Die Pankower BVV hat nach zweimonatigen Hin- und Her den Beschluß gefaßt, das EcoMobility-Festival 2015 nach Pankow zu holen. Doch die ursprüngliche Festival-Idee für ein einmonatiges Festival rund um den Helmholtzplatz ist wohl endgültig vom Tisch. Die Veranstalter müssen sich nun ein neues Konzept einfallen lassen – und ihre Förderer und Sponsoren neu einstimmen und überzeugen.
Der Antrag der BVV-Fraktionen von Bündnis90/Grüne und SPD war erst nach längeren internen Diskussionen neu auf den Weg gebracht worden. Der Antragstext der Drucksache – VII-0771 „EcoMobility-Festival in Pankow“ ist nun eher formell und distanziert, eine freundliche Einladung an weltweite Kooperationspartner sieht anders aus:
„Die BVV möge beschließen:
1. Die Bezirksverordnetenversammlung Pankow begrüßt die Initiative des Städtenetzwerks ICLEI bei den Vereinten Nationen (International Council for Local Environmental Initiatives) und des Veranstalters Eco-Mobility Festival Berlin gGmbH i. G., im Bezirk Pankow im Mai 2015 das EcoMobility-Festival (Festival der ökologischen Mobilität) zu veranstalten.
Die Formulierung „im Mai 2015“ wurde durch einen Änderungsantrag verändert und durch das Wort „ein“ in eine unbestimmte Zeit versetzt.
Im Änderungsantrag wurde noch ein neuer Passus eingesetz, der vor allem auf Betreiben von Bürgermeister Mathias Köhne (SPD), Roland Schröder (SPD) und Wolfram Kempe (DEI LINKE) eingefügt wurde:
„2. Ein Festival in der bisher von den Veranstaltern dem Bezirksamt, der BVV und der Öffentlichkeit vorgestellten Form und Dimension wird im Bezirk Pankow ausgeschlossen.“
Köhne hatte sich auf einen Tagesspiegel-Artikel hin eilig über Twitter ablehnend geäußert, und sich in einem bemerkenswerten RBB-Interwiew ablehnend geäußert, und von „Zwangszubeglückung“ gesprochen. Das Video wurde übrigens unmittelbar nach Verlinkung in der Pankower Allgemeinen Zeitung aus der Mediathek des RBB entfernt.
Schröder hat vor allem Bedenken wegen möglicher Ausfälle bei den Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung, die fest im Haushalt kalkuliert sind, und unter den Erwartungen liegen.
Kempe hatte sich in der 23. Sitzung der Stadtverordneten ablehnend geäußert, weil der der Ansicht sei, man dürfe die Anwohner nicht zur „Versuchskaninchen machen“ und lehnte einen „Beta-Test der Industrie“ ab.
Als Vorsitzender des Verkehrsausschuß in der BVV hätte er aber wissen können: jedes Kraftfahrzeug benötigt eine Typ-Zulassung und eine Straßenzulassung nach Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, somit kommen gar keine „Versuchsfahrzeuge in den Handel“.
Auch die Tatsache, dass Kempe keinen Führerschein besitzt, müßte eigentlich bei einem Vorsitzenden eines Verkehrsausschuß Besorgnisse der Voreingenommenheit und Befangenheit in Mobilitätsfragen auslösen.
Zurück auf Anfang und Neustart
Die Fehlinterpretationen und Kommunikationspannen geprägte erste Diskussionsphase soll nun durch einen Neustart überwunden werden. Cornelius Bechtler, Fraktionsvorsitzender/Fraktionssprecher von Bündnis 90/Die Grünen äusserte sich nach dem Beschluß in einer Pressemitteilung optimistisch und die „die Tür für das EcoMobility-Festival weit geöffnet! – „Die Vorbereitungen für das geplante Festival für ökologische Mobilität können nun ab sofort beginnen.
