Die Mietervollversammlung am 11.April 2013 im Stadtteilzentrum Pankow war gut besucht. Erstmals haben sich die betroffenen Mieterinnen und Mieter in Pankow im ganzen Bezirk vernetzt – Mieter aus insgesamt 8 Häusern in Pankow und Weißensee waren vor Ort. Vor Ort war auch die Bezirkspolitik und ein Abgeordeter aus dem Abgeordnetenhaus. Es gibt damit ein breite politische Unterstützung für eine sozial verträgliche Sanierung in den Häusern der GESOBAU.
Mietervollversammlung am 11.4.2013 im Stadtteilzentrum Pankow
Das Bündnis Pankower Mieterprotest hatte seit Anfang Februar 2013 beachtliche Aktivitäten entfaltet und viele Unterstützer gewonnen. Die Mietervollversammlung bildete einen ersten Höhepunkt, weil sich neben der Unterstützung aus der Bezirkspolitik auch eine parteiübergreifende Kritik an der Sanierungspraxis der GESOBAU AG abzeichnet, die auch das Berliner Abgeordnetenhaus erreicht hat. Das Thema Mietenbündnis für die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften steht nun auf dem Prüfstand.
Neben den schon auf der Internetseite des Bündnisses „Pankower MieterProtest“ vertretenen drei Häusern kamen auch besorgte Mieter aus anderen GESOBAU Häusern dazu:
bisher vertreten:
Trelleborger Straße 39, 41, 43 / Hallandstraße 27
Pestalozzistraße 4
Florapromenade 21
am 11.4.2013 neu vertreten:
Wolfshagener Straße 74 / Kavalierstraße 9
Waldstraße 22/Platanenstraße
Amalienstraße 25 c
Gounodstraße 29
Gounodstraße 33
Vinetastraße 5
Tschaikowskistraße 62
Grunowstraße 7.
Damit zeichnet sich ab: die Sanierungspraxis der GESOBAU AG steht in Pankow auf breiter Front in der Kritik (Einzelheiten siehe weiter unten).
Zu Beginn der Mieterversammlung ergriff Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/Grüne) Stadtrat und Leiter der Abt. Stadtentwicklung das Wort, und begrüßte „… dass die Mieter sich hier zusammem schließen.“
Kirchner eröffnete, die GESOBAU werde womöglich einlenken, und “ rechne derzeit noch einmal nach – um am Wochenbeginn einen Vertragsentwurf für eine Sanierungsvereinbarung vorzulegen.“
Kirchner warnte jedoch vor Euphorie – und riet dazu, den Vertragsentwurf genau zu lesen – erfahrungsgemäß liegen die Schwierigkeiten immer im Detail.
Gleichzeitig lüftete Kirchner auch das Geheimnis um die Vorgespräche zwischen dem Bezirk Pankow und der GESOBAU AG: „… es hat vor Ostern stundenlange Gespräche zwischen Kirchner und Bürgermeister Köhne und Herrn Franzen und Herrn Holborn gegeben – in denen der einhellige Standpunkt des Bezirks Pankow dargelegt und ein Ausweg gesucht wurde.
Die am 8.April 2013 von der GESOBAU AG herausgegebene Presseerklärung „GESOBAU führt Modernisierungen in Pankow bündnisgerecht und sozialverträglich durch“ las sich erst wie ein erstes Einlenken. Doch in der Faktenlage und bei den kritisierten Miethöhen nach Sanierung blieb man hart und wendete sich gegen die zwischen GEWOBAG und Bezirk Pankow abgeschlossene Sanierungsvereinbarung. Zu diesem Zeitpunkt mußte die GESOBAU aber auch nur von 3 Häusern ausgehen.
„Zum Abschluss einer Modernisierungsvereinbarung mit dem Bezirk Pankow:
Die ebenfalls landeseigene GEWOBAG hat mit dem Bezirk Pankow eine Vereinbarung getroffen, die für einzelne Modernisierungsprojekte in Pankower Milieuschutz- und Erhaltungsgebieten gilt und bestimmte Nettokaltmieten nach Modernisierung festschreibt. An diesem Beispiel solle sich die GESOBAU orientieren, heißt es jetzt z.B. seitens der Mietervereinigung sowie des Mietervereins. Die Bestände der GESOBAU liegen überwiegend außerhalb der Milieuschutz- und Erhaltungsgebiete im Großbezirk Pankow, Modernisierungsvorhaben beider Wohnungsunternehmen sind unter anderem deswegen nur bedingt vergleichbar. Die GESOBAU hat in den vergangenen Jahren mit dem Bezirk Pankow über Sinnhaftigkeit und Durchführbarkeit einer vergleichbaren Maßnahme diskutiert. Da die GESOBAU, wie die anderen landeseigenen Wohnungsunternehmen auch, mit dem Berliner Senat im September 2012 das „Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“ geschlossen hat, das weitestgehende Sozialklauseln für alle städtischen Wohnungen umfasst, waren Bezirk wie GESOBAU zunächst übereingekommen, dass dieses Bündnis eine Einzelregelung für den Bezirk Pankow obsolet machen würde.“ schrieb am 8.4.2013 die Unternehmenskommunikation der GESOBAU AG, vertreten durch Kirsten Huthmann.
