/// Kolumne /// – Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt hat eine Ausschreibung für eine „Organisationsuntersuchung“ der ihr unterstehenden Verkehrslenkung Berlin (VLB) auf den Weg gebracht. Verkehrssenator Andreas Geisel (SPD) will damit weitere Verbesserungen vorantreiben. Die VLB hat schon einen neuen Chef bekommen, auch neue Mitarbeiter wurden eingestellt. Die Organisationsuntersuchung soll helfen, die Arbeit der VLB zu verbessern, damit diese das „Miteinander und den zügigen Fluss“ aller Verkehrsteilnehmer auf den Hauptverkehrsstraßen besser regeln kann. Der TAGESSPIEGEL berichtete dazu.
Die VLB steht seit Jahren in der Kritik. Fehlende Mitarbeiter und eine unzureichende IT-Ausstattung sorgen für Bearbeitungs- und Koordinierungsrückstände, die sogar zum Investitionsstau bei bereits vergebenen Bauaufträgen und viel Ärger bei Baufirmen sorgten, die monatelang Kapazitäten aufrecht erhalten mussten. Sogar die CDU Berlin wirft Geisel „massives Organisationsversagen“ vor.
Der hohe Preis für fachlich inkompetente Senatoren
Die Ausschreibung eines Organisationsgutachtens für den wichtigsten Bereich der Stadtplanung ist praktisch ein Armutszeugnis, viel zu kurz gesprungen – ein Ausweis von fehlender strategischer Kompetenz.
Schon der ehemalige Senator Michael Müller (SPD) hatte die Verkehrplanung nur halbherzig vorangetrieben, und sich politisch auf das Oberthema „Wachsende Stadt“ und Wohnungsbau konzentriert. Der bisher ausgearbeitete Stadtentwicklungsplan Verkehr ist auf dem Stand von 2014. Darin ist weder die Zeit nach Inbetriebnahme des Flughafens BER vorbereitet, noch das bereits in der Stadt- und Bauleitplanung vorgesehene Wohnungsbauprogramm in Bezug auf Verkehrsfluss und Kapazitäten berücksichtigt.
Jeder Städtebauexperte und Stadtplaner kennt das kleine Einmaleins: eine wachsende Einwohnerzahl bedeutet Verdichtung und setzt eine langfristige Verkehrsplanung und Verkehrsentwicklungsplanung voraus. Die EU plant bis 2050 – der Berliner Senat bisher nur bis 2025.
Darum gehört gesamte Verkehrsplanung Berlins auf den Prüfstand!
Der Senat selbst hat eine Digitale Agenda aufgelegt, doch dahinter stehen nur Initiativen, Netzwerke und Büros – kein strategisches Konzept. Die bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie angesiedelte Initiative „Smart City Berlin“ betrachtet vor allem IT-Technologien und Antragsinitiativen von Startups und Unternehmen. Die „Smart City Strategie“ der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt vom 21.4.2015 behandelt zwar das „Thema Mobilität“, aber nicht das Thema „Verkehr“ als Thema intelligenter Stadtplanung. Stattdessen wird von „intelligenten Verkehrssystemen“ gesprochen, in die man sich wohl hineinversetzen, nicht aber „voran kommen kann“, weil die zuständigen Politiker noch nicht einmal über die „Digitalisierung“ ihres eigenen Amtsbereiches „Stadtplanung und Verkehrslenkung“ nachgedacht haben.
Politische Anforderungen für eine „Smarte Metropole Berlin“
Die zuständige Senatsverwaltung muss künftig Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Verkehr, Infrastruktur und Umwelt heißen – damit Prioritäten richtig gesetzt werden! Unter Infrastruktur muss auch die dazugehörige IT-Infrastruktur gehören, das Planen, Leiten, Lenken und Steuern der Verkehrssysteme ist eine gesamtheitliche Strategieaufgabe der Stadtplanung in Berlin.
Es muss dazu auch eine zentrale Verkehrbehörde mit eigenen Verkehrsstaatsekretär geben. Der künftige neue „Staatssekretär für Verkehr & Infrastruktur“ sollte von Außen eingeworben werden, ein durchgreifender personeller und FACHLICH-KOMPETENTER Neuanfang muss hier gemacht werden, um mit Hongkong, Singapur und Wien auf Augenhöhe zu kommen.
Zuerst muss die Verkehrsplanung mit dem Stadtwachstum neu koordiniert werden und aktualisiert werden! Dazu gehört auch eine Metropolen-Flughafen-Planung, die von Niederfinow über Stendal/Borstel, Schönhagen und BER-Schönefeld neu plant. Auch das Thema Tegel als Regierungs- und Geschäftsflughafen und als Startplatz für senkrechtstartende Luftschiffe (ab 2025) sollte ohne Tabus bedacht werden.