Er räumt aber auch ein: „Dabei wird es einen Neustart geben: Wir sind uns mit dem Veranstalter einig, dass wir um die aktive Beteiligung der Anwohnerinnen und Anwohner werben wollen und diese auch benötigen, damit das Festival ein großer Erfolg werden kann. Die Beteiligung entscheidet, in welcher Form das Festival stattfinden wird. Schon jetzt ist das Interesse groß. Die Idee ist, in einem Quartier einen ganzen Monat lang im Mai 2015 neue Formen der ökologischen Mobilität kostenlos auszuprobieren.“
Bechtler machte auch klar, dass es nicht nur um „Elektromobilität“, sondern um „ökologische Mobilität“ geht.
Unterstützerkreis für das EcoMobility-Festival 2015 wächst
Bei der initiierenden Agentur Team-Red hat sich inzwischen ein ganzer Unterstützerkreis gemeldet, der allerdings erst von der neuen Beschlußlage in Kenntnis gesetzt werden muß.
Unternehmen, kleinere und große, Forschungsinstitute und eine Universität haben bereits ihre Unterstützung und Beteiligung angekündigt. Elektroautos und -mobile, Pedelecs und innovative Fahrräder können damit einen ganzen Monat lang für Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Festivals der ökologischen Mobilität zur Verfügung gestellt werden.
Grünes Leitprojekt „ökologische Mobilität“
Bechtler stellt sich das Fest als großen Schritt vor: „Wir wollen der Zukunft einen großen Schritt entgegengehen und ausprobieren, wie städtische Mobilität umweltfreundlicher und abgasfrei organisiert werden kann. Dabei schaut die weltweite Fachwelt interessiert in den Prenzlauer Berg. Denn hier wohnen jetzt schon die Menschen, die in ihrem Alltag den Trend setzen für eine nachhaltige, ökologische Mobilität für die urbanen Zentren von morgen.“
Bechtler vergleicht auch mit anderen Städten: „Der Prenzlauer Berg ist führend bei der Nutzung des Fahrrads im Alltag – vergleichbar mit Kopenhagen oder Amsterdam, es gibt eine Car-Sharing-Dichte wie sonst nirgendwo auf der Welt. Der öffentliche Verkehr ist dabei das Rückgrat für unsere städtische Mobilität und wird pragmatisch mit anderen Verkehrsmitteln kombiniert. Den Menschen im Prenzlauer Berg geht es auch darum sich den öffentlichen Raum wieder anzueignen. Dies wird jetzt schon gelebt und macht einen wichtigen Teil der Attraktivität dieses Stadtteils aus, weshalb viele Menschen aus aller Welt den Prenzlauer Berg besuchen.“
Anstoß für grüne Arbeitsplätze
Bechtler sieht auch mehr Zukunftschancen für Arbeitsplätze vor Ort:
„Das EcoMobility-Festival wollen wir als Impuls nutzen, um die Infrastruktur für eine ökologische Mobilität auszubauen. Wir wollen, dass die eMO (Berliner Agentur für Elektromobilität) im Prenzlauer Berg einen festen „Ort der Elektromobilität“ dauerhaft einrichtet. Und zwar als Informationsort, Treffpunkt und Organisationsbüro, um einzelne Projekte in unserem Bezirk anzustoßen und voranzutreiben. Hierzu gehört der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektromobile, Lieferkonzepte für Geschäfte, wo Lastenfahrräder und Elektromobile zum Einsatz kommen. Versorgungsfahrzeuge, z.B. der Berliner Stadtreinigung (BSR), sollen auf Elektrofahrzeuge umgestellt werden, um den Lärm zu reduzieren. Die Fahrradinfrastruktur soll langfristig neue Impulse bekommen. Die Elektromobilität führt gerade beim Fahrrad zu einer kleinen Revolution. Pedelecs, Elektrofahrräder und Elektromobile werden die Vielfalt der Mobilitätsformen dabei stark verändern.“
Hürden für den Veranstalter
Dr. Bodo Schwieger und René Waßmer von Team-Red, die aufgrund internationaler Kooperationen schon Vorarbeit für das EcoMobility-Festival geleistet haben, wurde von der Kommunikationskrise im Mai überrascht, die durch einen verfrühten kritischen Kommentar von Lorenz Maroldt von Tagesspiegel ausgelöst wurde. Maroldt ist vor allem als Gegner „grüner Zwangsbeglückungspolitik“ in den Ring gestiegen, und hatte das „EcoMobility-Festival 2015“ als willkommenen Anlaß für seinen Kommentar gesehen.
