/// Kommentar /// – Der Berliner Finanzsenator verhandelt den nächsten Unternehmensvertrag zwischen dem Land Berlin und der Berliner Stadtreinigung, der für die nächsten 15 Jahre geschlossen werden soll. Es geht dabei um Geld, um leistungsgerechte Preise, Reinigungsentgelte und auch um planbare Unternehmenserträge. Dabei muß die BSR natürlich auch einen Blick in die Bilanzen werfen lassen, und alle Positionen einer Überprüfung zugänglich machen.
Vor allem aber: die Politik muss sich nun vergewissern, ob sie Berlin entsprechend dem geltenden EU-Recht in Richtung auf mehr wirtschaftlichen Wettbewerb – oder weiter auf staatswirtschaftliche Konzepte in der Entsorgungswirtschaft setzt, die unter dem Begriff „Rekommunalisierung“ vertreten werden.
Vereinfacht gesagt: soll die BSR als staatlich beaufragtes landeseigenes Unternehmen weiter wie bisher wirtschaften, und den Bürger mit „politisch abgestimmten Monopolpreisen“ bedienen? Oder soll es im Rahmen der Straßenreinigung mehr Wettbewerb geben, wie etwa in der Schnee- und Glättebeseitigung?
Die Rekommunalisierung bei Wasser und Energie ist in Berlin durchaus sinnvoll und erfolgreich. Bei Stadtreinigung und im Bereich von Reinigungsdiensten, Grünflächen-Pflege und Abfallbeseitigung gibt aber bereits private Strukturen, so dass neben Effizienzaspekten auch arbeitsmarktpolitische Chancen und Qualität von Freiflächen und Grünanlagen neu bewertet werden müssen.
Vor allem aber: 1986 als das Straßenreinigungsgesetz novelliert wurde, gab es nur wenige von Betreibern bewirtschaftete Grün- und Freiflächen. Heute werden viele große Freiflächen nach wirtschaftlichen Kriterien bewirtschaftet, und dabei mit Steuermitteln mitfinanziert. Gibt es womöglich „geheime Doppelfinanzierungs-Tatbestände“, wo der Steuerzahler zweimal zahlt, aber nur „eine oder keine“ Leistung dagegensteht?
Analyse mit Hubschrauberblick offenbart „geheime Profitcenter der BSR“
Manche Bilanz-Positionen sind beim Blick in die Bilanz der BSR überhaupt nicht auf ersten Blick erkennbar. Man braucht einen erheblichen Sachverstand, Controllerwissen und Kenntnisse des kommunalen Gebühren- und Entgeltrechtes, um noch vorhandene stille Reserven und Verhandlungsreserven zu erkennen. Und es gilt den modernen Logiken der Kreislaufwirtschaft nachzuspüren, die sich um die Freiflächen ranken.
Noch wichtiger: man benötigt auch einen Hubschrauber-Blick, um eine Besonderheit zu erkennen:
„Es gibt geheime Profit-Center der BSR!“ Manche sind riesengroß – andere ganz klein!
Die Profitcenter sehen dabei nicht wie Profitcenter aus, sondern sind durch sichtbare und unsichtbare Grenzen markiert, die durch Bemessungsregeln und Zuständigkeiten, sowie Eigentumsrechte bestimmt sind. Blickt man hinunter auf die Flächen der Stadt, so geht es vermeintlich gerecht zu: alle Grundstücksbesitzer zahlen gleichermaßen Reinigungsentgelte entsprechend der nachgewiesenen Grundstücksfläche.
Ein besonderer „Profit“ entsteht bei sehr großen Grundstückflächen, bei denen praktisch keine Gegenleistung oder keine „angemessene Gegenleistung“ in Form von Straßen-Reinigungsleistungen an umliegenden Straßen stattfindet.
Der Grund ist nicht einfach zu verstehen: In Berlin werden keine „aufwandsbezogenen Straßenreinigungsgebühren“ gezahlt, die auf Leistungsnachweis abgerechnet werden, sondern „Reinigungs-Entgelte“ die nach einem Schlüssel bemessen werden.
Als das Straßengesetz Mitte der achtziger Jahre auf „Reinigungs-Entgelte“ ungestellt wurde, wurde ein Schlüssel festgelegt: das Reinigungs-Entgelt wird entsprechend der in Quadratmetern gemessenen Grundstücksfläche berechnet, und nach Reinigungsstufen gestaffelt, um eine halbwegs gerechte Kostenverteilung zu ereichen.
