In der letzten Woche sollte eine bebilderte Meldung Europa und die Welt aufschrecken: Rußland plant den neuen militärischen Superflieger mit 200 Tonnen Ladekapazität. Eindrucksvolle Videosimulationen von Aleksey Komarov, Technical Manager bei der innovativen Volga-Dnepr Group, zeigten einen Entwurf der neuen „PAK TA“, die etwa ab 2022 abheben soll.
Natürlich stammte die Nachricht aus einer geheimen Quelle, der zufolge die russische Armee den Bau des neuen High-Tech-Frachters plant. Doch was ist eigentlich an der Story dran, die binnen Stunden einfach von FOCUS, WELT und SPIEGELonline weiter getragen wurde?
In der Rubrik „RUSSISCH Ei TODAY“ wird das Outing des neuen Fliegers genauer analysiert, denn wir haben es hier mit Psychologie, Politik, hybriden Informationskrieg und mit einem hybriden „fliegenden Objekt“ zu tun, das durch einen „Hybridantrieb“ von Gasturbine und Elektromotoren angetrieben werden soll.
Putins Hybris
Schon vor wenigen Wochen wurde Putin auf ein immer enger werdendes Zeitfenster hingewiesen: „Noch 974 Tage …“ (24.02.2015 Pankower Allgemeine Zeitung) – dann ist der 100. Jahrestag der russischen Oktoberrevolution. Ein Tag, der unweigerlich kommt, an dem sich Historiker und Politiker unausweichliche Fragen stellen werden.
Wladimir Wladimirowitsch Putin weiss längst um diesen Tag, und will an jenem Datum als ganz „Großer“ da stehen.
Es geht um sein Bild in der Geschichte, das sich in eine große Reihe einordnen soll. Nach Lenin und Stalin klingt Putin wie ein mächtiger Dreiklang, in dem er sich gern .
Der Zerfall der alten Sowjetunion ist Putins Trauma, und er träumt nun von der Wiederherstellung seiner großen Eurasischen Union.
Der Spott von US-Präsident Barack Obama, Rußland sei eine Regionalmacht, sitzt tief – ein Fußtritt für das Machtempfinden. Zwar hat Obama Recht, denn das Bruttosozialprodukt des größten Landes der Erde ist kaum größer, als das des größten Stiefel auf der Erde, nämlich Italien.
Zukunftsprojektion als Ausweg
Die ideologische Scharte mußte pariert werden. „Rußland ist und bleibt Weltmacht, und wird sich modernisieren – und wird sich für weltweite Auseinandersetzungen wappnen!“ – Das ist die Botschaft des neuen Fliegers, der nun als Zukunftsentwurf angekündigt wurde.
Die Zahlen sollten Eindruck machen, doch bei genauerer Betrachtung sind sie unspektakulär und in wichtigen Aspekten utopisch.
200 Tonnen Nutzlast – das ist mehr als eine amerikanische Lockheed C-5M Super Galaxy, die 122.472 kg oder 345 Soldaten über rund 12.000 km transportieren kann. 200 Tonnen – das ist auch eine kritische Zahl, denn von den neu geplanten Armata-Panzern (MBT = Main Battle Tank) passen voraussichtlich nur drei Stück gewichtsmässig in den Laderaum. Der bei Uralwagonsawod in Nischni Tagil produzierte Panzer wird bis zu 52 Tonnen wiegen.
Um rund 400 Panzer über 7.000 Kilometer weit per Luftfracht zu transportieren, wären über 134 Flüge mit einer „PAK TA“notwendig. Nur eine große Flotte dieser Maschinen hätte überhaupt ausreichend Einsatzverfügbarkeit, um eine derartige logistische Aktion erfolgreich durchzuführen. Also müssen über 80 Flugzeuge gebaut werden – die USA verfügen über etwa 70 C 5 A Galaxi, die jedoch unterschiedliche Dienstalter haben.
Überschall mit Hybridantrieb?
Die „PAK TA“ soll auch angeblich „Überschallgeschwindigkeit erreichen können, ein etwas überambitioniert klingende Zielsetzung, wenn man das Antriebskonzept betrachtet:
Die Maschine soll durch eine einzige Gasturbine angetrieben werden, die ihrerseits zwei riesige elektrogetriebene Turbinen mit antreiben soll. Offenbar will der Konstrukteur eine moderne Form der Strahltriebwerke, sogenannte Getriebefans bauen, die als Niederdruckturbine mit einer höheren Drehzahl betrieben werden können, und deren Fanschaufeln last- und drehzahlabhängig zu verstellen sind. Derartige Strahlturbinen ähneln eigentlicn eine gekapselten Luftschraube (engl.: Ducted Fan). Doch diese Triebwerke sind nicht geeignet, um Überschallgeschwindigkeit zu erreichen.