Inzwischen haben sich hinter den Kulissen klärende Gespräche ergeben, und die Idee, die Elektromobility-Summit des TAGESSPIEGEL im Jahr 2015 nach Prenzlauer Berg in die Kulturbrauerei zu verlegen, ist mehr als nur ein Gerücht.
Die neue Beschlußlage zum „EcoMobility-Festival 2015“ hat noch eine weitere Hürde bekommen:
„4. Die Festivalfläche wird durch ein Beteiligungsverfahren festgelegt. Größe und Umfang orientieren sich damit maßgeblich an dem Umfang der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Anlieger.“
„5. Der Veranstalter wird aufgefordert, zum Veranstaltungskonzept ein Beteiligungs- und Kommunikationskonzept zu erarbeiten. Beide Konzepte sind mit dem Ausschuss für Verkehr und öffentliche Ordnung abzustimmen.“
Da man schwerlich schon in diesem Jahr fragen kann: „Liebe AnwohnerInnen, wollt Ihr im Mai 2015 Ökomobilität feiern?“, ist das geforderte Beteiligungsverfahren natürlich ein unabsehbares Hemmnis, das noch für Zündstoff sorgen wird.
Der Veranstalter wird es aufgrund dieser Bestimmung schwer haben, Vorbereitungskosten einzuwerben. Das Veranstalterisiko wächst über damit über ein kalkulierbares Maß hinaus.
In jedem Fall muß es nun neue Ideen für das Konzept eines „EcoMobility-Festival 2015“ geben – das noch ausgearbeitet werden muß.
Ökomobilität steht nun auf der Agenda der Politik
Jens-Holger Kirchner, Stadtrat für Stadtentwicklung (Bündnis 90/Die Grünen) sieht sich als Befürworter des Projekts bestätigt:
„Wir haben die Diskussion über das wichtige Thema geöffnet und werden die Beteiligung ermöglichen. Das ist eine große Chance!“
Für den Prenzlauer Berg spricht auch: Mobilität wird hier bereits ganz anders praktiziert und gelebt. Fahrräder, Lastenfahrräder und Leihfahrräder von „Call a Bike“ und Parkplätze für Carsharing und E-Mobile sind längst im Straßenbild zu finden.
Veranstalter bereitet sich neu vor
Dr. Bodo Schwieger und René Waßmer von Team-Red haben unterdessen weiter gearbeitet. Inzwischen haben sich auch bereits einige wichtige Kooperationspartner und Sponsoren gefunden. Auch aus anderen Bezirken Berlins liegen längst Anfragen für ein Festival vor.
Im Informationsbüro der neu gegründeten Vorbereitungsgesellschaft EcoMobility Festival Berlin gGmbH i.G. in der Schliemannstraße 34 fanden auch schon zwei erste Bürgerberatungsrunden statt.
Nach dem BVV-Beschluß für das EcoMobility-Festival 2015 prüfen Schwieger und Waßmer nun die neue Konstellation und wollen auf die BVV-Fraktionen in Pankow zugehen. Dr. Bodo Schwieger: „wir laden die Fraktionen zu einem ersten Vorbereitungstermin ein!“.
Weitere Informationen:
1 Monat diesel- & benzinfrei im Helmholtzkiez – 4. 05. 2014 – Pankower Allgemeine Zeitung
“Eco-Mobility-Vorführung” der Pankower Politik 9.5.2014 Pankower Allgemeine Zeitung