Dies war ein Kompromiß, den man gegenüber klagefreudigen privaten Grundstücksbesitzer anwenden mußte. Alle anderen denkbaren Erhebungsmethoden hätten endlosen Streit auslösen können, und unendlich viele Abrechnungsprobleme.
Wie sieht so ein geheimes Profitcenter der BSR konkret aus?
Eines dieser geheimen Profit-Center liegt mitten in der Havel. Keine Straßenkehrmaschine hat je entlang der Grundstücksgrenze gekehrt, keine BSR-Reinigungskolonne ist hier je entlang gekommen. Für 67 Hektar Grundstücksfläche werden jedoch seit dem Inkrafttreten der Entgeltregelung alljährlich hohe fünfstellige Beträge vom Grundstückseigentümer gezahlt.
Der Grund: das Grundstück ist von einer Bundeswasserstraße umgeben. Die Pfauensinsel ist im Besitz der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, und muss so einer Rechtspflicht ohne Gegenleistung nachkommen, obwohl es eigentlich besser wäre, für das zu entrichtende Reinigungsentgelt Gärtner und Baumpfleger zu beschäftigen.
Bei 67 Hektar fallen ganz erkleckliche Summen an. Nach Tarif 2014 waren es 0,0338 € pro Quartal für den Quadratmeter (13,52 Cent x 670.000 m² = 90.585 €. Es ist Geld, das der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten fehlt. Schließlich beschäftigt sie eigene Reinigungsdienste, für die sogenannte Binnenreinigung, die mit ihren Kosten anteilig auf Eintrittspreise und Besucher umgelegt werden müssen.
Die Inselbesucher tragen sogar Abfälle auf die Insel, wenn sie an der Anlegestelle der Fähre Eis, Süßigkeiten und Fahrkarten kaufen. Praktisch wird damit die Stadt entlastet. In der Summe tragen die Inselbesucher auch keinen Abfall in das Stadtgebiet. Die BSR wird physisch von Abfallmengen entlastet. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft ist die Pfaueninsel eine geordnete „Abfall-Senke“, deren Aufwand betrieblich bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten budgetiert wird.
Wo sind all die geheimen Profit-Center der BSR?
Der Finanzsenator und der Finanzausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses sollten sich über Landkarten und Luftbilder beugen, und das gesamte Stadtgebiet genauer anschauen. Bei allen Grundstücken, die nur an Stichstraßen angeschlossen sind, die nicht von straßenreinigungspflichtigen Straßen umgeben sind, lohnt es nachzuschauen. Es sind riesige Flächen im Stadtgebiet.
Nächstbester Kandidat ist der Schloßpark Charlottenburg, der östlich von einer Bundeswasserstraße begrenzt wird, nördlich von Eisenbahnahnlagen. Überdies liegen an dessen Westseite „Vorderliegergrundstücke“, die den Schloßpark vom öffentlichen Straßenland trennen. Auch hier trägt die öffentliche Schlösserstiftung den Aufwand der „Binnenreinigung“ des eigenen Grundstückes. Auch hier wird eine öffentliche „grüne Abfallsenke“ mit eigenem Budget betrieben.
Auch der Schloßpark Schönhausen ist ein interessanter Fall: hier gibt nur Stichzufahrten und viele Vorderlieger-Grundstücke.
Die Flächen der Grün Berlin GmbH, die in ihren Freizeit- und Erholungsparks Britzer Garten und Gärten der Welt intensive und vorbildliche Reinigungsdienste unterhält, und auch wetterabhängig und zeitnah am Wochenende Abfallbehälter leert sind ähnlich gelagerte Fälle. Vorteil: Krähen, Füchse, Waschbären und Ratten haben es hier schwer, an freßbare Abfälle heranzukommen!
Auch hier sorgt der Betreiber Grün Berlin GmbH für eine Entlastung der BSR, denn während des Aufenthalts in den Freizeitparks können Parkbesucher keine Abfälle anderswo im Stadtgebiet abwerfen. Die Parkbesucher tragen im Gegenteil viele Freizeitabfälle in den Park mit hinein, es sind vorrangig Einwegverpackungen, aber auch gebrauchte Windeln und Einweg-Hygieneprodukte, sowie Getränkeverpackungen, dazu Obstreste und Bananenschalen – und andere naherholungstypische Restabfälle.
Auch der Berliner Zoo und der Tierpark zählen zu diesen geheimen Profit-Centern der BSR, und könnten das Geld sicher besser investiv einsetzen.
