„Neoliberalism: Oversold?“ – die drei IWF-Ökonomen Jonathan D. Ostry, Prakash Loungani, and Davide Furceri rechnen mit dem ab, was sich bislang unzureichend als „Neoliberalismus“ in der Wirtschaftspolitik als Paradigma etabliert hat. Noch immer wird der Neoliberalismus als „ökonomische Strategie“ hoch gehaltemn, obwohl die Digitalisierung und das Einreißen der weltweitenm Kommunikationsbarrieren die digitalen Märkte in kontrollierte Plattformen und behavioristische Kontrollmärkte verwandeln.
Der Beitrag aus der IWF-Forschungsabteilung Finance & Development (Jonathan D. Ostry, Prakash Loungani, and Davide Furceri | June 2016, Vol. 53, No. 2 | IWF) verurteilt ehrere Standardrezepte des Neoliberalismus. In der Onlineausgabe der Süddeutschen Zeitung hat Bastian Brinkmann den Originalbeitrag kommentiert:
IWF-Ökonomen rechnen mit dem Neoliberalismus ab
Bastian Brinkmann | 27.5.2016 | Sueddeutsche.de
Zentral Rezepte des IWF werden kritisiert: „Seit Jahrzehnten hat der Währungsfonds den Ruf, dabei eine neoliberale Agenda zu verfolgen: Die Regierungen müssten privatisieren, Ausgaben kürzen, Sozialprogramme stutzen, das Land gefügig machen für das internationale Kapital. Der IWF wurde deswegen zum Hass-Symbol auf linken Demonstrationen, von Lateinamerika bis Griechenland.“
Die drei IWF-Ökonomen sehen auch Erfolge:
„Etwa, dass der zunehmende Welthandel Millionen aus elender Armut befreit habe und ausländische Investitionen Technik und Wissen in Entwicklungsländer gebracht habe.“
Doch sie greifen zwei Standardrezepte des Neoliberalismus zentral an:
Die Kürzung der Staatsausgaben und die freien Kapitalmärkte. Nach ihrer Auffassung kann man bei beiden Instrumenten nicht beweisen, dass sie das Wachstum fördern. Stattdessen würden sie die Ungleichheit erhöhen – und könnten unterm Strich mehr schaden als nutzen.
Die IWF_Ökonomen schreiben: „Die Zunahme der Ungleichheit ist hervorgerufen durch die Öffnung der Finanzmärkte und die Austerität.“ – „Das könnte das Wachstum bremsen, obwohl die neoliberale Agenda genau das doch ankurbeln will.“
Neue ökonomische Theorie erforderlich
Die ökonomische Theorie steht vor einem Umbruch. Das Modell der Liberalisierung ist bei gleichzeitiger Digitalisierung noch nicht recht verstanden. In der Phase der globalen Marktöffnung konnte das Paradigma seine Kraft entfalten, weil tatsächlich eine Marktöffnung stattfand, und eine Ausweitung des weltweiten Wohlstandes.
Doch Vernetzung und Digitalisierung haben zugleich alle Märkte überformt. Der Marktzugang(Access), neue formierte Plattformen wie Facebook, „Marktkanäle“ und „Markt-Netze“ wie Geld- und Aktienmärkte und Hochfrequenzhandel haben grundlegende systemverändernde Wirkungen.
Hinter der digitalen Pforte ist der Markt nicht mehr so frei und transparent, wie Adam Smith es noch denken konnte. BigData und die Kontrolle der Nutzerdaten weisen eine strukturelle Begrenzung vob Freiheit auf. Aus einem freien Markt wird ein „behavioristisches System“, das durch Steueroasen und -schlupflöcher nicht mehr nach Optimierung, sondern nach Marktkontrolle strebt – und breite Marktzugänge für „Arbeit“ und „Wertschöpfung“ immer mehr einengt.
Globalisierung und Digitalisierung haben womöglich völlig gegenteilige volkswirtschaftliche Auswirkungen, die die ganze Weltwirtschaft betreffen.