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Verbot von Ferienwohnungen

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Pankow geht seit dem 1.Januar 2013 gegen die Nutzung von Wohnraum als Ferienwohnungen vor. Jens-Holger Kirchner (Bü 90/Die Grünen), Bezirksstadtrat und Leiter der Abteilung Stadtentwicklung macht sich damit weiter für den Schutz von Mieterinteressen stark und vollzieht einen notwendigen Schritt, um der Wohnraumknappheit und der explosiven Mietenentwicklung entgegen zu treten.
Für die Vermieter brechen nun harte Zeiten an – denn das ordungspolitische Instrumentarium bietet viele gesetzliche Ansatzpunkte für eine Untersagung der Zweckentfremdung und die Verhängung von Buß- und Ordnungsgeldern. Auch das bezirkliche Finanzamt kann nun bei vermuteten gewerblichen Einkünften aktiv werden.

Ferienwohnungen werden in  Pankow verboten

Im September 2012 hatte die Linksfraktion in der BVV eine große Anfrage zur „Massenhafte Umnutzung von Wohnungen in Ferienwohnung – das Bezirksamt wartet ab und tut nichts“ Ds. VII-0226 gestellt – und politischen Druck ausgelöst.
Das Thema gewinnt seit Monaten an Gewicht – und im Oktober 2012 haben die Mitglieder des Arbeitskreises Stadtentwicklung Bauen, Wohnen, Verkehr und Umwelt grundsätzlich die Machbarkeit eines Zweckentfremdungsverbots in Berlin bestätigt: „Zweckentfremdungsverbot in Berlin rechtlich möglich“.
Stadtrat Jens-Holger-Kirchner hatte nach mehreren kleinen Anfragen der Linksfraktion in der BVV keine ausreichende Handhabe gesehen – und war noch im September 2012 davon überzeugt, „Ferienwohnen sei eine Form von Wohnen“.

Doch schon wenig später kam der Wandel der Politik:

Schon im November 2012 hat Pankow Ernst gemacht, und einem Hauseigentümer untersagt, Wohnungen als Ferien-Apartments zu vermieten. Seitdem stehen in der Stargarder Strasse 72 sechs Ferienwohnungen leer, die sicher bald Nachmieter finden werden.
Das Haus wurde von einem in London ansässige Unternehmer Shaune Cooke gekauft – der dort bis zu 20 Ferienwohnungen im Internet anbot.
Thomas Lengfelder, Geschäftsführer vom Hotel- und Gaststättenverband Berlin (Dehoga) ärgert sich auch über die Konkurrenz:
„„Es gibt in Berlin rund 15.000 solcher Ferienwohnungen – offiziel seinen aber nur rund 30 Anbieter mit rund 2700 Betten gemeldet.“
In den Berliner Innenstadtbezirken machen nun die Baustadträte mobil und nutzen das ordnungspolitische Instrumentarium.
Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) untersagte bereits im Oktober 2012 den Betrieb von elf Ferienwohnungen in der Wilhelmstraße. Die Bezirke Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg folgen nun mit eigenen Maßnahmen. Die Senatsbauverwaltung hat nun sogar einen Gesetzentwurf für das Land Berlin zur Vorlage für das Abgeordnetenhaus im Januar 2013 angekündigt.

Wie sieht die Rechtslage eigentlich aus?

Im Jahr 2000 hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin die „Verordnung zum Verbot der Zweckentfremdung“ außer Kraft gesetzt. Mit der Begründung, es gebe ausreichend Wohnraum, wurde damit den umstrittenen Ferienunterkünften der Weg freigeräumt.

Inzwischen hat sich das Blatt gewendet – in ganz Berlin herrscht eine neue Wohnungsnot – und in Berlin Charlottenburg wurde erstmals in Friedenszeiten die „Beschlagnahmung von Wohnraum“ für Obdachlose durch Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU) öffentlich angekündigt (Tagesspiegel 21.12.2012).

Bisher hat man sich in Pankow schwer getan, gegen Ferienwohnungen aktiv vorzugehen, weil man sich bislang allein auf die aufgehobene „Zweckentfremdungsverbotsverordnung“ und sich baurechtlich nicht als handlungsfähig angesehen. Tatsächlich gibt es aber ein umfangreiches Instrumentarium, um dem Ferienwohnen entgegen zu treten.
Noch im Spätzherbst hatte Stadrat Jen-Holger Kirchner in der BVV Ausschusssitzung die Ansicht vertreten, Ferienwohnungen seinen aus juristischer Sicht mit Wohnungen gleichzusetzen.
Tatsächlich gibt es aber viel weitergehende Vorschriften, die den rein baurechtlichen Teil des Zweckentfremdungsverbots übertreffen – und viele Ansatzpunkte für die Nutzungsuntersagung bieten.