Doch der Mieterprotest förderte immer mehr unschöne Details ans Licht – und die Mietervollversammlung am 11.4.2013 führte immer mehr Betroffene zusammen. Inzwischen zeichnet sich ab: die gesamte Linie der Sanierungspraxis der GESOBAU AG erzeugt Unmut und Verdruß – und muß wohl auch grundsätzlich überprüft werden.
Neue Lage seit der Mietervollversammlung
Die 1. Vollversammlung des Bündnisses „Pankower MieterProtest“ am 11.04.2013 im Stadtteilzentrum Pankow entfaltete weitere Kraft, weil die zentralen vier Forderungen des Bündnisses auch von Mietern aus anderen GESOBAU Häusern einstimmig verabschiedet wurden.
Dazu zählt „eine Kappung der Nettokaltmiete nach Modernisierung, die sich am Median des Mietspiegels orientiert. Richtwert ist die von der GEWOBAG praktizierte Kappung bei 5,47 €.“ Ferner wird „ein Sozialplanverfahren unter Einbeziehung einer eigentümerunabhängigen Mieterberatung mit öffentlich-rechtlichem Vertrag“ gefordert – das sich am Muster der Vereinbarungen mit der GEWOBAG orientiert. Darüber hinaus wird „eine Mietgarantie nach der Modernisierung für einen angemessenen Zeitraum. Richtwert sind 5 Jahre“ eingefordert.
Die vierte wichtige Forderung: „die energetische Sanierung soll nicht nach dem Gießkannenprinzip geplant und durchgeführt werden, sondern auf der Grundlage einer fundierten, unabhängigen Expertise, die auf realistischen und nachvollziehbaren Ist- und Zielwerten aufbaut.“
Dabei richtet sich die Sorge der Mieter darauf, das die künftigen Mietumlagen (einschließlich etwaiger Erhöhungen oder Verminderungen bei den Betriebskostenumlagen) die Mietzahlungsfähigkeit der Bezieher unterer und mittlerer Einkommen […] nicht überfordern.“
Hier bestand auch überaus große Einigkeit bei den Vertretern der politischen Parteien, angefangen bei Andreas Otto, bau- und wohnungspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordneternhaus und Gregor Kijora, stellv. Vorsitzender des SPD-Fraktion der BVV Pankow.
Hartmut Seefeld, Mitarbeiter f+r Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Büro von MdB Stefan Liebich (Die LINKE) – früher bei der Mieterberatung Prenzlauer Berg für das Magazin „Vor Ort“ zuständig – übermittelte dessen Grüße aus Vietnam. Liebich bereiste das Land vom 8.-11.4.2013 gemeinsam mit fünf Bundestagskollegen aus CDU, SPD und FDP.
Torsten Schneider, Parlamentarischer Geschäftsführer und haushalts- und finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus war eigentlich nur als Beobachter zu Gast. Er ließ sich aber doch entlocken, das gemeinsam mit Staatsekretär Gothe und der SPD-Frakion an einem Papier gearbeitet wird. Gleichzeitig eröffnete er, das die SPD-Fraktion die Vorstände der GESOBAU AG, Hern Franzen und Herrn Wilkens zu einer Diskussion zum Thema „Umsetzung Mietenbündis“ am 23.April 2013 eingeladen hat, bevor man das Thema im parlamentarischen Raum öffentlich behandeln will.
Dr. Michail Nelken, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Fraktion der LINKEN in der BVV Pankow gab ebenfalls seine Unterstützung kund, und wies darauf hin, das es auch bei der GEWOBAG in einzelnen Häusern vor der Sanierungsvereinbarung zu Mieten oberhalt von 9,11 € gekommen sei. Dr. Nelken vertrat auch die Ansicht, es sei hier ein strukturelles Problem offenkundig, das praktisch alle landeseigenen Gesellschaften betreffe.
