Wieviel Heimatgefühl gibt es eigentlich in Pankow? Was wird zur Heimatpflege und Geschichtsarbeit in Pankow getan? Eine kleine Anfrage des BVV-Abgeordneten und neuen Bundestagsabgeordneten Klaus Mindrup (SPD) wurde jüngst beantwortet. Auch eine Anfrage der CDU-Fraktion in der BVV widmete sich dem Thema: Ehrentage, Gedenktage, Jubiläen sollen besser bekannt gemacht werden.
Heimatgefühl, Identität und die Verbundenheit der Bürgerinnen und Bürger mit dem Bezirk Pankow stehen in einem engen Zusammenhang und fördern die Identifikation.
12 Jahre nach der Kommunalreform und der Neugliederung des Großbezirks Pankow gehören diese Themen auf die politische Tagesordnung, denn der Bezirk wächst, und noch immer gibt es kein formuliertes Leitbild.
Heimatpflege und Geschichtsarbeit in Pankow
In der kleinen Anfrage 0445/VII wurde ganz vorsichtig gefragt:
„1. Welche Initiativen und Vereine zur Heimatpflege und Geschichtsarbeit in Pankow sind dem Bezirksamt bekannt und mit welchen Initiativen und Vereinen kooperiert das Bezirksamt bereits?“
Die Antwort war routiniert, oberflächlich und gab den aktuellen Kenntnisstand des „Amt für Weiterbildung und Kultur“ wieder. Demnach unterhält „das Bezirksamt, insbesondere das Museum Pankow, … einen regelmäßigen Informationsaustausch zu den drei Geschichts- bzw. Heimatvereinen, dem Freundeskreis
der Chronik Pankow e.V., dem Verein Weißenseer Heimatfreunde und dem Geschichtsverein Berlin-Nordost e.V..
Damit wurde das Dilemma der Pankower „Kulturpolitik“ offenbar:
Weder Französisch-Buchholz, noch Rosenthal, noch Wilhelmsruh oder Karow kommen in der Betrachtung vor. Die letzte öffentliche Aktivität des Geschichtsverein Berlin-Nordost e.V. ist schon wenigstens 4 Jahre her, die Telefonnummer abgeschaltet.
Auch die Pankower Kirchengemeinden sind praktisch nicht im Blick. Den Ökumenischen Arbeitskreis Prenzlauer Berg und auch die Zusammenarbeit mit jüdischen Kulturvereinen und der Synagoge hat man einfach ausgelassen, obwohl hier ein Schwerpunkt von vielen Aktivitäten zu verzeichnen ist.
Ganz vergessen wurde übrigens das Museum für Kindheit und der Förderverein „Alte Bäckerei Pankow“ e.V. in der Wollankstrasse 130, 13187 Berlin-Pankow.
Das „Amt für Weiterbildung und Kultur“ weist mit Textbaustein-Floskeln auf „engen Erfahrungsaustausch und Arbeitszusammenhang im Zuge der Beteiligung ..,“ hin, und verweist auf seine Aktivität bei „Beteiligung der genannten Vereine“, der Gedenktafelkommission und den Runden Tischen „Geschichte Berlin-Buch“ und „Zwangsarbeiterlager Blankenfelde“.
Natürlich pflegt das Bezirksamt mit „… weiteren Initiativen und Vereinen in Pankow und Berlin Kooperationen;“ – einer salvatorischen Formulierung, die praktisch nur „weiße Salbe“ für die bezirkliche Kulturpolitik ist.
Und noch einmal wird gesalbt: „Des Weiteren unterhält das Bezirksmuseum weiterhin vielfältige Kontakte zu einzelnen „Heimatforschern“ unseres Bezirkes.“
Was fehlt? – ein Konzept und eine Perspektive für den Bezirk
Völlig ausgeblendet sind die Aktivitäten rund um Schloß Schönhausen, wo wenigstens drei Vereine regelmässig Lesungen zu historischen Themen veranstalten. Die Arbeit der Bundessicherheitakademie mit dem historischen Festsaal der Konferenzgebäudes der Schlossanlage Schönhausen wurde auch ausgelassen. Hier tagte 1970 der Warschauer Pakt, 1989 der Runde Tisch und 1990 wurden hier die Zwei-Plus-Vier Verhandlungen zur deutschen Wiedervereinigung abgeschlossen.
Auch die Zeitzeugenprojekte der Cajewitz-Stiftung und auch die Kunsthistorie von Pankow und insbesondere Weißensee scheinen im Amt für Weiterbildung und Kultur aus dem Blick geraten zu sein, obwohl dieses Thema für das Selbstverständnis des Kulturbezirks Pankow sehr bedeutsam ist.
