Der Bahnhof Gesundbrunnen wurde im Jahr 2006 in Betrieb genommen. Der stark frequentierte Kreuzungsbahnhof am Übergang von der Bad- in die Brunnenstraße gehört zu den 21 Bahnhöfen der höchsten Bahnhofskategorie 1 der DB Station&Service. Der große Bahnhofsvorplatz entstand durch die vollständige Überdeckelung der Gleise.
Hanne-Sobek-Platz
Der Vorplatz wurde im Mai 2006 mit Eröffnung des Bahnhofs auf den Namen Hanne-Sobek-Platz getauft. Sobek war ein ehemaliger Fußballspieler von Hertha BSC, mit dem der Verein 1930 und 1931 Deutscher Fußballmeister wurde.
Das 1997 fertiggestellte Gesundbrunnen-Center der Hamburger Architekten Jost Hering und Manfred Stanek mit seiner architektonischen Gestaltung mit Elementen eines Passagierschiffes stand daher jahrelang als ikonenhaftes Bauwerk frei.
Inzwischen wird es von der brutalen Einfachheit des neuen DB-Emnpfangsgebäudes „im Stile eines Terminalgebäudes“ (O-Ton DB AG) nahezu bedrängt.
Viele Pläne für ein Empfangsgebäude
Der Bau eine Empfangsgebäudes stand nach der Inbetriebnahme des neuen Bahnhofs Gesundbrunnen im Jahre 2006 immer wieder auf der Tagesordnung. Über 20 Konzepte wurden geprüft. Die Pläne scheiterten häufig an der Wirtschaftlichkeit oder an der Statik.
Ursprünglich hatte die Deutsche Bahn ein fünftürmiges Empfangsgebäude am Platz vorgesehen. Da der Platz eine nur begrenzt belastbare Brückenkonstruktion ist, gestaltete sich eine bauliche Lösung schwierig. Für die abgespeckte Idee eines zweietagigen Gebäudes fand sich kein Investor. Dadurch blieb der Bahnhof der einzige ICE-Bahnhof im gesamten deutschen DB-Netz, der lange Jahre kein Empfangsgebäude hatte. Lediglich zwei Laden-Container, ein paar Marktstände und Fahrkartenautomaten und mobile Märkte prägten über Jahre ein Provisorium.
Neubau der DB Station&Service in Eigenregie
Im Jahr 2013 haben die Bauarbeiten für das neue flache Empfangsgebäude begonnen. Das Bauwerk mit viel Blech und viel Glas wird durch ein vorkragendes Dach mit einer Fläche von 7.700 Quadratmeter geprägt.
Die durchgehende Linienführung der Dachfront prägt nun mit brutaler Einfachheit den Vorplatz: „Wedding bekommt funktionales und ästhetisch schönes Gebäude“, schreibt die DB AG in ihrer Pressemitteilung.
Das Dach ruht auf 85 Stützen und wird durch bis zu zehn Meter hohe Oberlichter erhellt. Die Dachunterkonstruktion mit grauen Trapezblechen ist von skandalöser Einfachheit.
Ursprünglich war vorgesehen, einen großen Teil der Dachfläche mit Solarzellen zu decken. Die DB AG hat hier „wegen Kürzung der Fördergelder durch den Bund“ auf eine Realisierung verzichtet – eine mehr als kurzsichtige Entscheidung.
In der Halle mit In zwei gläsernen Baukörpern werden fünfzehn Geschäfte einziehen: ein Fahrkartenverkauf und Büros der Bundespolizei werden Platz finden. Ferner sind Fahrscheinverkauf, Informationen, Bäcker, Buchhandlung und ein öffentliches WC zu finden.
Der Rohbau wurde praktisch am 10. Oktober 2014 fertig gestellt. Rund 10 Millionen Euro wurden bisher verbaut. Die Eröffnung des
Empfangsgebäudes soll im Frühjahr 2015 erfolgen.
Friedemann Keßler, Leiter Regionalbereich Ost, DB Station&Service AG sagte zum Fototermin der Rohbauabnahme: „Lange vermisst, werden wir hier im nächsten Frühjahr ein nicht nur für Bahnreisende nützliches als auch ästhetisch schönes Gebäude eröffnen. Das neue Eingangstor des Stadtbezirks Wedding verstehe ich auch als Teil der Reisekette.“ Vorher sind jedoch die 11 Mieter gefragt, die insgesamt 2.200 Quadratmeter Ladenfläche ausbauen werden. Der Architektur des Gebäudes folgend, setzen die Mieter auf einen modernen und hochwertigen Ladenbau mit Wohlfühlklima. Dazu gehören auch ansprechende Farben und viel Licht.“
Reduzierte architektonische Ansprüche
So einfach und brutal wie die Architektur, so einfach auch der architektonische Anspruch des Bauherrn:
„Aus der Stadt blickt man durch die beiden gläsernen Gebäudeteile auf Elektronische Fahrtzielanzeiger und auf den etwa 2.500 Quadratmeter großen Querbahnsteig. Über diesen können Reisende witterungsgeschützt zwischen den Fern-, Regional- und S-Bahnsteigen wechseln. Die Dachfläche, die bis an die oberen Bahnsteigzugänge heranreicht, wird als „fünfte Fassade“ von allen haustechnischen Ein- oder Aufbauten freigehalten. Die überstehenden Dachränder verschatten und schützen vor sommerlicher Wärme. Kreisrunde Dachöffnungen lassen viel Tageslicht auf die Verkehrsflächen.“
Das Gesundbrunnen-Center wird nun durch eine Flachdach-Halle bedrängt. Die ursprüngliche architektonische und städtebauliche Aufwertung des Gesundbrunnen-Quartiers mit einer anspruchsvollen Architektur wird durch das Empfangsgebäude konterkariert und herabgesetzt.
Berlin: Metropole der mißratenen Bahnhöfe?
Der Bahnhof Gesundbrunnen gehört eigentlich zu den bedeutendsten Kreuzungsbahnhöfen im sogenannten Pilzkonzept für die Fern- und Regionalverkehrsplanung.
Hier steigen jeden Tag mehr als 100.000 Menschen um-, ein- und aus. Mit täglich 30 Zügen im Fernverkehr, 90 im Regionalverkehr und rund 1.000 S-Bahnen sowie Übergängen zur U-Bahn und zum Bus, gehört Berlin Gesundbrunnen zu den wichtigen Verkehrsknoten der Hauptstadt. Der stark frequentierte Kreuzungsbahnhof mit zehn Bahnsteiggleisen ist Umsteigepunkt zwischen Personenfern- (ICE, IC/EC, InterConnex) und Nahverkehr (S- und Regionalbahn bzw. -Express) und bietet Anschluss zum innerstädtischen Verkehr mit Bussen oder – über den gleichnamigen U-Bahnhof der BVG – zur Linie U8.
Doch eine Visitenkarte für die Stadt ist er nicht. Das Brutal-Empfangsgebäude am Gesundbrunnen reiht sich ein in die Kette des Versagens in der Bahnhofsarchitektur der Metropole Berlin. Nebem dem verkürzten Dach des Hauptbahnhofes und dem umständlichen und von technoider Häßlichkeit geprägten Bahnhof Südkreuz, steht nun auch der Bahnhof-Gesundbrunnen als weiteres Negativbeispiel.