Im Gespräch mit Gregor Kijora wurde auch deutlich: „die bereits eingetretene Mieterverdrängung an den Stadtrand bewirkt bei den landeseigenen Wohnungsgesellschaften generell die Tendenz, Hartz4-Mietgarantien für Mieterhöhungen und Gewinnmaximierung bei eigentlich wenig gefragten Wohnungsbeständen zu nutzen.“ Die Problematik ist damit nicht nur ein Pankower – sondern ein stadtweites Problem.
Frau Graunke und Frau Werner vom Berliner Mieterverein, Frau Hoehne-Killewald, Geschäftsführerin der Mieterberatung Prenzlauer Berg und Frau Wallroth, FSW e.V. – der Mieterberatung aus dem Flora-Kiez signalisierten jeweils ihre Unterstützung und boten auch Gespräche un dEinzelfallhilfen an.
Gudrun Wollnik aus der Pestalozzistrasse 4 hatte die Diskussionsleitung übernommen, und konnte am Ende eine volle Mailing-Liste in Empfang nehmen. Vertreter mehrerer GESOBAU-Häuser erklärten den Anschluss ihrer Häuser an das Mieter-Bündnis erklärten. „Die GESOBAU wird in den kommenden Tagen und Wochen entsprechende Schreiben erhalten. Wir freuen uns über die neuen Mitstreiter!“ so faßte Frau Wollnik das Ergebnis zusammen.
Einzelfälle und die GESOBAU Sanierungsstrategie
In Gesprächen wurde der Unmut über das Vorgehen der GESOBAU konkretisiert. So steht die Miethöhe nach Sanierung im Mittelpunkt der Kritik, die von einem Nettokaltmietenziel der GESOBAU (Kappung) zwischen 7,12 € bis 7,56 €/qm Wohnfläche liegt – und mit den Mietnebenkostenvorauszahlungen die Mietzahlungsfähigkeit und die Härtefallgrenzen (35% des Haushaltsnetto-Einkommens) überschreiten.
Offenkundig stehen auch Energieeinsparungen von 7 € pro Monat in einem Mißverhältnis zu neu hinzukommenden Mietkostenvoraus-zahlungen von über 100 € monatlich, die in den Dulungsvereinbarungen gefordert werden.
Kritisiert wird auch die Praxis der GESOBAU AG, Mieter zum Abschluß von Neuverträgen zu „drängen“ – und so zum Verzicht auf langjährige Mieterrechte zu bewegen. Der Vorteil für die GESOBAU AG: man hat früher weitere Mieterhöhungsmöglichkeiten, und kann sich schneller im Mietpreis nach oben anpassen. Eine Zeitbombe für viele Sanierungsmieter, die gerade noch die Sanierung überstehen. Nach 3-5 Jahren ist der Zeitpunkt zum fälligen Auszug für viele bereits absehbar.
Daneben gibt es viele exemplarische Einzelfälle, die akute Probleme der Mieterverdrängung illustrieren: eine hoch betagte Frau kann die Miete nach Sanierung nicht bezahlen, möchte gern aus einer 90 Quadratmeter-Wohnung ausziehen, die sie mit dem verstorbenen Ehepartner bewohnt hat. Sie findet aber auch bei kleineren Wohnungen keinen bezahlbaren Ersatzwohnraum.
In einem anderen Fall ist es ein Hartz4-Empfänger, dem die Miete nach Sanierung über die genehmigten Mietobergrenzen von 2012 rutscht – weil die Wohnfläche durch einen Balkon vergrößert werden soll.
Auch ein Fall wird berichtet, in dem einer Hartz4-Empfängerin kein angemessener Ersatzwohnraum angeboten wird – und raktisch nur eine Verdrängung als Option übrig bleibt.
Zudem entsteht wachsender Unmut, weil inzwischen viele Mieter aus den sanierungsbetroffenen Häusern nach Ablehnung der Duldungsvereinbarungen mit „Duldungsklagen“ überzogen werden.
