berichts, der etwa 6000 Seiten hat. Der Bericht ist wie eine Bombe in Washington eingeschlagen, und hat ein heftiges internationales Echo ausgelöst.
US-Präsident Barack Obama räumt damit mit der verheerenden Geheimdienstpolitik der Bush-Ära auf.

Gulfstream G550
Gulfstream G550 – Foto: CC-BY-SA-3.0-de

Der am Dienstag vom Geheimdienstausschuss des US-Senats veröffentlichte Bericht kommt zu dem Schluss, dass die Verhöre der CIA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 noch brutaler waren als bekannt und nur wenig geheimdienstlichen Nutzen brachten. Zudem belog der Geheimdienst das Weiße Haus, das Justizministerium und den US-Kongress über Art, Ausmaß und Erfolg der Verhörmethoden. Im Bericht wurden besonders grausame Verhörmethoden der CIA dokumentiert, die Verdächtige durch Schlafentzug, Erniedrigung, Einzwängung und simuliertes Ertränken quälte.

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Reaktionen in der Presse

Die Reaktionen in der Presse sind klar und deutlich. Die BILD-Zeitung bezieht die Rede des US-Prädidenten ein: „Empörung in USA über CIA-Folter-Bericht „Das ist nicht Amerika“ – Obama: Wir wollen nie mehr auf Folter zurückgreifen | 10.12.2014 | BILDonline.

Die Süddeutsche widmet sich besonders Dianne Feinstein, die sich vor Veröffentlichung des Berichts heftigen Einschüchterungen und Angriffen ausgesetzt sah: „CIA-Folterbericht veröffentlicht: Alte Dame im Zentrum des Grauens“ | 9.12.2014 | Süddeutsche.de.

Der US-Geheimdiensthatschuß hat gründlich gearbeitet: „Fünf Jahre Arbeit stecken in dem mehr als 6000 Seiten starken Bericht über die Praktiken der CIA nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Mehr als 35 000 Fußnoten belegen die Schlussfolgerungen des Geheimdienstausschusses des US-Senats, “ heißt es an anderer Stelle in Süddeutsche.de.

Weltweites System von Geheimgefängnissen

Der US-Korrespondent Mathias Kolb faßte die Erkenntnisse des Berichts in nur drei Worte zusammen: „CIA-Folterbericht veröffentlicht: Brutal, unehrlich, illegal“| 9.12.2014 | Süddeutsche.de.

Erschreckend: die CIA konnte ihre illegalen Praktiken über vier Jahre lang in Afghanistan und Osteuropa durchführen. Zudem wurden auch Privatfirmen (sog. „Contractors“) für Verhörprogramme eingesetzt.

Kolb beschreibt, dass in wenigstens fünf Ländern Geheimgefängnisse unterhalten wurden: Polen, Litauen, Rumänien, Afghanistan und Thailand.

Doch wie konnte die CIA die Gefangenen in diese Länder transportieren? Wie wurden Gefangene nach Guantanamo geschafft? Eigens für diesen Zweck gibt es die „Rendition aircraft“ der CIA, meist ungekennzeichnete Flugzeuge vom Typ Gulfstream, Boeing 737 oder Learjet, die Geheimagenten und Gefangene transportieren.

Die Praxis dieser „illegalen Auslieferungen“ (Rendition: chiefly (Amer.)[law] = illegale Auslieferung) wird von der CIA bisher „weder bestätigt, noch dementiert“, wie es im offiziellen Sprachgebrauch heißt.

Weltweite Überflugrechte der CIA

Die CIA hat sich über ein Netz von Tarnfirmen praktisch auch weltweite Überflugrechte gesichert, und kann mit Hilfe der „Rendition Aircraft“ ihre geheimdienstliche Tätigkeit absichern. Natürlich sind diese Überflugrechte auch von der NATO und insbesondere von Deutschland vertraglich gesichert.
Solange die CIA sich als Geheimdienst allein der nationalen und internationalen Sicherheit der NATO-Partner verpflichtet fühlte, stellte das kein offenes Problem dar.
Mit der illegalen Machtentfaltung der CIA, die inzwischen wie eine „paramilitärische Organisation“ und vor allem entgehen internationalen und us-amerikanischen Normen arbeitet, wird die Duldung der CIA-Überflüge jedoch zum politischen und moralischen Problem.
Auch die deutschen Bundesregierungen unter Bundeskanzler Schröder und Kanzlerin Merkel haben diese illegalen Tätigkeiten der CIA stillschweigend geduldet. Sie müssen sich nun befragen lassen, wie sie mit künftigen Verstößen gegen die unveräußerliche Menschenrechte, Verstößen gegen die UN-Menschenrechtskonvention halten wollen. Vor allem sind sie gefragt, wie sie die befreundete US-Regierung bei einem offensichtlich außer Kontrolle geratenen US-Geheimdienst unterstützen wollen?

Krieg gegen den Terror als falsche Strategie?

In den USA beginnt gerade die moralische Aufarbeitung der durch die Bush-Administration in Gang gesetzten Anti-Terror-Strategie, zu der auch die Ausweitung der CIA-Zuständigkeiten gehörte.

