Donnerstag, 28. März 2024
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Kunst in Zwischenwelten #1

Kultur in Pankow

Die „Kunst“ im Kulturportal KULTUR IN PANKOW befindet sich augenblicklich in einer digitalen Zwischenwelt. Namen von Galerien, Adressen, Logos, Texte und Bilder, abgelaufene Termine und Ausstellungen – alle Daten sind nur für die Programmierer als Datenbank sichtbar und bearbeitbar.

Der überraschende Schritt, die „Kunst“ insgesamt abzuschalten, wurde lange bedacht, ohne große Ankündigung vollzogen. Die entstandene „Kunstpause“ soll genutzt werden, um die „Lage der Kunst“ in modernen „digitalen Zwischenwelten“ etwas näher zu betrachten.

2015 weiter machen – oder die Kunst ganz abschalten? – Die Frage steht im Raum!

Kultur in Pankow

Grundidee für das Kulturportal

Die Grundidee für das Kulturportal KULTUR IN PANKOW ist schon ein paar Jahre alt, genauer gesagt: genau 10 Jahre alt. Am Anfang stand die Frage: „wie entwickelt sich das Internet?“ – „Kann es eine digitale Öffentlichkeit in der Kulturlandschaft einer Stadt geben?“ – Wie sieht eine digitale Ökonomie aus, die zur Kulturökonomie einer Kulturstadt beiträgt?

Weitergehende Fragen knüpften sich daran: „wie entwickelt sich die Suchmaschinen-Technologie?“ – „Wie geht man mit der Frage um, Institutionen, Galerien und Akteuren gleiches Recht auf Zugang zur Aufmerksamkeit des Publikums zu verschaffen?

Lässt sich das Kulturpublikum fokussieren, und was ist der wirksame Anreiz?

Die Antwort war schnell klar: jedem Akteur und jeder Institution sind gleiche Rechte und Formate zur Darstellung zu erlauben, die „permanent sichtbar“ und „permanent aktuell“ sein können.

Das Kulturportal sollte immer ein „Marktplatz der Aufmerksamkeit“ sein, der ähnlich einer Fußgängerzone oder einer Einkaufsmall möglichst viele Sparten, Orte, Akteure, Institutionen und Ereignisse bündeln kann.

Die ganze Kulturwelt sollte schnell „auffindbar“ sein, und nicht zum intellektuellen Suchspiel für Spezialisten mutieren.

Die große Herausforderung heute: ist es auch „intergenerativ“ und funktioniert es mit mobilen Geräten? Ermöglicht es, unsere „analoge Kulturöffentlichkeit“ mit gleichen Zugangsrechten für Alle in die digitale Welt zu transformieren?

Können Kunstpositionen und kulturelle Profile nebeneinander bestehen? Ist das Internet eine unsere Wahrnehmung fördernde Welt, oder zerlegt es die Wahrnehmung und unsere europäisch geprägte Kulturwelt in immer kleinere Fragmente?

Macht Kunst überhaupt nur dann Sinn, wenn es auch eine Öffentlichkeit gibt, und die Möglichkeit, des zufälligen Besucherinteresses?

Suchmaschinen-Paradigma atomisiert die Kulturwelt

Seltsamerweise hat sich das Internet nach anderen Doktrinen entwickelt, die vor allem aus Kalifornien durch „hegemoniales Denken“ und „digitales Entwickeln“ – sowie durch gewaltige Mengen leichtversteuerten Risikokapitals angetrieben wurden.

Statt das Internet als Hilfsmittel und „Findemaschine“ zu nutzen, hat man die technischen Möglichkeiten auf das Paradigma „Suchen und Suchmaschine“ ausgerichtet, und der Menschheit 15 Jahre „alphanumerische Suchstrategien“ und „Suchmaschinen-Optimierungskosten aufgebürdet. Statt eines Fensters zur Welt, wurde eine Suchmaske vor die Welt geschaltet!
Was für ein Wahnsinn!

Das Ergebnis kennen wir heute alle: die Kulturwelt ist zerfasert in Themenstränge, Verästelungen und Zeitlinien aufgestapelter digitaler Inhalte. Die Fragmentarisierung und Segmentierung beherrscht die digitale Welt. Kulturschaffende und Kulturkonsumenten müssen nun viel Zeit, Arbeit und Geld aufwenden, um sich ein „Ereignis“ oder ein „Thema“ zu erschließen.