Selbst die eigenen Aktivitäten zum Thema „Filmstadt Weißensee“ lässt die Antwort aus, obwohl hier mit den Freundeskreis des Kinos Toni e.V. und anderen Filminitiativen zusammengearbeitet wird.
Größte Fehlstelle ist auch die Frage, wie mit der Medizingeschichte in Buch, Pankow und der Zukunft des Gesundheitsstandorts umgegangen werden soll, die viele wichtige Innovationen hervorgebracht hat?
Nicht zu Letzt: die Ausstellung über „Pankower Pionierinnen in Politik und Wissenschaft“ ist in die Jahre gekommen, und könnte längst um neue Frauenportraits der jüngeren Geschichte ergänzt werden.
Routineantwort: kein Geld, kein Personal
Auf die konstruktiv gestellte Frage, „welche Räume und historischen Archive potentiell geeignet seien, um als Außenstellen des Museumsverbundes zu funktionieren?“, gab es einen nunmehr 20 Jahre alten „bewährten Textbaustein zum Lesen: „Vor dem Hintergrund der momentanen personellen und finanziellen Ausstattung des Fachbereiches Museum/Geschichtsarbeit ergibt sich derzeit kein zusätzliches Potential für die Entwicklung von Programmangeboten an neuen Standorten.“
Immerhin erinnert man sich an Programmangebote an folgenden Standorten:
– Hauptstandort im Kultur- und Bildungszentrum Sebastian Haffner, Prenzlauer Allee
– Außenstelle zu „Leben und Arbeiten um 1900“, Heynstraße 8
– Dauerausstellung zu Bauen und Wohnen um 1900, Dunckerstraße 77
– Depot, Bizetstraße 41
– Dauerausstellung „Die Pankower Machthaber. Der Majakowskiring und das Schloss Schönhausen nach 1945“ in der Ossietzkystraße 44/45.
Auch bei der Betrachtung der Standorte gibt es wichtige Fehlstellen, die wiederum auf einen fehlenden Gesamtblick auf den Bezirk Pankow schließen lassen:
– Museumsbäckerei und Museum für Kindheit (s.o.) wurden einfach vergessen,
– die Kirchen und Auslagen der Kirchengemeinden sind nicht berücksichtigt,
– Archive der im Bezirk ansässigen Stiftungen, private Archive wie zur Punkkultur unberücksichtigt,
– eine im Außenbereich des Bezirksamts langsam verwitternde Ausstellung zum Stasigefängnis Fröbelstrasse,
– die Räume, Keller, Gewölbe ehemaliger Brauereien, Wasserturm mit historische Führungen unerwähnt,
– das Dieter-Geisthardt-Archiv* in der Feuerwache Französisch-Buchholz unerwähnt,
– das Archiv des Heimatvereins Pankow-Rosenthal und die alte Schmiede ausgelassen,
– das Brecht-Haus in Weissensee, dessen Zukunft noch immer fraglich ist, unerwähnt
– die Reaktivierung des ehemaligen Stummfilmkinos Delphi an der Weißenseer Spitze vergessen,
– das geplante Besucherzentrum am Schloß Schönhausen der Stiftung Schlösser & Gärten nicht auf dem Plan.
Die Frage nach den Perspektiven von Geschichtsarbeit und Heimatpflege
Das „Amt für Weiterbildung und Kultur“ stellt bei der Frage, wie die Geschichtsarbeit künftig entwickelt werden kann, wiederum personelle und finanzielle Ausstattungsdefizite fest.
Bedeutsam ist die Feststellung. „Für die kontinuierliche Betreuung der Geschichtsarbeit und Heimatpflege in den verschiedenen Pankower Ortsteilen mit ihren gewachsenen Traditionen ist die personelle Verankerung in Form eines festen und kompetenten Ansprechpartners unabdingbar. Diese Arbeit ist durch temporär einsetzbare Honorarkräfte nicht darstellbar.“
Dabei wird jedoch völlig außer Acht gelassen, das die Arbeit auch durch viele wichtige ehrenamtliche Wissensträger, Heimatforscher und Aktive der Heimatvereine getragen wird, die bereits das Rentenalter erreicht haben.
Die Gefahr, das wichtige Wissensträger und historisch kundige Zeitzeugen ihre Tätigkeit aus Altersgründen aufgeben müssen, ohne das Wissen weiterzutragen, wird völlig übersehen.