Das Flugzeug wird überdies Flüssiggas in einem Speicher mitführen müssen, ein explosives Risiko, und ein thermodynamisches Kunststück, denn wenn das eiskalte Gas in die Triebwerke gepumpt wird, müssen gewaltige Temperaturspannungen am Tank auftreten.
Große Flüssiggastanker haben deshalb eine Isolation aus dicken Korkschichten – ein Material das schon im Schiffbau exotisch ist.
Moderne Boeing 777-300 ER haben nur zwei Triebwerke, der Triebwerksdurchmesser dieser Aggregate erreicht bis zu 3,5 m bei einem Schub von über 500 kN (zum Beispiel bei einem GE90-115B).
Das bisher größte Flugzeug, die russische Antonov An-225-Mirja hat sechs Triebwerke ZMKB Lotarjow D-18T-Mantelstromtriebwerke mit je 229,85 kN Schub und eine maximale Zuladung von 250 Tonnen. Das ist weniger als die Hälfte der Leistung moderner Triebwerke für moderne „Unterschall-Flugzeuge“ wie die Boeing 777, die mit 950 km/h Höchstgeschwindigkeit dicht unterhalb der Schallgrenze fliegen.
Das zeigt: triebwerkstechnisch müssten die russischen Flugzeugkonstrukteure noch gewaltig aufholen – ihre Leistung erheblich mehr als nur verdoppeln. Die Leistungsfähigkeit der Triebwerke müsste ganz enorm gesteigert werden, wenn nur drei Triebwerke rund 200 Tonnen Nutzlast, plus Treibstoff plus Abfluggewicht in die Lüfte befördern sollen.
Das Fazit: die Überschallgeschwindigkeit ist wohl mehr Legende, es spricht viel dafür, dass man aus Gründen von Stabilität und Wirtschaftlichkeit dicht unterhalb der Schallgrenze bleiben muss.
Hybride und globale Machtprojektion
Putins Wünsche nach einem Gleichziehen mit den USA waren vermutlich die Treiber der visionären Ideen des Aleksey Komarov. Eine „militärische Konfrontation auf transkontinentaler Ebene“ ist mit derartigen Großflugzeugen auch ein schwieriges Geschäft, weil sie ein leichtes Ziel für Raketen wären.
Auch die Ankündigung, die Maschine können militärische Fracht auf jegliches Gelände absetzen, ist mehr Traum, als Realität. Die Antonow An-225 „Mrija“ (ukrainisch Антонов Ан-225 Мрія, dt. „Traum“) mit Heimatflughafen Kiew hat rund 600 Tonnen Abfluggewicht und abzüglich verbrannten Treibstoff ein Landegewicht von ca. 470 Tonnen. Damit befindet sie sich schon im Grenzbereich und kann nur auf befestigten Schotterpisten landen.
Die „PAK TA“ ähnelt übrigens dem Entwurf des zivilen SkyWhale des spanischen Designers Oscar Vinals, der erst im letzten Jahr groß vorgestellt wurde – ein Verkehrsflieger.
Russia Today entfaltete dann noch die eigentliche Botschaft, es geht um globale Machtprojektion:
„Mit der Entwicklung eines Netzwerkes von Militärstützpunkten im Mittleren Osten, Lateinamerika und Südostasien scheint es offensichtlich, dass sich Russland auf eine militärische Konfrontation auf transkontinentaler Ebene vorbereitet“, wird die geheime Quelle von Russia Today zitiert. „Das bedeutet, dass wir zum ersten Mal die Möglichkeit besitzen, eine vollwertig ausgestattete Armee an jeden Ort der Welt zu bringen“ – in nur wenigen Stunden.“
Für die Leserinnen und Leser von Russia Today beginnt nun die Ära der Angst und Vorbereitung. Bis 2024 wird Rußland als Weltmacht mitspielen, so die indirekte Botschaft.
Putin kopiert so eine weitere westliche Erfindung, die vor allem User von Microsoft-Produkten kennen: Durch Ankündigung von „Vaporware“ werden „Kunden“ bei der Stange gehalten. Die von Russia Today in die Welt gesetzte Botschaft ist unser erster Kandidat für „RUSSISCH Ei TODAY“, denn es ist nicht mehr als eine Diplomarbeit eines jungen Luftfahrtingenieurs.
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