Die Praxis der GESOBAU AG, wird zusammenfassend von Martin Engelmann, einer der Sprecher im „Bündnis Pankower Mieterprotest, kritisiert:
„Über Jahrzehnte verschleppte Instandhaltungen sollen mit maximal-großen Modernisierungspaketen nachgeholt werden. Nicht das Nötige, sondern das maximal Mögliche ist beabsichtigt. Intakte Vollstandard-Wohnungen werden zerstört, um die Miete maximal in die Höhe zu schrauben und Leute mit günstigen Altverträgen zu vertreiben.“
„Im Falle unseres kommunalen Vermieters GESOBAU besteht dabei ein krasses Missverhältnis zwischen Eigendarstellung und Realität.“
„Für Maßnahmen der energetischen Sanierung werden zum einen immense KfW-Fördergelder bezogen, zum anderen wird kräftig bei den Mietern abkassiert, insbesondere für die Fassadendämmung. Diese bildet den größten Umlageposten und bedeutet für den Mieter in der Regel keinerlei Einsparung, sondern dauerhaft immense Mehrkosten.“
Zudem sind die vorgelegten Energiepässe fehlerhaft bis definitiv falsch berechnet. So wird z.B. bei einer Modernisierzungsan-kündigung ein berechneter Verbrauch von 266 kWh pro qm und Jahr angegeben. Der tatsächliche gemessene und durch Mieter ermittelte Verbrauch liegt aber nur bei 98,5 kWh pro Jahr.
So bilden die vorgelegten Energiepässe nicht die Realität ab – ein schwerwiegender Tatbestand, der sicher noch Gegenstand für eine Tiefenprüfung der Sanierungspraxis der GESOBAU AG werden wird.
Soziale Härtefälle werden verdrängt
Das Mieterbündnis kritisiert besonders den Umgang mit Härtefällen und sieht hier eine Strategie. „Eine Soziale Härte nach dem Mietenbündnis liegt vor, wenn die Bruttomiete 30% des gesamten Haushaltsnettoeinkommens überschreitet. Dabei werden Wohngeld, Kindergeld etc. mit angerechnet.“
„Nach unserer bisherigen Erfahrung wird jede Berufung auf Soziale Härte von der GESOBAU prinzipiell erst einmal abgelehnt. Die Begründung dafür ist immer gleichlautend und empörend: Der Härtefall tritt nicht ein, weil er schon eingetreten ist.“ – Den Mietern bleibt damit nur der Gang zum Wohngeldamt oder Jobcentern – und eine Verdrängung wird nahezu unausweichlich – weil in ganz Pankow keine angemessene Wohnung zu tragbaren Mietpreis zu finden ist.
Beklagt wird auch der Umgang mit den Mietern:
„Die GESOBAU informiert prinzipiell nicht über uns zustehende Rechte wie Aufwandsentschädigung, Ausweichwohnungen, Mietminderung bei Leer-stand im Haus etc. Diese Rechte müssen wir selbst herausfinden und nach-drücklich einfordern. Es wird mit Unwahrheiten operiert, z.B. hinsichtlich Bauvorschriften. Mieteraussagen werden unsauber oder falsch fixiert. Es gibt niemals schriftliche und also verbindlichen Zusagen, “ – so verlautete die Erklärung des Bündnis Pankower Mieterprotest.
Die gesammelten Vorwürfe wiegen schwer – und die GESOBAU-Vorstände müssen sich nun auf detaillierte Nachfragen der Abgeordneten und Bezirkspolitiker vorbereiten.
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//Kommentar//: GESOBAU, Mieter und Politik stecken in einem gemeinsamen Dilemma: eine energetische Sanierung und Modernisierung sind nicht zum Nulltarif zu haben. Der Systemfehler heißt: gesetzlich vorgeschriebene und KfW-geförderte Energie- und CO2-Einsparung zu einem für Mieter unwirtschaftlichen Preis. Und dazu eine mangelnde Mietleistungfähigkeit aufgrund zu geringer Einkommen.
Die GESOBAU muss angesichts berechtigter Kritik und angesichts dieser Gemengelage auch erkennen: nur Sozialplanverfahren und eine unabhängige Mieterberatung können den Rechtsfrieden zwischen Vermieter und Mietern in Pankow wieder herstellen.
Die Politik wird allerdings beim Nachrechnen der Zahlen mit Schrecken feststellen: Alleinverdiener (ohne Kind) sind auch bei einem Mindestlohn von 8,50 € (190 Monatsstunden) schon ein geplanter sozialer „Sanierungs-Härtefall“. Die stadtweite Mieterhöhungstendenz frißt die unteren Einkommen auf!
Für den Finanzsenator bedeutet das, steigende Wohngeldzahlungen und steigende Kosten der angemessenen Unterbringung einzukalkulieren – und nach neuen wohnungspolitischen Auswegen suchen. Das Mietenbündnis reicht nicht aus – und wird nur wenig Entlastung bringen.
Der Druck durch längst absehbare Mieterhöhungen steigt weiter, es muss eine neue sozial verträgliche und nachhaltige wohnungspolitische Strategie gefunden werden. m/s