Immerhin erkennt man den Mangel an: „Leider steht für die Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements kein Produkt in der Kosten-Leistungs-Rechnung zur Finanzierung dieser wichtigen Aufgabe zur Verfügung. Dies gilt z.B. leider auch für die engagierte Arbeit der bezirklichen Gedenktafelkommission.“
Auch hier gibt es also kein Konzept, wie etwa die Arbeit wichtiger Vereine zukunftsfähig gemacht werden kann, und wie man einen Mitgliedernachwuchs fördern kann.
Neue Räumlichkeiten – Vernetzung mit Naherholung und Tourismus
Auch bei der Frage nach möglichen Ausweitungen von Angeboten verharrt man im alten „Not- und Mangel-Denken“. Nicht einmal eine unmittelbare Bedarfsplanung liegt vor. Auch bei der Frage nach einer möglichen Vernetzung zwischen Museumsarbeit und Tourismus in den Ortsteilen Pankow-Rosenthal, Niederschönhausen, Französisch-Buchholz, Blankenburg, Buch, Wilhelmsruh und Weissensee muß das Kulturamt passen.
Zwar wird erwähnt, das man „nach Kräften versucht das Museum hier einzelne, schlaglichtartige Akzente zu setzen, u. a. durch den soeben erschienenen Stadtführer „Jüdische in Pankow“ oder die in Vorbereitung befindliche Sonderausstellung „Grün in Pankow“. Doch offenbar fehlt hier die „strategische Phantasie“, um eine nachhaltige, und auch von wirtschaftlichen Partnern mit getragene „Förder- und Entwicklungskulisse“ aufzubauen.
Als „Bedarf“ wird vom Kulturamt ein „fester Ansprechpartner im Fachbereich Museum/Geschichtsarbeit“ als unabdingbar angesehen. In der Tat arbeiten die Mitarbeiter im Museumsverbund gleichzeitig an vielen lobenswerten Projekten, und erreichen dabei auch bei hohem Engagement auch echte Leistungsgrenzen.
Wirklich fehlt jedoch eine strategische Perspektive, wie die vielfältige „Geschichts-Landschaft“ in Pankow aktiviert und mit Naherholung und Tourismus vernetzt werden kann.
Wie wichtig das ist, wird klar, wenn man die Zahl von jährlich 160-172 Regentagen bedenkt, an denen ein „Kultur- oder Museumsbesuch unter Dach“ zur wichtigen Freizeit-Ressource wird. Auch muß gefragt werden, ob eine Vernetzung von Kultur, Tourismus und örtlicher Gastronomie nicht auch eine gute Perspektive für die verbesserte regionale Arbeit und Wertschöpfung darstellt.
Immerhin wurden die Öffnungszeiten des Museum Pankow auf „besucherstarke Zeiten“ ausgeweitet – ein Faktor, der sich hoffentlich in den künftigen Schlüsselzuweisungen des Haushalts positiv auswirken wird.
Mittel für Öffentlichkeitsarbeit
Gefragt wurde in der Kleinen Anfrage, „Welche werblichen Mittel sind einsetzbar bzw. einzuwerben, um die Archive besser bekannt zu machen?“
Die Antwort des Kulturamtes liess auch hier das „Not- und Mangeldenken“ durchblicken, und statt auf mögliche Alternativen zu verweisen, wurde „geklagt“ und „Attentismus“ offenbart:
„Das Kulturamt bemängelt die in den vergangenen Jahren kontinuierlich sinkenden Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit im Titel 53101 und die gleichzeitig steigenden Kosten z.B. für die Beauftragung
von Werbung im Stadtraum.“
Diese Aussage ist so aber aus der Luft gegriffen, weil die Preise für Kulturplakate in Prenzlauer Berg sogar gesunken sind. Statt der überaus teuren Preise der „Draußenwerber“ gibt es auch eine Alternative, die Plakate für 35 Cent/Tag an legalen Standorten klebt, die bis zu 27.000 Visits am Tag aufweisen.
Naturlich gibt es auch „Bemühungen“, die wiederum die an „fehlenden finanziellen Mitteln und Einsatz von qualifiziertem Personal und zusätzlicher Arbeitsressourcen“ scheitern:
„Allerdings ist das Museum bemüht, durch den Aufbau eines E-Mail-Verteilers und gezielter Pressearbeit sowie dem vereinzelten Einsatz von „sozial-media“, vermehrt in der Öffentlichkeit auf die Programmangebote
aufmerksam zu machen. Für eine weitergehende Aquise von finanziellen Mittel und der Gewinnung von Medienpartnern ist der notwendig. Beides ist gegenwärtig nicht zu realisieren.“
Auch diese Aussage zeigt einen Mangel an konzeptionellen Gestaltungswillen. Immerhin sind im Bezirksamt Pankow die Pressestelle des Bürgermeisters und wenigstens drei Mitarbeiter des Kulturamtes an der Erstellung und Verbreitung von Pressemeldungen und des Kultur-Newsletters beteiligt. Frau Erbert und Herr Schietzelt im Büro des Bürgermeisters lassen dabei nichts anbrennen. Aber im Kulturamt werden gar nicht alle Möglichkeiten genutzt.