Wie sieht das Instrumentarium aus?

Genehmigungsrecht:

Bei der Vermietung von Ferienwohnungen mit insgesamt mehr als 12 Betten in einem Gebäude gelten in Berlin erhöhte Anforderungen. Grundlage sind die „Ausführungsvorschriften zu § 52 der Bauordnung für Berlin (AV Mustervorschriften)“ der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 09. Dezember 2009 (ABl. 2009 S. 2804).
Die Einrichtung und Vermietung dieser Ferienwohnungen ist als Nutzungsänderung genehmigungspflichtig. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Betreiber in einem Gebäude mehrere Ferienwohnungen vermietet; mehrere Ferienwohnungen zentral gebucht (z. B. im Internet) werden können; hoteltypische Serviceleistungen angeboten werden, wie tägliche Reinigung, frische Bettwäsche und Handtücher, Minibar etc.; ie Gäste von Ferienwohnungen öfter wechseln (Aufenthaltsdauer < 1 Monat). Seit dem 11.7.2010 ist die erste Änderung der Betriebsverordnung (u.a. für Beherbergungsstätten) in Kraft. Für alle Gebäude mit mehr als 12 Gäste-Betten muss der Eigentümer einen Bauantrag wegen der Nutzungsänderung in eine Beherbergungsstätte (Sondernutzung) stellen. Im Rahmen der besonderen Sicherheitsanforderungen müssen insbesondere der bauaufsichtliche Brandschutznachweis, die Einschaltung eines Prüfingenieurs, die Entrauchung der Treppenhäuser, Einbau von Brandschutztüren (T30) in Flucht und Rettungswegen, Barrierefreiheit, nachzurüstende Bauteile, Erstellung und Installation von Flucht- u. Rettungswegsplänen auf den jeweiligen Geschossen erbracht werden. Diese Vorschrift wird in Pankow unterlaufen, indem z.B. ein Betreiber in der Dunckerstrasse nur 11 Wohnungen anbietet - und sich so erfolgreich gegen erhöhte bauliche Anforderungen stellt. Die Senatsbauverwaltung könnte diesen Umgehungstatbestand leicht ändern, indem die Kriterien auf alle gewerblichen Anbieter angewendet werden - unabhängig von der Zahl der angebotenen Ferienwohnungen. Bei nachgewiesenen Verstößen gegen das Baurecht könnten dagegen Geldbußen bis zu 500.000 Euro (§83 BauOBln) verhängt werden. Zivilrecht und Strafrecht:
Für Betreiber von “ungenehmigten” Ferienwohnungen gibt es erhebliche Risiken, die bei Personenschäden eintreten – wie z.B. bei Treppenstürzen oder Bränden: Bei Personenschäden wird eine strafrechtliche Verfolgung riskiert – und hieraus ergibt sich auch eine Rechtspflicht, eine gewerbliche Vermietung mit einer ausreichenden Haftpflichtversicherung zu versichern.
Fehlt eine solche Versicherung – könnte das Gewerbeamt auch eine fehlende Voraussetzung für einen Gewerbebetrieb erblicken – und den Gewerbebetrieb untersagen.

Steuerrecht & Gewerbesteuer

Der deutsche Tourismusverband beschreibt ausführlich die ordnungsrechtliche und steuerrechtliche Seite – ab wann ein Gewerbebetrieb vorliegt – und eine Gewerbeanzeigepflicht nach 14, 55 c Gewerbeordnung (GewO) besteht – die gegenüber dem örtlichen Wirtschaftsamt erfolgen muß.
Hier dürften einige Vermieter noch eine Überraschung erleben – weil sie ihre Wohnung im vermeintlichen privaten Bereich vermietet haben. Die Vermietung von Ferienwohnungen ist regelmässig ein Gewerbebetrieb – wenn im Jahr mehr als 6.600 € Einnahmen erzielt werden.

Steuerrechtlich wird bei einer Ferienwohnungsvermietung nach neueren steuerrechtlichen Entscheidungen regelmässig von einer Gewinnerzielungsabsicht ausgegangen. Die Kriterien für eine einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Ferienwohnungen sind im das BMF-Schreiben vom 8.10.2004 (BStBl I 2004, 933) dargelegt und ermöglichen auch eine nachträgliche Steuerschätzung.

