Jeden Herbst legen die Kraniche in Brandenburg ihre Rast ein. Ihre Zahl hat sich in den letzten Jahren erfreulich positiv entwickelt. Rund 90.000 der großen grauen Vögel machen derzeit in Brandenburg Station. Viele tausend Touristen aus ganz Deutschland besuchen nun die das Vogelschutzgebiet in Linum und beobachten die Vögel.
Doch die herbstliche Naturidylle wird durch schrille Töne Landesbauernverband Brandenburg gestört: Udo Folgart, Präsident des Landesbauernverbandes Brandenburg forderte in einem RBB-Interview mit Brandenburg Aktuell den Abschuss von Kranichen.
Anja Sorges vom NABU Landesverband Berlin reagierte darauf mit einer scharfe Stellungnahme und schließt sich den brandenburgischen Naturschutzkollegen an, die ebenfalls die Forderungen des Präsidenten des Landesbauernverbandes Brandenburg scharf zurückweisen.
Argumentation des „obersten Problem-Bauern“
Das Interview mit Herrn Folgart strotzt nur so von Forderungen, die zeigen, welch Geistes Kind er ist: vom „Problem-Kranich“ bis hin zur Forderung die EU-Vogelschutzrichtlinie dahingehend aufzuweichen, dass eine Bestandsreduktion durch Abschuss möglich ist, reichen die Aussagen.
Dazu werden Landwirte und Filmausschnitte gezeigt, die den vermeintlichen „Schädling“ auf dem frisch eingesäten Acker zeigen.
Doch wer genauer hinschaut, sieht vor allen Dingen eines: die vermeintlichen Wintersaatvernichter stehen auf dem abgeernteten Maisacker, dort wo der Zugang zur Nahrung am leichtesten ist.
Auch ein scheinbar abgefressener Maiskolben wird als „Kranichschaden“ präsentiert.
„Das ist Meinungsmanipulation der schlimmsten Art“, erbost sich Anja Sorges, Geschäftsführerin des NABU Berlin und somit auch verantwortlich für das NABU-Naturschutzzentrum in Linum. „Kraniche gehen nicht an stehenden Mais, weil sie gar nicht mit diesen Maiskolben umgehen können. Auch meiden sie Maisfelder, die noch nicht abgeerntet sind, weil sie dort schlecht landen bzw. starten können, um etwaigen Feinden zu entkommen.“
Ignoranz auf ganzer Linie
Die Lösung im Umgang mit der vermeintlichen Kranichproblematik hat der Landesbauernpräsident in seinem Statement eigentlich schon selbst gebracht, doch anscheinend nicht als solche erkannt: die Kraniche haben einen höheren Nahrungsbedarf, wenn sie immer wieder von ihren Nahrungsflächen aufgescheucht werden, weil sie unter anderem durch Landwirte gestört werden.
„Dann muss man eben dafür Sorge tragen, dass diese Störungen reduziert werden“, betont Sorges. Sie wendet sich dabei auch eindringlich gegen die Darstellung, dass die herbeigeredete Kranichproblematik zwischen Uckermark und Havelluch vergleichbar ist.
Am größten Kranichrastplatz Mitteleuropas rings um Linum gibt es eine enge Abstimmung zwischen Naturschutz und Landwirtschaft, um sowohl Kranich als auch landwirtschaftlichen Betrieben ihr Auskommen zu sichern.
„Bei der durch Herrn Folgart präsentierten Sichtweise werden zudem auch andere Wirtschaftszweige, wie Tourismus und Kleingewerbe, die von dem Naturschauspiel leben, vollkommen ignoriert.“
Bauernverband im Einklang mit der Natur?
Der NABU Landesverband Berlin betreibt seit rund 15 Jahren die NABU-Naturschutzstation Storchenschmiede in Linum und leistet mit vielen Kooperationspartnern vor Ort ein anspruchsvolles Kranichmanagement. „Die Aussagen von Herrn Folgart zeigen eine rückwärtsgewandte, auf Konflikt ausgelegte Einstellung zur Natur“, so Sorges. Der NABU Landesverband Berlin unterstützt die Forderungen der Kollegen vom NABU Brandenburg und widerspricht der ungenauen Darstellung der Verhältnisse vor Ort und den Abschussforderungen aufs Schärfste.
Ausflugstip im Oktober
Seit 1991 unterhält der NABU Berlin im havelländischen Linum das Naturschutzzentrum „Storchenschmiede“. Hier brüten jährlich durchschnittlich 15 Storchenpaare. Der NABU setzt sich hier für den Schutz der Natur im Dorf, in den Feuchträumen des Rhinluchs und auf dem Ländchen Bellin ein.
In Herbst und Frühjahr rasten große Scharen von Wildgänsen und regelmässig mehr als 10.000 Kraniche im Linumer Teichland. Damit ist Linum eines der größten binnenländischen Kranichrastgebiet Mitteleuropas.
Ein Naturlehrpfad im Linumer Teichgebiet führt an die besonders sehenswerten Stellen und lädt zu Familienbesuch ein.
Linum ist wochentags per Regionalexpress von Berlin nach Neuruppin, von dort per Bus nach Linum erreichbar.
Etwa 11 km westlich von Oranienburg gelegen, kann Linum aber auch mit der S-Bahn und dem Fahrrad gut erreicht werden und lohnt somit für einen Familienausflug. m/s
Weitere Information zum NABU-Naturschutzzentrum Storchenschmiede:
NABU-Storchenschmiede
Nauener Straße 54
16833 Linum
Tel. 03 39 22-5 05 00
E-Mail: storchenschmiede@nabu-berlin.de
Öffnungszeiten
März bis Ende der Kranichrast im November, Di. bis Fr. 10-16 Uhr, Sa., So. und feiertags 10-18 Uhr und nach Vereinbarung.
www.berlin.nabu.de/projekte/linum/
NABU Berlin (Naturschutzbund Deutschland e.V.) Wollankstr. 4, 13187 Berlin-Pankow