Die Freunde des Mauerparks hatten am Donnerstag dem 23. August 2012 zur Demonstration vor dem Rathaus Berlin-Mitte aufgerufen. Rund 400 Teilnehmer, davon viele Eltern mit ihren Kindern, trafen sich auf dem Vorplatz vor dem Rathaus.
Mauerpark-Demo
Ein historisches Pferdegespann mit zwei Pferden war aufgefahren. Dazu tanzte ein verkleideter Bär durch die Menge und posierte mit Transparent für die Kamera. Auch eine Schafspuppe kam zum Einsatz und vertrat die Interessen der Jugendfarm Moritzhof. Dazu war auch die gelbe Fahrrad-Straßenbahn der Pankower Grünen aufgefahren. Riesige Seifenblasen zerplatzten schnell im Wind, sie parfümierten dabei die Luft mit einem zitronig-frischen Duft. Ziel der Demonstration war die für 17:30 angesagte Tagung der Bezirksverordnetenversammlung, die sich mit der Frage der Mauerpark-Bebauung befassen sollte.
Besondere Aufregung war um den bisher geheimen Verhandlungsentwurf entstanden – der einen städtebaulichen Vertrag zwischen Bezirk und der CA Immo AG betrifft – und der bis dato nicht öffentlich ist.
Bärenstarker Protest zur Mauerpark-Demo
Doch im Rathaus Mitte war man schlecht vorbereitet: der Sitzungssaal hat keine ausreichenden Zuschauerbänke. Die Abgeordneten sitzen raumfüllend an ihren Arbeitstischen. Ihre fein säuberlich gedruckten Namensschilder boten einzig sichere Orientierung, in einem schnell anwachsenden Chaos. Der Saal füllte sich mit interessierten Bürgern, es wurde voll. Übervoll. Kinder spielten auf den Gängen, und einige auch im Saal. Transparente wurden emporgezeigt – eine Beeinflussung der Abgeordneten – und ein Verstoß gegen die Sitzungsordnung.
Und so baute sich eine immense Spannung auf: eine BVV-Versammlung, mit einer unheimlich langen Tagesordnung saß beieinander und wurde von einem erwartungsvollen Protestpublikum überrascht. Beide trafen im viel zu engen Saal zusammen.
Und niemand führte dazu die Regie!
BVV-Vorsteher Diethard Rauskolb (CDU) wollte die Sitzung gar nicht erst beginnen, es hätte auch wohl kaum Sinn gemacht. Denn auch auf Seiten der Mauerparkfreunde führte niemand richtig Regie, oder wollte hier gar vor der BVV die Sprecher-Rolle einnehmen.
Und so entwickelte sich ein Chaos, in dem basisdemokratische Willensbildung und repräsentative Sitzungsdemokratie nicht zueinander finden konnten. Ein Eklat lag in der Luft.
Die Idee von Diethard Rauskolb, den fensterlosen Vorrraum zu nutzen, und der Sitzung per Tonübertragung vor der Tür zu folgen, wurde schnell verworfen. Protest hob dagegen an. Nun rief der BVV-Vorsteher den Ältestenrat zur Beratung zusammen – um die Idee einer polizeilichen Räumung zu diskutieren. Es war keine gute Idee: die Polizei hatte zu dem Zeitpunkt nur etwa 10 Beamte vor Ort – und die Mehrheit im Ältestenrat riet auch dazu, keine Räumung zu verlangen.
„Mäh, ich bin Mauerpark“
Bunter Protest von Groß und Klein
Und so setzte man noch einmal auf Einsicht – doch der Sitzungsabend war zu diesem Zeitpunkt bereits verloren. Im Chaos begab sich auch Bürgermeister Dr. Hanke vor die Tür, statt sich hier selbst als Hausherr noch für einen geordneten Ablauf einzusetzen.
Mehrmals ziehen sich BVV-Mitglieder in einen Nebenraum zurück – schwanken zwischen Räumung und Befriedung der Sitzung. Publikum und geduldig sitzenden BVV-Mitglieder sind inzwischen völlig im Unklaren, was geschehen soll.
Auch die Idee, den Saal zu räumen, und unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu tagen, wird verworfen. Sprechchöre der Demonstranten heizen die Stimmung an: „Wir bleiben alle“ und „Keine Bebauung“ wird skandiert.
Einzelne BVV-Verordnete, die nach dem „Entwurf des städtebaulichen Vertrages“ befragt wurden, räumten ein, das Dokument bis zum Sitzungsbeginn nicht vorliegen zu haben und bis dato nicht zu kennen.
Überfüllter BVV-Saal
Im Chaos geht es hin und her. Ein Gerücht von einer polizeilichen Räumung machte die Runde. Carsten Spallek (CDU), Stadtrat für Stadtentwicklung in Mitte – eigentlich federführend bei dem umstrittenen Beschluss zum Mauerpark, nutzt die Situation, und diskutiert mit einigen Demonstranten über die Vor- und Nachteile seines Erweiterungsplans.
Bürgermeister Dr. Hanke verließ zwischenzeitlich das Gebäude, und stand vor der Rathaustür. Auch dem Berichterstatter wurde es nun zu viel – eine Absage der Sitzung lag auch schon direkt in der Luft.
BVV-Abgeordnete Janina Körper (SPD) stand neben Bürgermeister Dr. Hanke unter dem Rathausvordach, und war auskunftsbereit:
„Carsten Spallek hat den Entwurf des städtebaulichen Vertrages auch erst seit zwei Tagen, und muss nun fachlich prüfen, was veröffentlicht werden kann, und was nicht“. Und weiter: „In jedem Fall werden die BVV-Abgeordneten nichts Rechtswidriges beschließen – das ist heute schon klar“.
Und so hat der Abend doch ein bischen Licht in das dunkle Mauerpark-Chaos gebracht. Und nun stellt sich die Frage, wer hier eigentlich in Sachen des städtebaulichen Vertrages am Mauerpark überhaupt die Regie führt?
Die BVV-Sitzung wurde schließlich abgesagt – und auf den 13. September 2012 vertagt. m/s