Google, Facebook & Co haben eine digitale Welt erschaffen, die inzwischen alle Lebensbereiche erreicht, viele Köpfe durchdringt, und mittelbar und unmittelbar Wertschöpfung von den Menschen „abzieht“, Denkweisen verändert, Abhängigkeiten und Entgrenzungen schafft.

Individualität, Persönlichkeitsrechte, Datenschutz und Handlungsfreiheit werden heute durch digitale Technologien bestimmt und auch „beschnitten“. Das Jahr 2014 brachte eine tiefe Vertrauenskrise, und zerstörte den Zukunftsoptimismus der einem offenen Internet innezuwohnen schien.

Neuerdings wandelt „Mensch“ mit Smartphones durch die Welt, und wandelt unter einer digitalen Glocke aus Apps, „Chat-Devices“ und Telefonfunktionen, sowie Musik- und TV-Empfangsfähigkeit. Es gibt schon erste satirische Überlegungen, auf Bürgersteigen extra Spuren für Smartphone-Nutzer anzulegen, damit niemand bei Laufen miteinander kollidiert.

Der Künstler als Individuum ist der digitalen Welt auf besondere Weise ausgesetzt: sie ist Verheißung auf ein geneigtes Publikum, aber auch Fluch, weil sie Zeit, Geld und völlig neue kommunikative Künste erfordert. Manche Kunsthochschulen lehren Marketing – und sorgen so für tiefe und neue Verheerungen der Kunst, im Innersten, in der Seele des Künstler und bei seinem Publikum.
Neue Abstraktionsebenen und performative Wirkungen toben sich aus, Leben und Biographie werden zu unsicheren Erprobungsprozessen mit Expeditionen ins Ungewisse, die sich öffentlicher Betrachtung entziehen, und in digitale Dörfer verlegt werden.

Doch die Kunst lebt vom Wunsch des Publikums, wenigstens den Ausgang ungewisser Expeditionen kennen lernen zu dürfen. Künstler bedürfen auch der Vermittlung, Präsentation und Selbstpräsentation, um ganz Künstler sein zu können.

Der Weg zum Publikum führt über das Internet, es ist unumgänglich geworden, um Zusammentreffen in der analogen Welt zu verabreden.

Kunst, künstlerische Haltung und Position – ökonomische Position

In Pankow kommnen noch historische Ungleichzeitigkeiten zum Tragen. Es gibt inzwischen mindestens fünf Generationen in der Kunst, die nebeneinander wirken und leben. Leider gibt es bis heute nur ganz kleine Kreise und Zirkel, die sich über die Zeiten und ihre Haltungen und Positionen verständigen können, und helfen können, das Neue und unsere heutige Welt besser zu verstehen.

Die Welt von Peter Hacks, in der »Die Maßgaben der Kunst« , insbesondere: »Schöne Wirtschaft« verinnerlicht wurden, sind zwar vorbei, doch ihre Vertreterinnen und Vertreter in der Kunst weilen mitten unser uns. Einige wirken weiter in der Kunst.

Peter Hacks lakonisches Wort „Eine Haltung erklärt man nicht, man nimmt sie ein!“ hat auch zu einer „wortlosen Haltung“ geführt, und infolge der Wende eine Sprachbarriere geschaffen, die zwischen Ost und West kaum zu „knacken“ ist. Künstler, die sich kaum noch einer anderen Generation oder nachfolgenden Person mitteilen möchten, weil nicht mehr an gemeinsamer Sprache gearbeitet wird.

So vergeht das künstlerische Reich von „reicher Gleichheit“ – einfach weil niemand neu spricht und kämpfen mag.

Die alte 68er-Generation von Ost und West hatte noch ein gemeinsames Sprachrepertoire, um Welt und Kunst besprechen und erklären zu können. Doch intergenerativ verliert man sich inwischen, weil vordergründig nur noch digitale Gruppen, -Stämme und Alterskohorten aufeinander treffen und miteinander agieren.

Es entstehen prekäre Verhältnisse, und dazu regieren in Berlin die Gesetze der Schwarmökonomie. Das Internet der Investoren zieht Geld aus Lebensäußerungen der Menschen ab, statt ökonomisches Heil zu bringen.

Der umgekehrte Prozeß, dass etwa ein Künstler oder eine Galerie soviel Wertschöpfung aus dem Netz zieht, um davon leben zu können, hat Seltenheitswert. Obendrein ist heute eine besondere „ökonomisch-digitale“ und „kommunikative Kunst“ neben der Kunst gefordert.

Dazu entstehen Kosten und Zeitaufwand zur Bewältigung der „digitalen Distanz“, Kosten von denen inzwischen Kulturschaffende in Existenznot getrieben werden.

Der Künstler wird heute in eine neue digitale Zivilisations-Struktur gezwungen, die neben Kunst, künstlerischer Haltung und Position – noch eine „ökonomische Position“ und eine „Positionierung in der Aufmerksamkeitsökonomie“ anfordert.

Das Internet, soziale Netzwerke und moderne Kommunikation überlagern alte gewohnte Lebens- und Arbeitsweisen, es gibt auch ein neues Gefühl von Unwirtlichkeit und Unwirklichkeit der Welt, mit dem umgegangen werden muss.

Es ist vielleicht schwer auszuhalten, wenn Kunst sich plötzlich im Kulturportal KULTUR IN PANKOW inmitten von Musik, Theater, Tanz, Literatur wiederfindet. Noch schwerer wiegt, wenn bedeutsame neben weniger bedeutsame Galerien gestellt sind. Und wenn stolze und ehrwürdige Institutionen unmittelbar neben hippen „Hot shops“ oder gar Clubs auftauchen, dann ist auch heiliger Ärger und Zorn angesagt.

Ist das noch Kultur? Darf man es so weit treiben? Ich sage: wir müssen es tun, um gegen Facebook und Amazon auch nur den Hauch einer Chance auf Bewahrung unserer Kulturwelt zu haben! Es ist der einzige Marktplatz, den wir selbst noch frei verfügen können.

Kulturbezirk Pankow als Herausforderung

Als die Idee des Kulturportals im Jahr 2011 erstmals dem Kulturausschuß der BVV vorgestellt wurde, zog der noch heute amtierende Kulturamtsleiter eine kopierte Zusammenschau des damaligen Magazins Zitty aus der Tasche, und sagte: „Allein am heutigen Tage sind hier 129 Veranstaltungen zu finden!“ Das Signal: „Wir brauchen hier in Pankow kein Kulturportal!“

Auch die Fachbereits-Leiterin des Fachbereich Kunst und Kultur stand dem Portal ebenfalls skeptisch gegenüber – griff hier doch jemand in die „Kulturhoheit des Bezirks“ als privater Akteur ein – ganz offensichtlich ein unerwartetes Sakrileg.

Doch über die Zeit waren immer mehr Galerien bereit, ihre Vernissagen in KULTUR IN PANKOW anzukündigen. Die Möglichkeit, einen großen Teil der kulturellen Angebote in Bild, Text und Links rasch finden zu können, sprach sich herum.
Überdies sorgte der spartenübergreifende Mix von Künsten, Musik, Literatur- und Kulturangeboten für eine gegenseitige Stärkung des Besucherinteresses. Suchanfragen nach Helene Fischer oder Deep Purple (u.v.m.) verlockten Menschen auch dazu, in anderen Seiten des Kulturportal zu „stöbern“. Inzwischen kristallisiert sich eine Stöber-Quote von 1:8 heraus, d.h. ein Seitenbesucher besucht bis zu 8 andere Veranstaltungsankündigungen.

Das Konzept des Kulturportals KULTUR IN PANKOW ist inzwischen bewährt. Gemessen an den überaus bescheidenen Mitteln, mit denen es realisiert wurde, ist das Portal sogar sehr erfolgreich.

Die natürliche Reichweitenentwicklung funktioniert. Es wurden bisher nur etwa 130 € für Printwerbung ausgegeben. Immerhin wurden seit 2011 erhebliche private Mittel und Arbeitszeit aufgewendet. Das nachdrücklichen „kulturamtliche „Nichtzurkenntnisnehmen“ hat verhindert, dass diese Mittel als „Schattenhaushalt“ dem Kulturetat zugerechnet werden konnten.

Eine großherzige Spenden-Option für den Gemeinnutz verbot sich deshalb. Stattdessen reifte ein Plan.

KULTUR IN PANKOW hat tatsächlich etwas bewirkt, der Bezirk ist ein wenig mehr zusammengewachsen. Kiezdenken wurde gesprengt.

KulturEins - Smartphone und Tablet

In den digitalen Reichweiten führt KULTUR IN PANKOW inzwischen gegenüber dem Kulturamt, und in fast allen Sparten ist die digitale Reichweite größer als in den bisher dazu existierenden Facebook-Gruppen im Bezirk. Inzwischen wurden Vergleichsanalysen sogar aufgegeben, weil die Lage klar ist. Am Ende zählen die Gäste, Besucher und Ticketkäufer – die jeden Kulturbetrieb beleben.

Die beste Erfolgsmeldung in der Kunst kam übrigens von der STAATSGALERIE PRENZLAUERBERG. Galerist Henryk Gericke sagte im Oktober eine Weiterbeteiligung ab, weil er lieber nur 50 als 350 Vernissagen-Besucher haben möchte. Die Kosten von 120 € im Jahr, und ca. 7,53 € pro Aussstellung waren ihm einfach zu viel. Wieviel Kunst verkauft wurde, ist natürlich geheim. Aber nun ist offenbar, die steten Veranstaltungsankündigungen haben schon allein beim Weinverkauf erheblich Geld verdient.

Parallel zu KULTUR IN PANKOW wurde im Sommer auch das Portal KULTUREINS für Berlin aufgelegt, um die „Plus-Ökonomie“ für alle anderen Bezirke umsetzbar zu machen. Für Pankower Künstler und Galerien bietet KULTUREINS den Zugang zum Hauptstadtpublikum.

Was fehlt: eine durchgängige Struktur, um den internationalen Kunst-Markt durchgängig erreichbar zu machen. Hierfür muß die Sprachbarriere beseitigt werden. Ausgewählte Künstler und Galerien können sich auf KULTUREINS künftig in Englisch und Deutsch präsentieren, Ausstellungen ankündigen, und auch Smartphones direkt erreichen.

2015 wird endlich www.SCEENE.berlin in englischer Sprache im Internet auftauchen. Dank gutmeinender Investoren, kann endlich Fahrt aufgenommen und richtig losgelegt werden. Auch digitale Museumsrundgänge werden verfügbar gemacht, und neuartige Formen der Interaktion zwischen Nutzer, Künstler und dem Internet der Dinge.

Mindestlohn - Kunst & Kultur in Not
Mindestlohn – Kunst & Kultur in Not – wie kommt der Mindeslohn in Kunst, Theater und Kultur?

Kulturumbau – statt unabsehbarer Kulturabbau

Das Jahr 2015 wird daher sehr spannend. In Pankow entscheidet sich, ob Kulturpolitik, Kulturamt und Kunstszene eine Wahl für eine lokale digitale Basis treffen – oder ob man sich lieber für eine „staatlichfinanzierte oder eine kalifornische Lösung“ votiert. Geld verdienen, oder Kulturgelder verbrennen – Flyer und Plakate sind längst unbezahlbar geworden.

Vor allem die Kulturpolitik ist gefordert, der Mindestlohn zwingt dazu Farbe zu bekennen:

Die kommunalen Galerien wurden drei Jahre lang mit freiwilligen Leistungen und Ankündigungen unterstützt. Ab 1.1.2015 endet diese Unterstützung. Kulturstadtrat und Kulturamt müssen danach entscheiden, ob sie jeweils ca. 180 € im Jahr etatisieren wollen, oder ob sie die eingeladenen Künstler zu einer Spende bitten wollen.

Sogar die Rektorin der Kunsthochschule steht vor so einer Nagelprobe, denn auch von der Kunsthalle am Hamburger Platz werden ca. 180 € im Jahr eingefordert – um nicht die Kunsthalle von privater Seite subventionieren zu müssen. Ein wunderbares Thema: Stadt Neu Denken, Neue Liegenschaftspolitik und Mindestlohn bei der Sicherung der digitalen Aufmerksamkeit und Publizität.

Alternativ steht natürlich auch die Getränkekasse zur Verfügung!

In jedem Fall werden sich die politschen Akteure tiefgreifenden Fragen stellen müssen – denn hier wird eine über Jahre aufgebaute notwendige „Innovation“ vorgetragen, die eben zuerst in Pankow ihren Ausgang nahm.

Gegen Kiezdenken, gegen traditionelle Denkweisen, gegen Schweigen und gegen vergebliche Ignoranz wurden alle Widerstände kreativ verarbeitet, und auch neu großartige Inspirationen geschöpft. Den Skeptikern und Gegnern ist sogar Dank geschuldet.

Die größe Inspiration war eigentlich die Ausstellung „Die grüne Tür“ in der Galerie Parterre, die das Leben des Kunsthistorikers Klaus Werner würdigte, und viele neue Verbindungen und alte Begegnungen schaffte.

Die Vision entstand: „ob es möglich ist, alle Kunstpositionen gleichberechtigt ans Licht treten zu lassen, und nebeneinander, nacheinander – auch miteinander zwischen Vernissagen, Lesungen und Ausstellungen ein gemeinsames Feld zu erschaffen – eine Pankower Kunstszene, die miteinander spricht, Menschen und Gäste der Stadt einlädt und einfängt, und all die segensreichen Wirkungen einer „Kunstszene“ in einer Kulturstadt entfaltet. Guten Wein und gute Gespräche inklusive.

Diskussion um Kulturfinanzierung und Kultur-Flatrate

Anders als bei der urheberrechtsbezogenen Diskussion um eine Kultur-Flatrate, die Mittel und Gewinne in digitalen Kanälen umverteilen will, geht es hier um eine gewinnbringende Kulturfinanzierung.

Die Möglichkeit, Termine prominent und langfristig anzukündigen, schafft eine wirtschaftliche „Plus-Ökonomie“, weil die Kosten für eine Veranstaltungs-Ankündigung im Verhältnis zu verkauften Eintrittskarten und Getränkeumsatz fast ausschließlich positiv sind. Die Veranstaltungsankündigung ist sogar wie eine Währung zu betrachten, die eine Kulturstadt oder einen Kulturveranstalter antreibt.

Was kostet die Präsenz der „Kunst“ in der Mitte der Aufmerksamkeit des Kulturpublikums in Pankow? Wir stehen aktuell bei rund 14.000 €/Jahr – Mit ein paar Sonderwünschen wie honorierte Kunstkritik, Kunst-Kommentar und Galerie-Würdigungen vielleicht bei 20.000 € im Jahr.

Eine Kunst-Flatrate je Einwohner würde somit nur 0,053 €/Einwohner pro Jahr kosten, gerechnet mit aktuell 375.000 Einwohnern. Da noch täglich über 30.000 Touristen zählen, sind es sogar nur 0,049 € /Einwohner pro Jahr.

Die Volkswirtschaft der Kunstökonomie

Der volkswirtschaftliche Effekt ist noch nicht genau gemessen und kalkuliert, aber das Geld ist sicher gut angelegt. Es gibt Galerien in Pankow, die in einer sechsstündigen Vernissage rund 35.000 € Umsatz erzielen und die gesamte Hängung ausverkaufen, aber nur einmal im guten Jahr.

Kunstauktionen bringen auch vierstellige Beträge. Und am Besten verkauft sich Kunst von 99-199 Euro, als typisches Mitbringsel und Geschenk, die sich Städtereisende selbst schenken, oder weiter verschenken.

Es gibt auch Künstler, die nichts in Pankow verkaufen, aber in der Uckermark Leben und Arbeit fruchtbar machen können.

Und es gibt Künstler und Galeristen, die sich von Pankow aus in die weite Welt vernetzen, in New York und Miami ausstellen, oder in Basel und Paris ihre Kenner und Kunstliebhaber finden. Sie tragen fernab vom Kiez trotzdem zum Erhalt der Pankower Galerie und der Galerieorganisation bei.

Vor allem in den östlichen Nachbarbezirken von Pankow, in Friedrichshain und Kreuzberg gibt es die schnellen und prekären „Facebook-Ökonomien“ in der Kunst, in denen sich Club-Besitzer, Kuratoren und Beziehungsfreunde zu einer in der Regel 3-4 tägigen Kunstaktion oder Performance treffen.

Bisweilen sind es einfach nur Lust und Spaß, erste Referenz und spontane Potentiale, die in Kunst umgesetzt werden. Oft werden sogar ein paar tausend Euro bei Kunstkäufern erzielt. Und manche Performance endet eher im Getränkegelage mit Partytanz.

