In der ehemaligen australischen Botschaft in der Grabbeallee traf am 26. Juni 2013 eine illustre Runde zusammen. Zu einem Panel mit dem Titel „Pankow – unsere Botschaft ist Musik“ hatten der Pankower Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD), Katja Lucker vom Musicboard Berlin und Conrad Fritzsch, Geschäftsführer von tape.tv eingeladen. Mit dabei: Rainer Gehrmann, Geschäftsführer von Stage Craft Eventmanagement und Thilo „Baby“ Goos, Geschäftsführer Black Box Music.
In den Räumen von tape.tv sollte über die erfolgreiche Musikwirtschaft in Pankow diskutiert werden. Der Frage wurde nachgegangen, wie eine Belebung des Bezirks Pankow mit speziellen Musikevents gelingen kann. Auch sollte herausgefunden werden, wie die Bezirksverwaltung und das Musicboard diese Bemühungen weiter unterstützen können.
Wichtige Themen wie die Wiedereröffnung des Klubs der Republik sowie des Knaack Klubs am Mauerpark wurden dabei auch angesprochen.
Es wurde ein ziemlich lockerer und entspannter Abend. Conrad Fritsch sollte überraschend die Moderation übernehmen, und meisterte die Herausforderung mit souveräner Gelassenheit.
Fritsch hob auf die längst in Gang gekommene erfolgreiche Entwicklung ab, die Pankow immer mehr ins Zentrum des weltweiten Interesses der Musikwirtschaft rückt. Sein 2008 in Weißensee gegründetes Unternehmmen hat mit dem Umzug in die ehemalige australische Botschaft einen Glücksgriff getan – und begrüßte die Gäste in „unserer Botschaft für Musik“.
tape.tv bietet Musikfernsehen im digitalen Zeitalter. Fritsch entwickelte die Idee für personalisiertes Musikfernsehen nach seinen Worten „aus Überdruß am TV“.
Der freche Claim: Deine Musik findet Dich! tape.tv verbindet die Einfachheit des Fernsehens mit der Intelligenz des Internets.“
Der Berliner Musiksender ist mit dem „individualisierten Musikfernsehen auf einen Klick“ längst erfolgreich – und zieht das Interesse von Labels und Werbewirtschaft auf sich. Mit erfolgreichen Formaten wie dem „Auf den Dächern Festival“ und Pre-Listening-Konzerten hat tape.tv schon einige Acts und Bands in das Zentrum der „Awareness“ gerückt.
Die Goldene Schallplatte für Casper, das 100. Dachkonzert mit Florence + the Machine, Kooperationen mit großen Labels, mit Musikdiensten wie spotify und mit Last.FM u.a. machen tape.tv zu einer Plattform, „die Newcomer entdeckt und auf die große Bühne heben kann.“
tape.tv im ehemaligen Diplomatenviertel Pankow-Niederschönhausen ist heute in L.A. und London anerkannt – und zählt zu einer der wichtigsten Musikvideo-Plattformen in Deutschland. Fritsch gab auch unumwunden zu: „wir profitieren längst von Berlin!“
Musicboard bekommt weiter Geld
Katja Lucker, Musikmanagerin mit biblisch langer Karriere, 28 Jahre jung und heute Chefin des Musicboard Berlin brauchte sich nicht lange vorstellen.
Sie brachte eine gute Nachricht mit: auch 2014 und 2015 steht ihr je eine Million Euro Etat zu Verfügung. Die begonnene Förderstrategie mit Unterstützung vielversprechender Musiker und Bands will sie daher fortführen.
Katja Lucker lobte auch das inzwischen zwischen Verwaltung, Bezirken und Clubbetreibern in Gang gekommene Gespräch, um künftige Schallschutz-Konflikte mit neuen Investoren konstruktiv lösen zu können.
Sie fand ein sinnreiches Bild für das bisherige Problem: „Baugenehmigungen werden immer vormittags erteilt – die Musik aber spielt in der Nacht“ – und wies noch einmal auf die Geschichte des Knaack-Club hin, der überraschend schließen mußte, als neue Nachbarn einzogen. Inzwischen sind die Verwaltungen etwas sensibler – und die „Umkehr der Baulast“ im Baugenehmigungsverfahren ist ein vielversprechender Weg. Investoren neben Musikclubs müssen ihre Bewohner künftig selbst vor Lärm schützen, wenn der Club Bestandsschutz hat.
Aus einem Fest im Bürgerpark wird „Jazz im Park“
Rainer Gehrmann, Geschäftsführer von Stage Craft Eventmanagement beschrieb die Anfänge seiner Lieblingsidee, die einmal mit Musik zum Fest „100 Jahre Bürgerpark“ begann. „Machen wir doch auch 101 Jahre Bürgerpark“ – schlug er dem damaligen Stadtrat Köhne vor, der jetzt neben ihm als Bürgermeister sitzt, und bei der Anekdote heftig schmunzeln mußte.
Jazz im Park – zu Pfingsten im Bürgerpark enstand aus dieser ersten Idee, und hat sich inzwischen zu einem wichtigen Pankower Markenzeichen entwickelt und zieht bis zu 12.000 Besucher an.
Wermutstropfen: Gehrmann klagte über das Wetter-Risiko, das in diesem Jahr am Pfingstsamstag mit Dauerregen die aktuelle Bilanz störte. Nur 500 Besucher fanden an diesem Tag den Weg zu Jazz im Park.
