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100 Jahre Metzer Eck

100 Jahre Metzer Eck am 1.8.2013

Die U-Bahn in Prenzlauer Berg war im Jahr 1913 erst wenige Tage im Betrieb, als am 1. August Clara Vahlenstein an der Metzer Straße 33 ihre Kneipe eröffnete: „Vahlensteins Destille“. Sie hatte Glück, ein Lotteriegewinn sorgte für das Startkapital – und sie machte sich selbstständig. Gemeinsam mit ihrem Mann Hermann zog sie in die Wohnung über der Eckkneipe – und drei nachfolgende Generationen sollten es gleich tun. Das Metzer Eck ist bis heute Kiez- und Familienkneipe geblieben – und feierte ein seltenes Jubiläum.

100 Jahre Metzer Eck am 1.8.2013
100 Jahre Metzer Eck am 1.8.2013 - Straßenparty

1913 war Prenzlauer Berg bereits ein dicht besiedelter Arbeiterbezirk, die Eckkneipe war schon bald sehr beliebt. Volkstümliche Preise sorgten für viel Zuspruch: ein Glas Bier oder eine Tasse Kaffee kosteten 25 Pfennige. Claras Bouletten waren dazu sehr schmackhaft und gefragt.

Das „Metzer Eck“ wurde zum Treffpunkt von Arbeitern, Künstlern und Intellektuellen – die sich den Sozialdemokraten und USPD zurechneten und hier zu Versammlungen trafen. Claras Mann war ab 1918 freigewerkschaftlich organisiert. Der Ruf als „Rotes Eck“ hat sich lange gehalten – und die Kneipe hat den ersten Weltkrieg und die revolutionäre Zeit danach überstanden.

Sparverein Windmühlenberg

Zur Stabilität der Kneipe trug die Gründung des „Sparvereins Windmühlenberg“ bei, der hier am 1. Oktober 1917 in großer Notzeit gegründet wurde. Der Name bezog sich auf den gegenüber der Kneipe liegenden ehemaligen Windmühlenberg, auf dem im Sommer 1872 die letzte von acht Windmühlen abgebrannt war, der bis 1913 auch schon dicht bebaut war. Der Sparverein erlebte seine Blüte erst nach der Inflation von 1923 – und blühte 1926 mit einem regen Vereinsleben auf. „Damen und Herren über 17 Jahre“ konnten Mitglied werden – und der Vereinszweck „gemeinsames Sparen“ wurde mit geselligem Zusammensein, Landpartien und Festveranstaltungen verschönt.
Die Idee der Sparvereine stammte schon aus 1847, aber sie sollte eine wachsende Popularität erfahren. Alle zwei Wochen war der Besuch der Versammlungen Pflicht. An den Zahlabenden an Dienstagen mußte regelmässig Geld entrichtet werden, anfangs 2 Mark, ab 1926 50 Pfennig. Kranke und Erwerbslose waren freigestellt – später mußten auch sie „eine Molle“ zahlen, was etwa 25 Pfennig entsprach. Jedes Mitglied erhielt ein Sparbuch – und mit der Wahl der „Sparschwester“ Fr. Müller zur 1. Vorsitzenden am 11.2.1927 gab es im Vorstand auch eine feste Frauenquote.

Der Sparverein schuf sich viele festliche Anlässe, Landpartien, Dampfer- und Mondscheinfahrten, Maskenbälle, Eisbeinessen – der Sparverein sorgte dafür, das Metzer Eck zu einem gemeinsamen Ort zu machen, und hat die Kneipe wirtschaftlich mit getragen.
Die „Zille-Bälle“ waren feucht-fröhliche Maskenbälle mit „Ludern und Dirnen“ – bei denen ausgelassen gefeiert wurde.

Auch Heinrich Zille war eingeladen – doch im Herbst 1927 war er bereits gebrechlich und sagte ab “ Meine Lieben, Da hat man vor 60 Jahren uff den Windmühlenberg seine Drachen steigen lassen – dann kam der Wassertumr hin – und jetzt gibts sogar Bewohner die „sparen“ wollen! Wenn ick nich so sparsam mit meine Beenkins sein müsste, ick würde mir jerne die Kasse ansehen!“

1930 war die Blütezeit des Sparvereins vorbei – und mit Depression und der Machtübenahme der Nazis traten viele Mitglieder aus. 1937 feierte man noch einmal mit 17 Mitgliedern und 187 verkauften Karten, danach beendeten Judenverfolgung, Einberufungen und Krieg das Vereinsleben.
Nach dem Krieg hat Alex Margan die Geschichte des Metzer Ecks vor dem Vergessen gerettet, und den Nachlass des Sparvereins gesichtet- Als Lebenspartner von Bärbel Falkner hat er auch bis zu seinem Tod 1999 als Oberkellner gearbeitet.