In der Systembetrachtung der Stadt sind es „Abfall-Senken“ und „Kloaken“ – auch öffentliche Toiletten müssen hier betrieben werden.
Die Ironie der großen Betrachtung aus der Hubschrauber-Perspektive: jeder pünktlich vor dem Überquellen geleerte Abfallbehälter in Berlins Parkanlagen spart der BSR Aufwand und Geld – ist im Sinne der Kreislaufwirtschaft sogar ein kleines „Behälter-Profit-Center“.
Die Frage für die Zukunft der Stadt lautet: was geschieht mit den Erträgen der BSR aus Reinigungsentgelten, denen am konkreten Grundstück keine angemessene zurechenbare Reinigungsleistung der BSR gegenübersteht? Könnten die Einnahmen sinnvoller verwendet werden?
Subventionseffekt zu Lasten des öffentlichen Grüns
Bevor ein neuer Staatsvertrag zwischen Land Berlin und der Berliner Stadtreinigung ausgehandelt wird, sollte die Dimension der „leistungslosen Profite der BSR“ ermittelt werden.
Leidtragende sind vor allem die Berliner Bezirke mit großen Grünanlagen und Parks, die Grün Berlin Gmbh, die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, aber auch große landeseigene Liegenschaften und etwa die Flughafengelände in Tempelhof und Tegel und der Zoo Berlin, einschließlich Tierpark.
Allen diese Flächen haben eigene Dienste zur Binnenreinigung, und importieren nutzungsbedingt „Abfälle“ der Nutzer – und entlasten als „Abfall-Senken“ die große „entsorgungspflichtige Körperschaft Berlin, bzw. das per Staatsvertrag beauftragte Unternehmen BSR.
Umsteuern unter den Bedingungen der wachsenden Stadt und des Klimawandels
Unter den Bedingungen der wachsenden Stadt ist eine neue Tiefenprüfung notwendig, das System der Straßenreinigungsentgelte sollte zukunftsfähig gemacht werden.
– wachsende Einwohnerzahlen führen zu höheren Aufwänden UND Einnahmen bei der BSR,
– zugleich entstehen steigende Belastungen der Freiräume und Grünanlagen,
– modernes Freizeitverhalten verwandelt Freiräume in „Abfall-Senken und Kloaken“.
Die Flächen mit eigenen Diensten zur Binnenreinigung sollten bei den Straßenreinigungs-Entgelte entlastet werden. Dies kann entweder durch „geldwerte Leistungen“ – oder durch Ausnahmen von Entgeltregeln geschehen. Da in den Freiräumen und Grünflächen saisonale Spitzen zu verzeichnen sind, könnte man z.B. Gebühren-Ausnahmen auf zwei „Sommer-Quartale“ beschränken.
Auch wäre es denkbar, die BSR wetterabhängig an Tagen mit hoher Nutzung mit der zeitnahen Leerung von Abfall-„Profit-Centern“ in öffentlichen Grünanlagen zu befassen.
Die frei werdenden finanziellen Ressourcen sollten unbedingt in die Qualität, Pflege und Unterhaltung der Berliner Grünanlagen und Freiflächen investiert werden. Dazu gehören auch intelligente Lösungen und Pächterauflagen bei Kiosken zur Abfallvermeidung.
Gleichzeitig könnten Zoo Berlin, die Grün Berlin GmbH, bezirkliche Grün- und Tiefbauämter sowie die Schlösserstiftung betríebswirtschaftlich in Richtung auf mehr Grünpflege und vor allem Baumpflege umsteuern.
Die grüne Stadt Berlin muss ihre Freifläche- und Naturpotentiale überdies an den Klimawandel anpassen und künftig auch Geld für die Notbewässerung in langen Hitzeperioden bereit stellen.
Der Staatsvertrag zwischen dem Land Berlin darf daher nicht nur aus „entgeltrechtlicher“ Perspektive verhandelt werden.
Qualitative, kreislaufwirtschaftliche und stadtökonomische und stadökologische Leistungsaspekte müssen unbedingt für die kommenden 15 Jahre Vertragslaufzeit mit bedacht werden. Nicht zuletzt ist auch das Haushaltsrecht zu beachten, das durch einen neuen Staatsvertrag für drei Legislaturperioden tangiert werden soll.
Weitere Informationen:
Abfallbeseitigung in Grünflächen durch BSR | 19.10.2014 | Pankower Allgemeine Zeitung