Am Wochenende des 9. /10. November 2013 erinnern Berliner Kaufleute und Einzelhändler an die Pogrome vor 75 Jahren und beziehen damit Stellung gegen Intoleranz, Rassismus und Antisemitismus. Sie unterstützen damit das Anliegen der Gedenkveranstaltungen dieses Wochenendes.
An vielen Berliner Geschäften und Kaufhausschaufenstern sind heute Fensterfolien geklebt, die Glasbruch und eingeschlagener Schaufenster symbolisieren. Es sind Zeichen großes Betroffenheit, die die Pogrome von 1938 bis heute auslösen, und Zeichen der Solidarität mit den Opfern. Zugleich wird ein wichtiges Zeichen gegen Intoleranz, Rassismus und Antisemitismus gesetzt.
An dieser Aktion, die auf Initiative des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg e.V. (HBB) und der Kulturprojekte Berlin zustande kam, machen überraschend viele Berliner Einzelhändler, Kaufhäuser und auch Systemgastronomen mit: mehr als 120 Firmen in Berlin beteiligen daran.
Mit den Fensterfolien in der Optik eingeschlagener Schaufenster machen die beteiligten Geschäfte auf die Ausschreitungen von 1938 aufmerksam – am Hackeschen Markt, an der Tauenzienstraße/ Kurfürstendamm sowie am Alexanderplatz und an anderen Orten.
Parallel dazu wird Informationsmaterial in den Geschäften ausgelegt.
Zum Pressetermin am 8. November wurde bereits eine geklebte Fensterfolie am GALERIA Kaufhof-Schaufenster Nr. 12 am Berliner Alexanderplatz zusammen von Initiator Nils Busch-Petersen, Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V. (HBB), Gerd Koslowski, Leiter Unternehmenskommunikation der GALERIA Kaufhof am Alexanderplatz, Bjoern Weigel, wissenschaftlicher Koordinator/ Themenjahr 2013 und Moritz van Dülmen, Geschäftsführer Kulturprojekte Berlin/Themenjahr 2013 vorgestellt.
Moritz van Dülmen: „Es ging uns nicht um Quantität, sondern um die direkte Ansprache und die Motivation, sich zu engagieren. Genau das ist uns gemeinsam gelungen: ein starkes Zeichen der Einzelhändler Berlins gegen das Vergessen.“
Fensterfolien in der Optik eingeschlagener Schaufenster sind u.a. an folgenden Orten zu sehen:
• Galeria Kaufhof (Alexanderplatz)
• Leiser (Tauentzienstraße)
• Theater und Komödie (Kurfürstendamm)
• Rodan Ledermoden (Kurfürstendamm, zeigt dazu eine Schaufensterdekoration gegen Rassismus)
• dm-Drogerien mit 4 Läden (Tauentzienstraße, Kurfürstendamm, 2 Mal Alexanderplatz)
• Restaurant Barist und Restaurant Rocco, (Hackescher Markt)
• Meisterbäckerei Steinecke (Dircksenstraße)
• IG City Weißensee mit 7 Läden
• Bücherbogen (Savignyplatz)
• KaDeWe (Fenster am Wittenbergplatz)
• das Unternehmensnetzwerk Großbeerenstraße hat 50 Folien verteilt.
Insgesamt wurden 285 Schaufenster sowie 15.000 Informationsflyer für die Verteilung an die Kunden der Geschäfte zur Verfügung gestellt.
Weissensee – Weltoffen
In Weissensee engagieren sich insgesamt Läden die sich an der Aktion “ Zerstörte Vielfalt“. Organisiert wird die Aktion durch die IG City Weissenee e.V, hinter der die Geschäftsleute in der Berliner Allee, am Antonplatz und einige Anlieger der Geschäftsstraße stehen.
Die beteiligten Geschäfte sind:
1.) Albertinen Buchhandlung , Berliner Allee 91, Frau Manuela Wiggert albertinenbuchhandlung@t-online.de
2.) Anziehendes Für Männer , B.A. 56, Frau Sylvia Nitsch sylvianitsch@gmx.de
3.) Medicus Apotheke , B.A. 82, Herr Oswin Deiringer medicus-apotheke@t-online.de
4.) Damenmoden Dewald , B.A. 92 , Frau Carmen Dewald kontakt@damenmoden-dewald.com
5.) Schreib Art , B.A. 52, Frau Ziegler weissensee@bueromaus.de
6.) Floris-Tick Am Antonplatz , B.A. Frau Heike Naurath blume@floris-tick.de
7.) Jeans Bank , B.A. 46-48 Herr Tim Dassow tim.dassow@jeansbank.de
Publikationen des Themenjahres „Zerstörte Vielfalt“
Zusätzlich wurden für das Themenjahr mehrere Publikationen erstellt:
Das Buch „Kristallnacht? Bilder der Novemberpogrome 1938 in Berlin“ führt erstmals zeitgenössische Zeitungs- und Augenzeugenberichte mit den nur 27 überlieferten Fotos zerstörter „jüdischer“ Geschäfte zusammen. Die Fotografien zeigen 19 der mindestens 3.000 verwüsteten und geplünderten Geschäfte in Berlin. Sie sind gleichwohl prägende Bilder, denn sie sind die einzigen, die aus der Hauptstadt überliefert sind.
Die Novemberpogrome nehmen in der kollektiven Erinnerung in Deutschland und auch im Berliner Themenjahr 2013 „Zerstörte Vielfalt – Berlin 1933-1938-1945“ eine herausgehobene Stellung ein. Den vor aller Augen inszenierten Gewalttaten gegen Juden fielen reichsweit bis zu 1.500 Menschen zum Opfer. Gleichzeitig waren rund 1.400 Synagogen, Tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe Verwüstung und Plünderung preisgegeben. Der Reichshauptstadt kam dabei eine besondere Bedeutung zu. So war der Initiator der Gewalt, Joseph Goebbels, nicht nur Propagandaminister, sondern auch NSDAP-Gauleiter von Berlin und reagierte auf die besondere Situation in seiner Stadt. Weil es hier noch viel zu zerstören gab, war die Gewalt in Berlin besonders langanhaltend. Mehr als drei Tage lang wüteten NSDAP-Angehörige, SA, SS, Hitlerjugend, Glücksritter, Gelegenheitsdiebe und vermeintlich „harmlose“ Nachbarn in den Straßen, Häusern und Synagogen Berlins.
Neben den physischen Fotos hat das symbolische Bild der Scherbenwüsten unsere Erinnerung an die Pogrome nachhaltig geprägt.
Die Publikationen sind zum Teil bei den Händlern der Schaufenster-Aktion, im Buchhandel oder über die Kulturprojekte Berlin GmbH erhältlich.
Das Berliner Themenjahr 2013 ist eine Initiative des Landes Berlin, koordiniert durch die landeseigene Gesellschaft Kulturprojekte Berlin. Dieses Jahr des Gedenkens, der Mahnung, Erinnerung und der aktiven Auseinandersetzung wird unterstützt aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin und des Hauptstadtkulturfonds. Es wird realisiert in Zusammenarbeit mit weiteren Partnern und Förderern.
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