Zweitwohnungssteuer
Interessant ist auch die Überprüfung von Ferienwohnungen entsprechend dem Gesetz über die Zweitwohnungssteuer. Insbesondere wohlhabende skandinavische Anleger haben sich in Prenzlauer Berg Wohneigentum als Altersvorsorge erworben – und lassen die Wohnungen übers Jahr leerstehen – oder als Ferienwohnung für nahe Bekannte anbieten – ohne dass ein Internet-Angebot öffentlich wird.
Hier verhindert der ausländische Erstwohnsitz eine genaue Nachprüfung der Zweitwohnungststeuerpflicht – die zu ganz erheblichen Einnahmen führen könnte. Der Steuersatz beträgt 5% der Nettokaltmiete, also der Grundmiete ohne Betriebs- und Heizkosten.
Hier müßte das Land Berlin eine EU-weite Überprüfung einleiten – und es ist auch im Sinne der Steuergerechtigkeit erforderlich, hier eine Besserstellung von EU-Ausländern gegenüber Inländern zu verhindern.

Kritik der Wohnungswirtschaft

Während die Mieterverbände die Initiative gegen Ferienwohnungen begrüßen, reagiert die Wohnungswirtschaft reserviert und wendet sich gegen den Entwurf für das neue Verbot der Zweckentfremdung. Allein einen von fünf Punkten, die als Zweckentfremdung gelten sollen, halten die Juristen des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) für justiziabel. Nämlich die Vorschrift, wonach die Wohnung nicht gewerblich nutzbar sei.
Der gewerbliche Status beginnt bei darin erzielten Erlösen von 6000 Euro pro Jahr, egal ob in einer Arztpraxis oder durch die Vermietung an Touristen. „Das ist wirklich justiziabel“, sagte ein BBU-Sprecher.
Problematisch ist es auch, wenn Mieter ohne Genehmigung der Wohnungseigentümer ihre Wohnungen zeitweise vermieten. Die wohnungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Iris Spranger, fordert deshalb klare Regelungen.
In Pankow sieht man eine Vermietung von 28 Tagen im Jahr als unbedenklich an – und setzt damit eine konkrete Zahl in der Debatte fest.
Immobilienrechtler und die Wohnungswirtschaft sagen eine Klagewelle voraus, weil es grundsätzlich frei sein sollte, seine Wohnung untervermieten zu können. „Was ist gewerblich?“, fragt etwa Anwalt Breiholdt vom Berliner Anwaltsverein. Wenn jemand für ein Dreivierteljahr ins Ausland gehe und seine Wohnung auch mit einem saftigen Aufschlag für diese Zeit vermiete? Oder wenn jemand für sechs Wochen einen Sprachstudenten einziehen lässt? Oder an Freunde vermietet? Anderen Leuten auf Zeit seine Wohnung zu überlassen, sei grundsätzlich zulässig, das hätten diverse Urteile bestätigt.
Zudem könnte ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegen“, sagte Anwalt Breiholdt. Problematisch sei zudem, dass bezirkliche Kontrolleure auch das Recht haben sollen, in Wohnungen einzudringen und zu prüfen, ob sie tatsächlich zweckentfremdet seien. Das sei ein „ziemlich schwerer Eingriff in ein wesentliches Grundrecht“, findet der Jurist.

Für viele der in Berlin rund 60.000 lebenden Künstler wäre es schon ein Problem, weil sie beruftsbedingt oft mehrmonatige Gastaufenthalte bestreiten müssen – und ihre heimatliche Berlin-Adresse dann wie selbstverständlich untervermieten.

Vielleicht kommt noch ein Politiker auf die kluge Idee, eine „Artists-in-Residence“ Klausel einzufügen – um nicht unnötigen Frust bei Künstlern und Streß mit den Wohnungsaufsichtsämtern auszulösen.

In jedem Fall zeigt sich nun eine neue Aktivität – und Stadtrat Jens-Holger Kirchner hat offensichtlich ordnungspolitische Hausaufgaben in seinem Amt gemacht und setzt sich in vorderster Front gegen die übergebordete Wohnraumspekulation mit Ferienwohnungen ein. m/s

Weitere Informationen und Links:
Deutscher Tourismusverband – Service – Recht

Steuertipss Ferienwohnung

Zweitwohnungssteuer

m/s