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Tag der Entscheidung für Überflieger!

Anflug Pankow geht weiter

Der 24.Juli 2012 ist Tag der Entscheidung, wann der neue Hauptstadtflughafen BER in Betrieb geht. An diesem Tag werden die Brandschutz- und Entrauchungsanlagen im Terminal-Gebäude einem Belastungs-Test unterzogen.

Das Ergebnis der Brandschutztests wird auch über die weitere Öffnungszeit des Flughafens Tegel mit entscheiden. Dieser Dienstag im Juli wird so auch zum „Tag der Entscheidung“ für die „Pankower Überflieger“ und die Einflugschneise über Karow, Blankenburg und den Pankower Bürgerpark.

Anflug Pankow geht weiter
Vierstrahligen Boeing im über Pankow Foto: M. Winkler

Das riesige Terminal des Flughafengebäudes des Flughafens BER „Willy Brandt“ mit einer Ausdehnung von 220 x 180 Metern und 32 Metern Höhe zählt mit zu den größten Gebäuden der Welt. Das vorgelagerte Hauptpier mit 16 Fluggastbrücken hat eine Länge von 715 Metern. Die Nord- und Süd-Piere haben eine Länge von jeweils 350 Metern.

In dem riesigen Terminal müssen tausende Brandschutzschalter, Klappen, Ventilatoren und hunderte Meter Rauchgaskanäle wie ein Uhrwerk funktionieren. Dazu muß die Notstromanlage im wenigen Sekunden anspringen – und die Rauchgasableitung in Gang setzen.

Bei ersten Test traten schwerwiegende Fehler auf: so implodierten Rauchgaskanäle, weil die starken Ventilatoren abschnittsweise einen Unterdruck aufbauten. Auch müssen alle Schaltungen zusammenspielen – und sekundengenau funktionieren – eine riesige Herausforderung.

Für die an der Brandschutzanlage beteiligten Firmen BOSCH, Imtech und SIEMENS ist dieser Brandschutz-Test auch bedeutend – weil er über die Bezahlung ihrer Leistungen und möglichen Schadensersatz entscheidet. Er entscheidet auch über den Ruf der Firmen und über den Ruf von „Technik made in Germany“.

Das architektonische Konzept des Terminal-Gebäudes ist ästhetische Stärke und technische Schwäche zugleich:

Die große und leichte Dachkonstruktion des Terminalgebäudes wurde so konzipiert, das keinerlei schwere Dachaufbauten vorgenommen können. Auch sollte die weite Terminal-Halle nicht durch Abzugs-Kamine zerteilt werden.
Unter dem Terminal endet der Bahnhof für ICE und Regionalbahn und leitet die Fahrgäste über die Untergeschosse mit Rolltreppen und Fahrstühlen in den darüber liegenden Termninal.

Damit müssen insgesamt sechs Ebenen im Gebäude sicher betrieben – und im Brandfall auch zuverlässig „entraucht“ werden können:

Terminal-Ebenen
• Ebene -2 – Bahnhof, Technik, Ver- und Entsorgungsebene
• Ebene -1 – Verteilerebene vom Bahnhof zum Terminal und zur Airport City
• Ebene 0 – Ankunftsebene, inkl. Gepäckausgabe und Vorfahrt
• Ebene OZ – Zwischengeschoss zur Passagiertrennung nach Luftsicherheitsgesetz
• Ebene 1 – Vorfahrt, Abflugebene, Check-in, Sicherheitskontrollen, Handel & Läden (Retail), Gastronomie & Warteräume
• Ebene 2 – Warteräume, Lounges, Büros
• Ebene 3 – Lounges
• Ebene 4 – Besucherterrasse

Für den Brandschutz stellt dies eine immense Herausforderung dar: über 50.000 Sprinklerköpfe sind installiert. Dazu gibt es rund 10.000 Brandmelder. Über 177 km Rohrleitungen sind im Gebäüde verlegt und rund 210.000 m² Fläche nehmen die Blechkanäle für Raumlufttechnik ein – von denen ein großer Teil Rauchgaskanäle zur Abführung von Rauchgasen bei etwaigen Brandfällen sind.

170 Stück RLT-Zentralgeräte klimatisieren die Raumluft. Vier Energiestationen und 34 Transformatoren mit 1000 Unterverteilern und 2.400 km Starkstromkabel und Leitungen sorgen für die Stromversorgung und Notstromversorgung.

Dazu beleuchten rund 60.000 Leuchten das Terminal. 68 Aufzugsanlagen, 28 Fahrteppen und 16 Laufbänder sorgen für die Bewegung der Fluggäste. 1.300 Sanitärobjekte sind in den Toilettenanlagen installiert – und rund 10.000 Lautsprecher geben im Notfall auch Brandschutzhinweise weiter. Die Fluchtwege müssen alle klar markiert sein und eine sichere Flucht ins Freie ermöglichen.

Besonderes Augenmerk wird sich auf die Gepäcksortierhalle richten, weil sich hier auf 20.000 m² Bruttogrundfläche ständig viele Fluggäste aufhalten werden und ihr Gepäck an den acht Ankunftsrundläufen abholen.
Insgesamt zehn Kilometer laufende Gepäck-Förderstrecke laufen hier zusammen. Zwei Sorter mit einer technischen Leistung von zusammen max. 15.000 Gepäckstücken pro Stunde sollen die Gepäckstücke verteilen. Die Anlagen sind auf eine Zeit von Check-in bis Sortierrundlauf von durchschnittlich 3-4 Minuten ausgelegt – was wohl auch ein sehr ambitioniertes Ziel ist.

Die Komplexität der Brandschutzanlage ist vor allem dem technischen Konzept des Terminalgebäudes geschuldet – das alle Funktionen unter einem großen und zudem leichten Dach zusammenfasst.
Fluchtwege werden dadurch lang – und ebenso die notwendigen Rauchableitungen. Heißer Rauch steigt auf – doch wurde der kürzeste Weg der Rauchableitung durch das Dach aus architektonischen Gründen vermieden. Im Nachhinein stellt sich das als ein riesiges technisches Wagnis heraus.
Der Flughafenbetrieb muss nun auf ein hoch komplexes Rauchabgas-System gestützt werden, das erfahrungsgemäß immer wartungsanfällig ist – und deshalb technisch nie 100%-ig perfekt sein kann.

Der 24. Juli 2012 wird durch den Brandschutz-Test zum „Tag der Entscheidung“ – der sehr weit reichende Folgen nach sich ziehen wird.

Wenn das Brandschutzsystem versagt, wird das Terminal-Gebäude umgeplant und umgebaut werden müssen. Eine Inbetriebnahme kann sich danach um viele Monate verzögern. Die Eröffnung am 17.März 2013 wäre dann geplatzt. Es wäre auch ein Desaster für alle Investoren und für den Steuerzahler – weil es unabsehbare Mehrkosten verursachen würde.

Die Zukunft des Hauptstadtflughafens und der gesamten Region Berlin-Brandenburg hängt nun an der technischen Funktionsfähigkeit von Notstromaggregaten, Rauchgaskanälen, Brandschutzklappen und raumlufttechnischen Steuerungen.

Auch in Pankow sind nun viele Menschen gespannt – wie lange der Lärm der Überflieger noch zu hören sein wird. m/s

Flughafen Willy Brandt
Flughafen BER Willy Brandt – Blick auf das 715 Meter lange Haupt-Pier
Foto: Alexander Obst / Marion Schmieding (Flughafen Berlin Brandenburg)

m/s