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Überlebenskünstler im Eichenbaum

Heldbockkäfer im Schlosspark Niederschönhausen - Foto: Thomas Ziska

Im Schlosspark Niederschönhausen sind die heimlichen Helden von Pankow zu finden. Eigentlich sind sie vom Aussterben bedroht – aber ausgerechnet im Schlosspark Niederschönhausen haben sie einen ihrer letzten Rückzugsorte gefunden. Der große Heldbock oder auch Großer Eichenbock (lat. Cerambyx cerdo) genannte Käfer zählt zu den größten Käfern in Mitteleuropa.

Heldbockkäfer im Schlosspark Niederschönhausen - Foto: Thomas Ziska
Heldbockkäfer im Schlosspark Niederschönhausen – Foto: Thomas Ziska

Um diese Überlebenskünstler kennen zu lernen, ist ein Besuch in Pankow-Niederschönhausen, eine Taschenlampe, ein halbwegs milder, trockener Sommerabend erforderlich. Zwei Experten vom NABU Berlin zeigen, wo die Helden am 20.06.2014 um 21 Uhr zur Autogrammstunde bitten.

Nachtaktiv und heimlich

Ihre Lebensweise ist vergleichsweise heimlich, sie sind hauptsächlich in der Nacht aktiv. 24 bis 53 Millimeter lang sind die Heldböcke. Die Fühler können beim Männchen das Doppelte der Körperlänge erreichen, die Fühler des Weibchens erreichen in etwa Körperlänge. Die Fühler sind im ersten Glied verdickt, punktiert und runzlig. Kopf, Brust, Beine und Fühler sind schwarz, die schwarzen Flügeldecken werden nach hinten heller bis braunrot. Die Flügeldeckennaht ist zu einem feinen Dorn ausgezogen. An der Unterseite des ersten und zweiten Hinterfußgliedes befindet sich eine Längsrille.

Der Lebensraum: ein einziger Baum

Der Große Eichenbock bevorzugt sonnenexponierte, kränkelnde oder absterbende alte Stieleichen, seltener Traubeneichen, Buchen oder Ulmen. Vollständig tote Bäume (s. a.: Totholz) werden gemieden. Bevorzugt werden durchfeuchtete Stämme an sonnenexponierten Stellen, ursprünglich wohl in Eichen-Urwäldern der Zerfallsphase und Hartholzauen, Restvorkommen gibt es vor allem in alten Parkanlagen und Hutewäldern.
Die vollentwickelte Imago des Großen Eichenbocks hält sich fast ausschließlich an ihrem Geburtsbaum auf. Tagsüber versteckt sie sich unter loser Rinde, in alten Fraßgängen oder im Laub im direkten Umfeld des Baumes. In warmen Sommernächten mit Temperaturen über 18 °C, vor allem im Juni und Juli, fliegt die Imago kleinere Strecken, selten auch bis zu 4 Kilometer. Entsprechend gering ist die Verbreitungstendenz dieser sehr ortstreuen Tiere. Zwischen 20 und 22 Uhr ist ihre Hauptaktivität. Sie ernähren sich am Saftfluss verletzter Eichen und reifem Obst. Die erwachsenen Tiere werden maximal 46 Tage (Männchen) bzw. 59 Tage (Weibchen) alt. Während seiner nächtlichen Aktivität erzeugt der Große Eichenbock stridulierende Geräusche, indem er die vorderen zwei seiner drei Brustsegmente aneinander reibt.

Lebenszyklus

Je ein bis drei Eier auf einmal, insgesamt 60 bis 450, legt das Weibchen mehrmals in die knorrige Rinde alter Eichen. Nach bis zu drei Wochen schlüpfen die Larven und fressen sich zur ersten Überwinterung in das Kambium, im zweiten Jahr ins Splintholz und im dritten (bis fünften Jahr) ins Kernholz. Die neun bis zehn Zentimeter langen Larven ernähren sich von den Assimmilaten, Vitaminen und Mineralstoffen im Saftfluss des Baumes. Sie verpuppen sich im Juli oder August im Hakengang. Nach vier bis sechs Wochen schlüpfen je Baum bis zu 200 Käfer von Ende September bis Oktober, die dann ein drittes Mal in der Puppenwiege überwintern. In manchen Fällen dauert die Entwicklung auch vier oder fünf Jahre.

Schutz und Erhaltung der Art

Der Große Eichenbock ist heute vom Aussterben bedroht und nach der FFH-Richtlinie (Anh. II und IV) der EU streng geschützt. Der Rückgang des Großen Eichenbocks lässt sich nur langsam bremsen, da Eichen erst in einem Alter ab 80 bis 150 Jahren für diese Käferart interessant werden. In Berlin gibt es insgesamt 4 Stellen, an denem der Hldbock noch heimisch ist.
Die langsamwüchsigen Stieleichen bieten den Käfern die beste Lebensbasis. Ein weitgehender Verzicht auf „Baumpflege“ in Parks, Friedhöfen und Gärten könnte den weiteren Rückgang der Art bremsen.
Für den Erhalt der Lebensräume des seltenen Bockkäfers setzt sich der NABU Berlin bereits seit mehreren Jahren ein, denn nicht immer stößt der Erhalt von alten Eichen in Parkanlagen auf die Gegenliebe von Behörden.

Ästhetische Gründe oder die Verkehrssicherungspflicht entlang von Wegen werden dann häufig als Argumente ins Feld geführt, um alte Eichen zu fällen, anstatt sie als Lebensraum für den Heldbock zu erhalten. Erst der massive Protest des NABU Berlin und seiner Experten führte dazu, dass sich im Schlosspark Niederschönhausen jetzt eine Arbeitsgruppe mit allen Verantwortlichen aus Verwaltung, Denkmalpflege und Naturschutz nun Gedanken über den zukünftigen Erhalt der Eichen und somit der Wohnstätten der Heldböcke macht.

Heimlicher Held der Schlossparks

Wer mehr über die faszinierenden Heldbock erfahren möchte, kommt am 20. Juni 2013 um 21 Uhr mit auf eine Nachtwanderung in den Schlosspark Niederschönhausen. Treffpunkt ist die nEcke Am Schlosspark/Ossietzkystraße (an der Pumpe). Bitte die Taschenlampen nicht vergessen.
Zwei Experten der NABU-Fachgruppe Entomologie (vulgo: Käferkunde) begleiten die Besucher: Thomas Ziska und Thomas Esser führen zu den heimlichen Orten im Schloßpark.

Programmhinweis in Kürze:

Beobachtung des Heldbocks im Schlosspark Niederschönhausen
mit Thomas Ziska, Leiter NABU-Fachgruppe Entomologie
20. Juni 2013
ab 21 Uhr (Dauer: ca. 1,5 Std.)

Treffpunkt: Am Schlosspark/ Ecke Ossietzkystraße (an der Pumpe)

Bitte Taschenlampen mitbringen!

NABU Berlin: www.nabu-berlin.de

m/s