Bisher in Berlin entwickelte und angewendete „Smart-City-Technologien“ sollten in Politpojekten getestet und zugleich für eine weltweite Standardisierung und „Smart City Infrastruktur-Zertifizierung“ vorbereitet werden. Hier entstehen auch Berlins Export-Technologien, IT-Dienste und Konzepte, die miteinander „orchestrierbar“ und kompatibel sein sollten! Ähnlich wie bei „Industrie 4.0“ sollte eine „DIN Smart City Standard 5.0“ vorangetrieben werden, die vom Automobil und IT-Protokoll bis zur Verkehrstechnologie und Zusatzstoffen für umweltfreundliche Lacke reicht.
Die Politik muss überparteilich beitragen, eine solche „digital-volkswirtschaftliche Verkehrs- und Mobilitätsstrategie umzusetzen und zu verfolgen. Vor allem die „Exportförderung“ muss bei allen Pilotprojekten mit finanziert und geplant werden.
Stadtentwicklungs- und Verkehrentwicklungsplan 2025-2030
Alle Parteien sollten auch schon vor der Wahl am 18.9.2016 klar machen was sie künftig wollen. Vor allem müssen sie klar und ohne Mogelpackung zu konket anstehenden Themen Auskunft geben. Nicht nur Arbeit und Wohnen dürfen im Mittelpunkt stehen – sondern das Arbeit, Wohnen und Leben integrierende Verkehrskonzept der Zukunft.
Neben „Lieblingsthemen“ wie Radverkehr und Elektromobilität müssen auch die existierenden und bis 2030 in Nutzung befindlichen PKW und LKW ihre Verkehrsleistung erbringen.
Wenn die Politik ihren Nutzungsyklus einschränken will, muss das rechtzeitig planbar sein!
Wie wird etwa mit dem Thema Umweltplakette & Verbot von Dieselfahrzeugen in der Innenstadt geplant?
Wie wird die bevorstehende Umschichtung und das innestädtische Verkehrswachsstum bei Inbetriebnahme des
BER (Nord-Süd-Verkehrsleistung) vorbereitet?
Für Investoren und Eigenheimbauer muss klar sein, werden künftig Wohnungen ohne Stellplätze Standard?
Für Normalverdiener und geringfügig Beschäftigte wird die Frage wichtig: werden die Kosten für den ÖPNV künftig noch in zumutbarer Höhe liegen?
Es darf keine weitere Politik des „Bauens ohne integrierte Verkehrsplanung“ in Berlin geben. Wirtschaft, Investoren, Tourismuswirtschaft und Verkehrswirtschaft müssen sich rechtzeitig auf kommende weiteren Einschränkungen des Individual-Verkehrs einrichten können. Werden Radverkehr, neue E-Mobilität und neue Mobilitätskonzepte lediglich adaptiert, oder in eine integrierte Verkehrsplanung implementiert?
Weitere verkehrspolitische Themen gibt es in großer Zahl:
Wie stehen die Parteien zum Dieselfahrverbot und zu einem möglichen Verbot von Verbrennungsmotoren in der Innenstadt? Wie wird künftig die Feinstaub-Belastung gesenkt?
Wird es neue Sonderspuren für BVG Busse geben, wann und wo?
Wann kommt ein Knotenpunkt-Programm zur Verkehrsbeschleunigung, das völlig neue Voraussetzungen für die VLB schafft? Werden VLB und der Baustellen-Atlas miteinander verzahnt?
Wird es künftig in der VLB zwingende Bearbeitungspflichten etabliert werden, damit nicht Krankheit,Urlaub & Abwesenheit Arbeitsrückstände auflegen.
Auch die Infrastruktur-Planung sollte konzeptionell geordnet und mit mehr Planungssicherheit umgesetzt werden. Eine Brückensanierungs-Terminliste sollte langfristige Planungen ermöglichen. Zustände wie in Berlin-Buch, wo Bürgervereine den unterschiedlich koordinierten Brückenplanungen nachrecherchieren müssen, sollte der Vergangenheit angehören.
Die Ausbauplanungen für Tram und U-Bahn sollten sicher fixiert werden, anstelle von Absichtserklärungen. Deren Inbetriebnahme-Termine sind wichtige Hinweise für die Lebensplanung und Wohnortwahl – und für jede Beschaffung in Sachen Mobilität, ob Rad, Elektro-Auto oder Rollstuhl.
„g´scheite Politik“ für die smarte Metropole Berlin
In Wien sagt man „g´scheite Stadt“, und führt im Ranking weltweiter Smart Cities – neben Städten wie Singapur und Hongkong. Berlin muss einen Innovations-Sprung machen – und künftig eine „gscheite Verkehrs-Leitplanung“ einer Smart City aufbauen. In einer Behörde und Leitstelle“, die mit Eingriffsbefugnissen und Weisungsbefugnissen ausgestattet ist, sollten auch Hauptstadt-Sicherheit, Zivilschutz, Festivals und Sportgroßveranstaltungen, Katastrophenfall und alle Verkehrszuständigkeiten zusammengeführt werden.
Um eine smarte Metropole Berlin aufzubauen, braucht es vor allem eine g´scheite Politik, und eine umfassende Strategie-Kompetenz der Politik!