100 Jahre Metzer Eck am 1.8.2013
100 Jahre Metzer Eck am 1.8.2013 - Swing-Trio Berlin

Nachkriegszeit und DDR-Zeit

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde „Vahlensteins Destille“ Ende der vierziger Jahre in „Metzer Eck“ umbenannt. Die Ekckneipe blieb auch während der DDR-Zeit fest in privater Hand.
1985 besuchte Otto nach seiner Filmpremiere von „Otto – der Film“ im Kosmos-Kino das Metzer Eck, und viele andere prominente Gäste folgten. Kurt Böwe feierte hier seinen 60. Geburtstag, die Filmkritikerin Renate Holland-Moritz schaute hier nach den Filmpremieren vorbei. Manfred Krug, Ralf Hoppe und Frank Schöbel zählten zu den Gästen – und Eisbein und Schnitzel im Metzer Eck waren immer ein „Geheimtip“.
Im Wendejahr 1989 schaute Udo Lindenberg vorbei – und auch der italienische Regisseur Sergio Leone ließ sich nach seiner Filmpremiere „Es war einmal in Amerika“ hier beköstigen.
Der wöchentliche „Metzer“-Stammtisch, der in der Nachwendezeit 1990 ins Leben gerufen wurde, befasste sich mit der Wende und der Aufbereitung der DDR-Zeit, die mt der Stasi-Tätigkeit auch in Prenzlauer Berg viele persönliche Wunxden hinterlassen hatte.
Der Stammtisch wurde sogar zu einer Art Institution der Aufarbeitung, denn manche Oppositionelle und Regimegegner besuchten die Diskussionsrunden im Metzer Eck. Einige Gäste sind sogar beruflich mit der Aufarbeitung der Geschichte befasst.

Inzwischen sind aber auch einige der Akteure selbst in die Jahre gekommen, und alte Geschichten werden heute vor allem auf sich häufenden Geburtstagsfeiern und Jubiläen erzählt.

Vier Frauen-Generationen im Metzer Eck –

Die Gründerin Clara Vahlenstein bewirtschaftete ihre Eckkneipe zusammen mit ihrem Mann Herrmann, der 1936 starb. Seine Tochter Charlotte trat an seine Stelle und übernahm nach dem Tod von Clara Vahlenstein 1951 die Gaststätte.´1957 stieg ihre Tochter Bärbel in das Geschäft ein, so das wiederum Mutter und Tochter das Familienunternehmen leiteten. Im Jahre 1967 erhielt Bärbel Falkner die Konzession für das Gaststättengewerbe und bewirtschaftete die Gaststätte bis zu ihrer Rente.

Zur Jahrtausendwende wurde das Familienunternehmen vom Sohn Horst Falkner und seiner Ehefrau Sylvia übernommen und bis Mitte 2006 bewirtschaftet. Nach kurzer, schwerer Krankheit verstarb Horst Falkner im März 2007. Er wurde leider nur 40 Jahre alt. Seitdem führt seine Ehefrau Sylvia Falkner die Gastwirtschaft allein weiter – und hat inzwischen einen neuen Lebenspartner gefunden, der sie dabei tatkräftig unterstützt.
Zur Beliebtheit des Metzer Eck trägt auch die gesunde Bierauswahl bei: Warsteiner, Budweiser, Berliner Pilsner, Schwarzbier (Hausmarke), Krusovice – alles wird frisch vom Fass ausgeschenkt – und die kräftige und deftige Berliner Küche mit Solei, Boulette mit Bratkartoffel und anderes Spezialitäten sorgt für Wohlbefinden.

100 Jahre Metzer Eck am 1.8.2013
100 Jahre Metzer Eck am 1.8.2013 - Festrede von Sylvia Falkner

Das Jubiläumsfest

Rund 350 Gäste waren gekommen, die Brauerei stiftete einen Bierwagen, Zelte und Gestühl zum Fest. Und Silvia Falkner begrüßte ihre Gäste, die sie alle persönlich gut kennt.
Für die zünftige Musik sorgte das Swing Trio Berlin, das schon einmal als Geburtstagsüberraschung für einen Gast heimlich durch das Kneipenfenster geklettert war, und mit diesem Streich für eine große Überraschung sorgte.

100 Jahre Metzer Eck - 1.8.2013
100 Jahre Metzer Eck - 1.8.2013 - ein echtes Stück Prenzlauer Berg

Silvia Falkner war von den vielen Grußbotschaften schier nüberwältigt – und die eigens produzierte Jubiläumsbroschüre für das Metzer Eck mit einzigartigen historischen Zeitdokumenten, die von den Stammgästen Simone und Frank gestiftet wurde, hat sie sehr berührt.
Als Gastwirtin sorgt sie mit ihrem Kneipenteam für gute Stimmung – und die ruhig-herzliche Atmosphäre des Metzer Ecks überträg sich auf die Gäste – und strahlt auf die Umgebung aus.
Mit ihren vielen Geschichten und dem lebendigen Kneipenleben ist das Metzer Eck ein echtes Stück Prenzlauer Berg – einer der Gäste meinte, „es gehört eigentlich unter Denkmalschutz gestellt! “ m/s

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