Der Anschlag auf das World Trade Center in New York war Auslöser für die nachfolgende Strategie des „Kriegs gegen den Terror“, der damals eher als kurzfristige Reaktion zur „Angstabwehr“ und als „Rache-Aktion“ geplant wurde. Als weiterentwickelte Langzeit-Strategie hat der „Krieg gegen den Terror“ weltweit zu Verzerrungen der politischen Wahrnehmung herbeigeführt, die heute immer kritischer zu bewerten sind, weil es nur schreckliche Ergebnisse gibt.

Es schien über Jahre so, als seien die USA inzwischen nicht mehr zur Selbstreflektion fähig. Ihre weltweite digitale „Mißtrauens-Maschinerie“ der NSA und Computerindustrie wurde in Gang gesetzt. Alles wurde in den Dienst des „Kriegs gegen den Terror“ gesetzt. Parallel dazu hat sich eine neoliberale ökonomische Strategie etabliert, die einen klandestinen Finanzkapitalismus gefördert hat, der Staaten und Volkswirtschaften sprengt.

Die systemischen Nebenwirkungen kommen nun an die Oberfläche: moralisch hat der geheime CIA-Krieg gegen den Terror zur Zerstörung der moralischen Vormachtstellung der USA geführt. Ökonomisch steht die ganze Welt heute vor einer Schuldenkrise, die den entwickelten Staaten den Wohlstand kostet, und nur die Kosten des Krieges aufbürdet.

Das zum „Paradigma“ ausgeuferte Bild vom „Krieg gegen den Terror“ hat weltweit ein ganzes Netz „gescheiterter Staaten“ hinterlassen, weil man sich auf eine „Kriegsstrategie des Bombardierens und gezielten Tötens“ festgefahren hat, die letztlich nur mehr Feinde schafft, und obendrein zur Zerstörung der finanziellen Leistungsfähigkeit der USA geführt hat.

In weniger als sechs Dekaden haben die USA sogar ihre machtvollen Fähigkeiten zum „Peace-Keeping“ und „Nation-Building“ verlernt, und ihr Land (und die Welt) einer Führungselite anvertraut, die alle guten amerikanischen und demokratischen Traditionen an Waffenschränken und Zielcomputern abgegeben hat.

Der geheime CIA-Krieg und der „Krieg gegen den Terror“ haben zu einer monströsen Selbstbeschädigung geführt, deren unheilvolle Mechanismen heute ein Erstarken nachhaltiger Gefahren bewirken.

IS ist dabei nur ein sichtbarer Dämon, der mit rund 35.000 Kämpfern hunderte Millionen Muslime in einen barbarischen Abgrund reißt.

Selbstbelügen in der Politik

Sowohl die USA als auch Deutschland wurden im Krieg gegen den Terror zu Großmeistern der Selbstlügen! Offen macht sich keine Bundesregierung eine Vorstellung davon, wie sehr gerade Deutschland sich als „Ruheraum“ als „diskreter Handelspartner“ und „Hort internationaler Geldwäsche“ selbst beständig bei Verbündeten und Partnern diskreditiert, und für Terrorgefahren sorgt.

Blickt man nur in die nähere Vergangenheit, so ist Deutschland Startbasis für die Anschläge am 11.September gewesen. Auch die Proliferation von irakischer und syrischer Chemiewaffentechnik geht auf deutsche Unternehmen zurück.

Und am persischen Golf stehen iranische Anti-Schiffs-Raketen auf Selbstfahrlafetten der Marke MercedesBenz. Iranische Atom- und Zentrifugentechnik ist ohne deutsche Zulieferer und ohne Siemens-Steuersoftware gar nicht einsetzbar. Noch Fragen?

Müssen die USA Deutschland als Verbündeten überwachen, weil die Deutschen selbst ihre eigene Gefährlichkeit herunterspielen?

Gemeinsame Anstrengungen zur Überwindung der moralischen Krise

Deutschland und USA sollten eine geheime Konferenz zur Aufdeckung und Klärung von „Selbst-Lügen-Strukturen“ einrichten, und erst danach wieder mit klaren Kopf Politik machen! Langfrist-Politik!

Der zerstörerischen Performance der „Medien- und Schaufenster-Politik“ mit Kurzzeitperspektiven und einer Kurzschluß-Logik des „Bombardierens“ muß beendet werden.

Wenn es notwendig ist, die illegale Machtentfaltung des CIA zu beschränken, dann muß auch Deutschland den USA helfen!

No spy – no fly – no lies! – Die Überflugrechte des CIA für illegale Aktionen müssen notfalls zur Disposition gestellt werden!

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama müssen sich strategischen Fragen stellen:

„Wissen wir alle wirklich noch, was wir diesseits und jenseits des Atlantik tun?“

Bevor die Welt in einem neuen Mittelalter versinkt, sollten wir unsere gemeinsame Staatskunst des Mittelalters neu bedenken:

„Quidquid agis, prudenter ages et respice finem“ – … Was Du auch tust, handele klug und bedenke das Ende (Gesta Romanorum).

Weitere Informationen:

„Torture Report“ – Senate Select Committee of Intelligence:
Committee Study of the Central Intelligence Agency´s Detention and Interrogation Programm – Download-PDF