Institutionen wie das „Haus am Waldsee“ oder die „Villa Liebermann“ aus Zehlendorf schaffen es sogar, ihre Flyer im Thälmannpark auszulegen. Umgekehrt kennt man dort aber nicht das „Theater Unterm Dach“ oder die „Galerie Parterre“.
Auf die Idee ist man auch in 20 Jahren nicht gekommen: Flyer und Plakate einfach über kostenlose Behörden-Post-Verteiler der Berliner Bezirke und des Senats von Berlin bis in andere Bezirke und deren Kulturorte zu verteilen – und sich auf Gegenseitigkeit zu vernetzen.
Ehrentage, Gedenktage, Jubiläen
Die CDU-Fraktion in der BVV-Pankow hat eine Beschlußvorlage eingebracht, die „Ehrentage, Gedenktage, Jubiläen in den Regionen Weißensee, Pankow und Prenzlauer Berg und in den Kiezen einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen.“
Die vielen 100-jährigen Jubiläen des Jahres 2013 und einige 120-jährige Jubiläen mögen dazu inspiriert haben. Die mickrige Beachtung von 700 Jahre Weissensee und auch das in Prenzlauer Berg vergessene 100-jährige U- und Hochbahnjubiläum der U2 mögen dazu Anlässe gewesen sein.
Dabei wurde aber zu kurz gegriffen, denn diese Aufgabe erledigen längst Termindienste und Rundfunkarchive, die einfach nur abgefragt werden müssen.
Doch viele kiezbezogene, zeitzeugengebundenes Wissen und lokale Geschichtskenntnis werden nur ehrenamtlich gesammelt – und gelangen gar nicht in professionelle Archive. Es ist ganz sicher keine staatliche Aufgabe, diese Terminverwaltung zu sondieren und zu führen.
Doch das Ziel, „die Verbundenheit seiner Einwohner mit der Geschichte des Bezirks und die Identifikation zu fördern ist im Grundsatz richtig.
Ob nun gleich eine „Marke“ kreiert werden soll, kann erst diskutiert werden, wenn es so etwas wie ein Leitbild oder Konzept gibt.
In jedem Fall kommt es auf die „Belebung“ von Heimatpflege und Geschichtsarbeit an – und dies ist nur mit engagierten Menschen möglich! Ab 2014 kosten die zum Teil auch Mindestlohn – es wird nicht nur ehrenamtlich weiter gehen können.
Überlastung? Überforderung? Oder Tunnelblick? Mißachtung der BVV?
Die Antwort des Amtes für Weiterbildung und Kultur ist für die Pankower BVV-Abgeordneten und auch die Bürgerinnen und Bürger sehr unbefriedigend.
Auch die Kulturschaffenden und die wirtschaftlich Betroffenen im Tourismuswirtschaft und Gastronomie können darüber nicht glücklich sein.
Wenn eine Kulturamtsleitung beständig nur „Mangel“ als Entschuldigung ins Feld führt, dann muß auch gefragt werden, warum die teure Kulturamtsleitung nicht längst eine politische Agenda aufgemacht hat?
Will man erst auf anstehende Pensionierungen oder den Weggang von Führungspersonal warten? Oder kann nicht jeden Tag eine ausgreifende Initiative zum Kultursponsoring, zur Kooperation oder ein jährlicher runder Tisch mit allen interessierten Kreisen eingeladen werden?
Müssen nicht einfach einmal alle Akteure identifiziert und angesprochen werden? Oder ist Kulturförderung in Pankow eine Angelegenheit von den „üblichen Verdächtigen“, die hinter verschlossenen Türen tagen, und den Kulturstadtrat obendrein mit „Standard-Texten“ belasten?
Man darf gespannt sein, ob sich der Kulturausschuß sich so einfach abspeisen lässt. Die jahrzehntelange Tunnelperspektive der Kulturamtsleitung, Mangel- und Spardenken beim Blick auf den Bezirk Pankow scheinen nie richtig hinterfragt worden zu sein. m/s
*) Anmerkung:
Dieter-Geisthardt-Archiv, Ortschronik von Französisch Buchholz im Traditionszimmer,
Gravensteinstr. 8 – 10, 13127 Berlin/OT Französisch Buchholz.