Rainer Gehrmann wünscht sich mehr Unterstützung, denn er übernimmt das ganze Veranstalterrisiko und möchte das soziale Preisniveau unbedingt halten. 4 Euro Eintritt plus 1 Euro Spende tagsüber – abends 10 Euro, das ist seine bisherige Preisphilosophie, die nur aufgehen kann, wenn ausreichend Sponsoren mitziehen, und „Petrus gnädig“ ist. Gehrmann schaute deshalb auch fragend zu Katja Lucke, um im nächsten Jahr seinen geplanten JAZZ-CONTEST mit jungen Musikern realisieren zu können.
Pankow-Wilhelmsruh mit 100 dB im schwarzen Bunker
Thilo „Baby“ Goos, Geschäftsführer von Black Box Music schilderte kurz seinen Weg, der zum Umzug in den Pankow-Park in Wilhelmsruh führte. Die zunehmende Enge in Prenzlauer Berg ließ ihn nach Alternativen schauen, und aus heutiger Sicht sei es ein Glücksgriff gewesen, in die alten ABB-Hallen mit ihrem Bunker zu ziehen.
Heute ist Black Box Music nicht mehr nur Veranstaltungslogistiker und „Roadie“, sondern ein kompletter Musikproduktionsstandort, an dem Bands auch bis 100 dB proben können. Der riesige schalldichte Bunker nimmt auch das Equipment von RAMMSTEIN auf, „.. und dann passen immer noch 300 Zuschauer hinein!“ – „Ohne RAMMSTEIN passen auch 500 Zuschauer hinein“ meine „Baby Goos. Die Besucher und Techniker können die Proben für die Bühnenshows namhafter Bands live mit erleben und die oft komplizierte Effekt- und Showttechnik mit einspielen.
Schalldicht – und 20 to Deckenlast können hier angehängt werden“, meinte Conrad Fritzsch. „90 Tonnen!“ korrigierte „Baby“ Goos – und verwies damit auf einen weltweit einzigartigen Standortvorteil, der Black Box Music inzwischen zu einem der gefragtesten Musikproduktionsstandorte weltweit macht.
Ganz nebenbei: Black Box Music wurde erst vor kurzem zum „Besten Ausbildungsbetrieb Berlin“ ausgezeichnet – und ist daher nicht nur bei Musikern und Produzenten gefragt.
Black Box Music stattet heute große Bühnenshows weltweit aus, ob TOTE HOSEN, Nelly Furtado, RAMMSTEIN, Silbermond, Gossip – oder auch das Fest des Bundespräsidenten im Schloß Bellevue.
„Inzwischen wird es aber auch bei uns eng“ meint „Baby“ Goos, und spielt damit auf die vielen schwarzen LKW´s im Pankow-Park an.
Knaack kommt wieder! Erst als Festival – dann als Kulturhaus
Black Box Music unterstützt auch die Macher des Knaack Clubs und stützt das Projekt mit Know-How, Technik und Kapital. Auf die Frage, wann das neue KNAACK am Mauerpark wieder stehen soll, bliebt „Baby“ Goos verhalten: „2016 wird es wohl sein!“. Er lobte die große Unterstützung seitens des Bezirksamtes, die namentlich durch Bürgermeister Köhne und Bezirksstadtrat Kirchner ermöglicht wird.
Im nächsten Jahr soll die Baugenehmigung fertig werden und mit dem Bau begonnen werden. Der neue KNAACK-Club soll auch tagsüber bespielt werden, und wird daher auch den Charakter eines KULTURHAUS mit Café und Freiluftterrasse bekommen. Der schalldichte Stahlbeton-Kern für den Club wird speziell konstruiert, die Eingänge werden zum Stadion ausgerichtet.
Eine Überraschung kam noch dazu: Ende August 2013 gibt es ein KNAACK Sommerkonzert, umsonst und draußen im Mauerpark! Ein überraschendes Lob gab es von den Machern auch für die Pankower Bezirksverwaltung: „Von der Stadtplanung bis hinunter zur Grünabteilung setzt man sich ein, um gute Lösungen zu finden.“
Bürgermeister Köhne freute sich, und wies auf die Gesamtentwicklung hin, die aufgrund des wachsenden Wohnungsbaus zur Flächenkonkurrenz im Bezirk führt. Nicht nur Wohnungen, sondern auch Infrastruktur wird gebraucht – auch Verdrängungseffekte sind damit verbunden.
Gleichwohl entwickeln sich in der Verlagerung neue Chancen: In der Willner Brauerei eröffnet in Kürze der Klub der Republik, und mit dem neuen KNAACK-Club werden Musik und Musikwirtschaft weiter zur Ausstrahlung des Bezirks beitragen.
Nebenbei erwähnte Bürgermeister Köhne, das Zimmer 16 sei erst wieder „gerettet“ worden. Das Thema Wabe wurde in der Diskussion angesprochen, und einige Musikveranstalter wollen dort einmal wieder vorbeischauen, „… weil man die Wabe irgendwie aus dem Blick verloren hat.“
„Pankow – unsere Botschaft ist Musik“ – war ein gelungener Netzwerktreff. Laune, Bufett und Atmosphäre, Diskussion und Ideen waren cool! m/s
Weitere Informationen: