Ein gemeinsam verfaßter offener Brief von vier Bundesministern zum Ende des Kampfeinsatzes in Afghanistan wurde heute in Berlin veröffentlicht. In dem Brief wurde noch einmal auf die Historie des Einsatzes eingegangen, das fortdauernde Engagement bekräftigt und gleichzeitig Dank an die Einsatzkräfte vor Ort, ihre Familien und Freunde ausgesprochen.
Der offene Brief wird nachfolgend unkommentiert und im Wortlaut wiedergegeben.
Gemeinsame Pressemitteilung | *Offener Brief* zum Ende der ISAF-Mission
Der 11. September 2001 hat die Welt erschüttert. 3 000 Tote beim Anschlag auf das World Trade Center; Anschläge islamistischer Attentäter auf Bali, Djerba und in Casablanca. Überall dort wurden auch Deutsche zu Opfern. Auch Europa ist nicht verschont geblieben. Hunderte starben bei Anschlägen in London und Madrid. Die Blutspuren der Attentäter hatten ihren Ausgang in den Trainingscamps von Afghanistan. Die Weltgemeinschaft versammelte sich gegen die terroristische Bedrohung und der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedete ein Mandat mit dem Ziel, dass Afghanistan nicht ein Ort bleiben würde, an dem der internationale Terrorismus ungestört rekrutieren, ausbilden und Anschläge planen kann. Auf dieser Grundlage begann 2001 gemeinsam mit 40 anderen Nationen unser Engagement in Afghanistan.
Nun endet dieser Tage mit dem ISAF-Einsatz das umfänglichste Engagement deutschen Militärs in der Geschichte der Bundesrepublik; Anfang 2015 beginnt die Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmission „Resolute Support“. An der Seite unserer Verbündeten
waren unsere Soldatinnen und Soldaten über 13 Jahre in Afghanistan eingesetzt, weitab der eigenen Landesgrenzen. Ihr Auftrag das Land zu stabilisieren, auch wenn nötig zu kämpfen, wurde verantwortet von unterschiedlichen Bundesregierungen und immer breit mandatiert vom Deutschen Bundestag.
Das deutsche Engagement in und für Afghanistan war und bleibt vielfältig und nachhaltig: Neben unserer militärischen Präsenz sind unzählige deutsche Diplomatinnen und Diplomaten, Polizistinnen und Polizisten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit seit Jahren bemüht, das tägliche Leben und die Zukunftsperspektiven der Afghaninnen und Afghanen zu verbessern und zur Versöhnung in diesem leidgeprüften Land beizutragen.
Die Bundesregierung handelt nach dem Verständnis, dass Sicherheit, Entwicklung und ein inner-afghanischer Versöhnungsprozess entscheidende Faktoren sind, die Afghanistan eine Zukunft in Stabilität und Prosperität ermöglichen können. Geleitet von dieser Überzeugung, wurden in den vergangenen Jahren beachtliche Fortschritte erzielt, die für die Menschen unmittelbar spürbar sind.
So hat sich das Bruttoinlandsprodukt Afghanistans seit 2001 mehr als versechsfacht. Mehr Menschen als jemals zuvor haben heute Zugang zu sauberem Wasser und Strom, zu ärztlicher Versorgung und zu Bildung. Ihre Lebenserwartung ist erheblich gestiegen. Mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft wurden Straßen, Schulen, Krankenhäuser oder Kraftwerke gebaut; andere Infrastruktur wurde wieder hergerichtet. Und es gibt erste Fortschritte beim Aufbau von Verwaltung und rechtsstaatlichen Strukturen.
Gewiss haben wir auch gelernt: Von anfänglich zu hohen Erwartungen, manchen zu ambitionierten Vorhaben, vielen noch unerledigten Projekten. Die Bekämpfung von Korruption und Drogenproduktion erfolgt bis heute nur schleppend. Die Sicherheitslage ist zwar deutlich besser als zu Beginn der ISAF-Mission, aber weiterhin fragil.
Vor allem aber können wir feststellen: Von Afghanistan wirkt kein Terror mehr in die Welt, wie es unter der Schreckensherrschaft der Taliban im Vorfeld der Anschläge des 11.September 2001 der Fall war.
Deutschlands Engagement in Afghanistan ist hoch geschätzt, respektiert und anerkannt – bei den Menschen in Afghanistan ebenso wie bei unseren internationalen Partnern und Verbündeten.
Ohne die außergewöhnliche Einsatzbereitschaft unserer Diplomaten, Polizisten, Entwicklungsexperten und Soldaten, ohne das persönliche Engagement dieser Frauen und Männer vor Ort – oft unter schwierigen und teilweise sehr gefährlichen Bedingungen – wäre aus Ideen und Konzepten nie Wirklichkeit geworden, wären die Fortschritte bei Stabilität und Entwicklung und damit auch ein Sicherheitsgewinn für uns nicht möglich gewesen.
Zum Ende des ISAF-Einsatzes der NATO und dem Beginn der neuen Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmission „Resolute Support“ ist es an der Zeit, Danke zu sagen.
Gemeinsam und öffentlich bedanken wir uns bei all denen, die in unserem Auftrag, unter Inkaufnahme großer Härten für sich und ihre Familien, das Bestmögliche für unsere Sicherheit und für ein stabileres und zukunftsfesteres Afghanistan erreicht haben.
Unsere Gedanken gelten auch den Familien und Freunden derer, die in Afghanistan ihr Leben lassen mussten oder mit Verwundungen an Körper oder Seele zurückgekehrt sind. Wir werden sie nicht vergessen, ihnen gelten weiterhin unsere Gedanken und unsere Sorge.
Bundesminister des Auswärtigen | Dr. Frank-Walter Steinmeier
Bundesminister des Inneren | Dr. Thomas de Maizière
Bundesministerin der Verteidigung | Dr. Ursula von der Leyen
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung | Dr. Gerd Müller
Berlin, 29.12.2014
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