Die alte Pankower Kunstszene schart sich um einige wenige Galerien. Hier herrscht eine freundlich gesetzte Atmosphäre. Die Kunst steht mehr im Mittelpunkt, so scheint es. Aber auch persönliche Geschichte und Begebenheiten sorgen für Zusammenhalt.

Nur der junge Kunstbesucher zuckt zusammen, wenn nebenan ein altbekannter Künstler bekennt, er gehe gerade in Rente, und habe sich nun erstmals im Leben einen Mercedes gekauft, eine A-Klasse – für 7.000 €. In solchen Momenten trifft eine immense zivilisatorische Spannung zutage, wenn jemand, der als Künstler einigermaßen gesichert gelebt hat, auf einen jungen Künstler oder eine Absolventin der Kunsthochschule trifft, die sich noch erst verausgaben wollen, und einen Weg durchs Dickicht globaler und digitaler Unsicherheiten bahnen müssen.

Kulturpolitik – Kulturökonomie – Provokation und Performance

Wie geht es 2015 weiter mit KULTUR IN PANKOW? Sollen wir in die „Weinkasse“ der Galerien und Künstler fassen, und die Mittel für die Aufwendung der Kosten und des Mindestlohns einfordern?

Oder sollen wir Immobilien-Investoren bitten, das Sponsoring zu übernehmen?

Oder sollen wir lieber die Kunst ganz abschalten? – Die Frage steht im Raum! *

Natürlich wird sich um diese Frage eine kulturpolitische Diskussion entfalten – eine Diskussion die längst überfällig ist.

In jedem Fall werden wir keine direkten Förderanträge stellen – weil der „Public Benefit“ für das Gemeinwesen längst da ist.

Ein Förderantrag – das wäre eine feige Kapitulation gegenüber Amazon, Google, Facebook & Co, denn es ist eine ganz andere Ökonomie geplant und intendiert. Keine Steuerspar- und Zinsökonomie – sondern eine Ökonomie, die kulturelle Synergien erzeugt und baut.

Eine Kulturökomomie 4.0. (vierter Ordnung), in der die direkt agierenden Akteure einen Gesamtnutzen erzielen, der durch Synergien erzeugt wird.

Es ist eine Provokation für Ökonomen und Betriebswirte, die Kulturschaffende unter das Diktat des Zins- und Zinseszins stellen wollen, die Menschen mit Kreativität und Lebenskraft die Zuversicht schmälern. Es ist auch eine durchdachte und notwendige Provokation für eine staatlich geförderte Kulturpolitik, die sich bisher zum Mindestlohn ängstlich und konzeptlos zeigt!

Und es ist eine seit 2010 von ganz langer Hand vorbereitete kulturpolitische „Provokation“ und eine „kunstpolitische Performance“, in die nun jede Galerie, jeder Freundeskreis einer Galerie, jede Künstlerin und jeder Künstler gern mit eintreten können!

Die Gedanken können nun kreisen: was, wenn nur zwei Galerien weiter machen? Gibt es eine Diskussion um Geiz & Luxus in der Kunst? Oder gibt es endlich einmal einen Kunst-Skandal? Oder nur homerisches Gelächter? Oder gemeinsame Freude, es denen da drüben in Kalifornien mal zeigen zu können? Oder hindern uns Konventionen, Vorurteile, Gewohnheiten – Bedenken?

Auch diese Frage kommt auf: „Ist die Kunst den Gegenwert von 2 Flaschen guten Wein wert, die üblich bei einer Vernissage ausgeschenkt werden?“ „Sollte man doch ein paar Flaschen Wein in Reserve halten, wenn mehr Vernissagengäste kommen, als gedacht?

Es geht um Ihre Autonomie als Künstler und Kunstschaffende! Es geht auch um Ihre Getränkekasse – und um Ihre Zukunft! Und es geht darum, ob eine Kulturstadt eine Kunstszene halten und entwickeln kann, oder nur zeitweise und intermediär aushalten kann.

Alle Optionen sind möglich – und auch über Gemeinnützigkeit, Stiftung und Crowdsourcing darf nachgedacht werden – Kommentare sind herzlich eingeladen.

Herzlichst
Dipl.-Ing. Michael Springer

* notfalls wird mit nur 2 Galerien weiter gemacht, Pensionierungen abgewartet, Amtsträgerwechsel … aufgeben ist keine Option!